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Wirtschaft: Karriere im Team

Vor allem bei Frauen wird Jobsharing immer beliebter. So können sie Kind und Beruf besser vereinbaren.

Kinder und Karriere, das alte leidige Lied der Unmöglichkeit für viele Frauen. Doch anstatt in Teilzeit zu versauern, gibt es noch eine andere Möglilchkeit: sich die Führungsposition mit einer Kollegin oder einem Kollegen zu teilen.

Montags ist Sandra Rathmann dran. Die 36-jährige Projektleiterin bei Bosch sitzt im Büro, entwickelt Konzepte, leitet Workshops, hält Meetings – Arbeitsalltag einer Führungskraft. Bis Mittwoch ist Rathmann im Büro, donnerstags und freitags arbeitet sie vormittags im Home Office. Verwaist ist ihr Arbeitsplatz in der Zeit trotzdem nicht – Job-Sharing-Partnerin Susanne Klement ist ab Dienstag vor Ort für den Chef und die Kollegen ansprechbar. „Eine von uns ist immer da“, sagt Rathmann. Einen Tag verbringen beide Frauen für Koordinierungsaufgaben gemeinsam im Büro, der Rest der Absprachen läuft über Telefonate und E-Mail.

Job-Sharing heißt das Teilzeit-Arbeitsmodell, bei dem sich mehrere Beschäftigte einen Arbeitsplatz teilen. Häufig sind die Job-Sharer dabei selber für die Aufteilung der Arbeitszeit und der Inhalte verantwortlich. „Unser Chef sieht uns als Ganzes. Wenn er eine Aufgabe stellt, will er ein Ergebnis von uns – wie das zustande kommt, wer das macht, ist ihm egal“, sagt Rathmann. Darüber stimmen sich Rathmann und Klement intern ab.

Seit Jahren wächst die Zahl der Job-Sharing Arbeitsverhältnisse in deutschen Unternehmen. Praktizierten 2003 nach einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln 9,1 Prozent Unternehmen Job-Sharing, waren es 2009 schon 20,4 Prozent. Christiane Flüter-Hoffmann vom IW ist sicher, dass die Zahlen für 2012 weiter gestiegen sind. „Es ist im Prinzip ja auch eine klassische Win-Win-Situation.“ Gute Job-Sharing-Teams sind of sehr produktiv.

Gründe für Jobsharing gibt es viele: Vor allem weibliche Beschäftigte wünschen sich geringere Arbeitszeiten, zum Beispiel um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. Möglich ist aber auch, einen Stellenumfang von über 100 Prozent auf zwei oder mehr Mitarbeiter zu verteilen. Die gesetzlichen Grundlagen regelt das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) unter Paragraf 13: „Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass mehrere Arbeitnehmer sich die Arbeitszeit an einem Arbeitsplatz teilen.“ Einen Rechtsanspruch auf Job-Sharing gibt es jedoch nicht.

Selten sind Job-Sharing-Stellen ausgeschrieben. „Das passiert meistens auf Initiative der Mitarbeiter“, sagt Barbara Sarx-Lohse, Mitbegründerin von Flexperten, einem Jobportal für flexibles Arbeiten. Gerade in kleineren Unternehmen ist die Skepsis gegenüber der Arbeitsplatzteilung groß, vor allem, was die interne Kommunikation, aber auch höhere Sozialabgaben angeht.

Auch Sandra Rathmann und Susanne Klement mussten Überzeugungsarbeit leisten: „Mit einer Gehaltssimulation konnten wir zeigen, dass die Kosten für Gehalt und Sozialabgaben nur um rund 10 Prozent teurer sind als bei einer Vollzeitstelle“, erzählt Rathmann.

„Dafür ist unsere Stelle immer besetzt, egal ob mal eine krank oder im Urlaub ist.“ Ein gutes halbes Jahr haben die Bosch-Frauen ihr Arbeitszeitmodell geplant und überarbeitet, bevor sie damit im Konzern auf Stellensuche gingen. Dabei ging es nicht nur darum, Arbeitszeiten und Organisatorisches zu klären. Viel wichtiger war das persönliche Kennenlernen und das ehrliche Abklären von Grundwerten untereinander: „Wie lange soll diese Partnerschaft dauern?“ und „Mit welchen Gehaltsvorstellungen geht man in die Arbeitsvertragsverhandlung?“

Auch die Arbeitsmarktexpertinnen warnen vor schnellen Entscheidungen beim Job-Sharing: „Die Chemie zwischen den beiden Sparring-Partnern muss stimmen, das ist das A und O“, sagt Flüter-Hoffmann. Beide Partner müssen offen und ehrlich miteinander umgehen und Kritik sowohl aussprechen als auch einstecken können.

Besonders wichtig ist bei Job-Sharing-Modellen die Vertretungsregelung. Was passiert, wenn einer der beiden Partner wegen Krankheit länger ausfällt? So sind Job-Sharer laut Teilzeit- und Befristungsgesetz „zur Vertretung verpflichtet, wenn sie der Vertretung im Einzelfall zugestimmt haben.“ Entsprechende Vereinbarungen sollten Job-Sharer unbedingt prüfen, empfiehlt Flüter-Hoffmann. Fehlt eine entsprechende Klausel, müssen sie das nicht machen. Es sei denn, der Chef kann Überstunden anordnen. „Am besten geht man bei der Arbeitszeitvereinbarung nicht ganz ans Limit, so dass man eventuell die Möglichkeit hat, vorübergehend auch etwas mehr zu arbeiten.“

Job-Sharing als Arbeitsmodell wird sich weiter ausbreiten, da sind sich die Fachfrauen sicher. Der besondere Reiz des Teilzeitmodells: „Es ist gerade für hoch qualifizierte Jobs interessant“, sagt Sarx-Lohse. Denn mit der Aufteilung sind auch Führungspositionen, die eine Vollzeitstelle erfordern, mit reduzierter Arbeitszeit möglich.

Bosch-Projektleiterin Rathmann wäre alleine an einer Führungsaufgabe gescheitert. Zusammen mit Klement übt sie jetzt trotz ihrer drei Kinder einen Beruf in leitender Position aus. dpa

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