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Andrew McAfee

© imago / stock & people

Kapitalismus-Theoretiker im Interview: Welche Steuern finden Sie gut, Herr McAfee?

Der MIT-Professor erklärt, warum er Atomkraft für eine tolle Erfindung hält und was er an Kanzlerin Angela Merkel bewundert.

Von Jonas Bickelmann

Andrew McAfee arbeitet an der angesehen Sloan School of Management des MIT. Zuletzt erschien von ihm das Buch „Mehr aus Weniger“ (DVA). Zur Frage Was macht Corona mit dem Kapitalismus? sprechen wir außerdem mit einer Transformationsforscherin, einer Kreuzfahrtmanagerin und einem Marktkritiker.

Herr McAfee, was wird aus dem Wirtschaftswachstum?
Wenn Sie sich die Wirtschaftsdaten hier in den USA ansehe, sind wir bereits in einer massiven Rezession.

Die Aktienkurse sind wieder gestiegen.
Ja, als ich zuletzt auf den NASDAQ geschaut habe, war er auf einem Allzeit-Hoch.

Sie verteidigen den Wachstumsgedanken. Dabei scheinen doch jetzt alle einen minimalistischen Lebensstil zu verfolgen. Mit weniger Besitz, leeren Zimmern...
Kann sein, dass die Leute in Ihrem Umfeld das gut finden, aber global betrachtet zeigt sich, dass die Menschen mehr Konsum wollen. Ich sage, dass Wachstum nicht bedeuten muss, dass wir immer mehr Ressourcen verbrauchen. Tatsächlich verbrauchen wir immer weniger.

Das überrascht mich...
Für lange Zeit haben wir als gegeben angenommen, dass Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch verknüpft sind. Aber jetzt sehen wir, dass eine Mischung aus Kapitalismus und technischem Fortschritt dazu führt, dass in reichen Ländern immer weniger Rohstoffe verbraucht werden. Schauen Sie sich Getränkedosen an: Mit der Zeit ist der Materialverbrauch immer weiter gesunken. Die ersten Modelle wogen noch 85 Gramm, aber bis 2011 wurde das Gewicht auf nur noch 12,75 Gramm gesenkt.

Wie finden Sie Pfand-Flaschen?
Da würde ich fragen: Was wollen Sie damit erreichen? Möchten Sie weniger Glas verbrauchen? Das ist kein knapper Rohstoff. In solchen Pfandsystemen wird viel Energie für das Waschen und Recycling verbraucht. Ich bin nicht sicher, ob es besser für die Umwelt ist.

Werden in den USA deshalb weniger Rohstoffe verbraucht, weil die Fertigung jetzt woanders stattfindet?
Die Globalisierung spielt eine Rolle, aber das ist nicht die Haupterklärung für den Rückgang. Deutschland exportiert ja immer noch mehr als es importiert und hat eine starke produzierende Industrie.

Sie sind für an Daten orientierte Politik. Waren die Corona-Maßnahmen dafür ein Beispiel?
Kommt drauf an, wo man hinschaut. In Deutschland mit einer Kanzlerin, die aus der Wissenschaft kommt, würde ich sagen ja. Hier in den USA sieht es anders aus. Wir befinden uns in einem Kulturkrieg von Maskenträgern und -gegnern.

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Da Sie viel von technischem Fortschritt halten: Kann der nicht auch gefährlich werden? Denken Sie an Atomkraft.
Ich weiß, dass die Leute in Deutschland sehr starke Vorbehalte gegen Atomkraft haben. Aber das ist keine Gegnerschaft, die auf Belegen beruht. Sie beruht auf Gefühl und Intuition. Atomkraft ist sicher und erneuerbar.

Das Risiko mag klein sein, aber ein Unfall ist verheerend.
Die Tödlichkeit der Verschmutzung durch Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen ist viel höher. Und das ist kein Risiko, es ist eine Gewissheit. Selbst wenn man sich den Tschernobyl-Unfall ansieht, den größten Nuklear-Unfall der Geschichte, war er kleiner als die Folgen der Kohlenstoffverbrennung.

Sie glauben an Marktkräfte, aber auch an Steuern. Wie sollten die erhoben werden?
Subventioniere das, wovon du mehr willst, und besteuere, wovon du weniger willst. In den meisten Ländern besteuern wir Arbeit. Wenn wir das ändern, entstehen Jobs. Ich bin auch für eine Steuer auf CO2-Emissionen. Kapitalismus braucht Regulierung, um Umweltrisiken zu kontrollieren und bedrohte Arten zu schützen.

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