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Mit der App Jelbi kann man viele Mobilitätsdienste buchen. Daimler und BMW (Share Now) machen jedoch nicht mit.

© picture alliance/dpa

Jelbi, Free Now, Uber und Co.: Wann gibt es endlich eine Mobilitäts-App für alle Anbieter?

Im Koalitionsvertrag ist das Ziel einer digitalen Mobilitätsplattform klar verankert. Doch es tut sich nichts. Private Anbieter sind da schon weiter.

Wer durch Deutschland reist, muss sich eine Vielzahl von Apps aufs Smartphone laden. Jeder Anbieter hat seine eigene: E-Tretroller-Verleiher, Bus, Bahn und Carsharing-Anbieter. Schnell verliert man den Überblick auf dem Display. Dabei soll die Mobilitätswelt von morgen einfach, zentral, vernetzt und personalisiert sein. Das hat sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag vorgenommen: Ziel sei es, eine „digitale Mobilitätsplattform“ einzuführen, „die neue und existierende Mobilitätsangebote benutzerfreundlich miteinander vernetzt“.

Einen konkreten Zeitplan dafür nennt die Bundesregierung aber nicht, wie aus der Antwort auf eine kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar von den Grünen hervorgeht, die dem Tagesspiegel vorliegt. Dabei beschäftigt sich die Bundesregierung nach eigener Aussage bereits seit mehr als 13 Jahren mit dem Thema. Allein in den vergangenen zwei Jahren ist ein zweistelliger Millionenbetrag an Steuergeldern in Forschungsprojekte zur vernetzten Mobilität geflossen.

„Die Aktivitäten des Bundesverkehrsministeriums in Sachen Mobilitätplattform kann man dem Grunde nach mit dem Satz ,Wie Sie sehen, sehen Sie nichts’ zusammenfassen“, kritisiert Grünen-Politiker Gelbhaar. „Das Verkehrsministerium beteuert zwar stets rege Aktivität, um eine bundesweite Lösung für den Such-, Buch- und Bezahlvorgang in Bus und Bahn umzusetzen.“ Aber niemand bemerke etwas davon, sagte der Obmann im Verkehrsausschuss. Um den öffentlichen Verkehr zu stärken, brauche es eine Task Force auf Bundesebene, „die das komplexe Konstrukt aus Finanzierung, Strukturierung und Digitalisierung gemeinsam mit den Ländern entwirrt“.

Die BVG geht mit Jelbi voran

Versuche gibt es einige. Die Deutsche Bahn hat sich vorgenommen, zum „Betriebssystem der Mobilität“ zu werden. In spätestens drei Jahren sollen Reisende nicht nur Züge über die Plattform buchen können, sondern auch E-Tretroller, Autos und Fahrräder, kündigte Sabina Jeschke, DB-Vorstand Digitalisierung und Technik, vor einiger Zeit an. Wie viel Geld dafür insgesamt aufgewendet werden soll, bleibt jedoch unklar. „Aktuell werden durch die DB AG die technischen Systeme im Hintergrund aktualisiert“, heißt es dazu von der Bundesregierung. Der Bund ist Alleineigentümer der Deutschen Bahn AG.

In kleinerer Dimension gibt es solche Plattformen allerdings bereits. Berliner und Touristen können seit einigen Monaten in der Hauptstadt über die App Jelbi der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) verschiedene Verkehrsmittel buchen – müssen sich aber nur einmal identifizieren und nur einmal ihre Bezahldaten hinterlegen. Dafür arbeitet die BVG mit Trafi zusammen. Das Start-up will in diesem Jahr mit der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) ein zweites Projekt in der bayerischen Hauptstadt starten.

Mehrere Verkehrsverbünde, darunter ebenfalls die MVG, arbeiten außerdem an einer bundesweiten Lösung. Sie soll Kommunen die Möglichkeit geben, jeweils auf ihre Region zugeschnittene Systeme zu implementieren und diese bundesweit miteinander zu vernetzen. Über eine Testphase mit zehn verschiedenen Verbünden ist das Projekt „Mobility Inside“ bisher jedoch nicht hinausgekommen. Wann und ob das System – an dem auch die Deutsche Bahn mit ihrem Tochter-Unternehmen Mobimeo beteiligt ist – tatsächlich auf den Markt kommt, steht noch nicht fest.

Nur so viel gibt die Bundesregierung bekannt: Im Rahmen des „Sofortprogramms Saubere Luft 2017-2020“ sollen über einen Sonderaufruf weitere 30 Millionen Euro für die Förderung von Mobilitätsplattformen zur Verfügung gestellt werden. Woher das Geld kommen und wann es fließen soll, bleibt unklar: „Details werden gerade erarbeitet“, teilte die Bundesregierung dem Tagesspiegel mit.

Mit Free Now und Share Now bieten Daimler und BMW verschiedene Miet-Modelle.
Mit Free Now und Share Now bieten Daimler und BMW verschiedene Miet-Modelle.

© FREE NOW/obs

Free Now und Uber wollen App für alles sein

Auch private Anbieter treten mit der Vision von „einer App für alles“ an. So haben sowohl das börsennotierte US-Unternehmen Uber als auch Free Now, ein Gemeinschaftsunternehmen der Autobauer Daimler und BMW, ihren Anspruch verkündet, zur Mobilitätsplattform werden zu wollen. Daneben arbeitet Google mit Hochdruck an neuen Mobilitätsdienstleistungen. In dessen Routenplaner werden schon heute verschiedene Verbindungen von A nach B angezeigt. Für die Buchung werden die Nutzer jedoch noch an den jeweiligen Mobilitäts-Anbieter weitergeleitet.

Das Thema ist nicht nur technisch kompliziert, sondern auch rechtlich heikel: Wer eine Plattform für alle Angebote betreibt, ist nicht nur im Besitz zentraler Daten, er besitzt auch eine Art Monopol im Mobilitätssektor. Das könnte das Kartellamt auf den Plan rufen.

Private Unternehmen im Vorteil

Hinzukommt, dass öffentliche Unternehmen einen Nachteil im Wettbewerb mit privaten Anbietern fürchten. Eine neue EU-Richtlinie bereitet ihnen Sorge. Demnach sollen Informationen des öffentlichen Sektors – wie jene von Verkehrsunternehmen – künftig leichter zugänglich sein, auch für Dritte.

„Sollten diese Pläne so umgesetzt werden, würde das massiv in die unternehmerische Freiheit und in den Wettbewerb eingreifen und die Verkehrsunternehmen bei der Entwicklung neuer digitaler Angebote erheblich beeinträchtigen“, warnt Jan Schilling, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen.

Letztlich ginge das nicht nur zu Lasten der Fahrgäste, sondern zum Beispiel auch auf Kosten der Städte als Eigentümer und damit der Bürger: „Am Ende profitieren nur große private Datenkraken, die oftmals im Ausland sitzen und hier kaum Steuern bezahlen“, sagt Schilling. Aktuell arbeitet die Bundesregierung nach eignen Angaben an einem Gesetzesentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie. Es sei noch völlig offen, „welche (öffentlichen) Unternehmen ihre Daten öffentlich zur Verfügung stellen müssen“, teilt die Bundesregierung mit.

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