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2014 eröffnete Uniqlo in der Tauentzienstraße die erste Filiale in Deutschland.

© imago/Joko

Japanischer Modehändler: Was hinter den High-Tech-Versprechen von Uniqlo steckt

Die Modekette expandiert und inszeniert seine Textilien als revolutionäre Technologie. Doch sind die Kleidungsstücke wirklich so innovativ wie versprochen?

2018 ist ein großes Jahr für Uniqlo. So steht es jedenfalls im jüngsten Jahresbericht des Modehändlers. Denn in diesem Jahr will Uniqlo erstmals in seiner Geschichte außerhalb Japans einen höheren Umsatz erzielen als in seinem Heimatmarkt. 2022 soll international doppelt so viel umgesetzt werden wie in Japan. Eigentümer Takashi Yanai, laut „Forbes“ der reichste Mensch des Landes, kommt seinem Traum damit ein Stückchen näher: Er will Uniqlo zum größten Modehändler der Welt machen.

Tatsächlich hat Yanai es geschafft, das 1984 gegründete Unternehmen von einem kleinen Einzelhändler zu einer Kette mit mehr als 2000 Geschäften in 20 Ländern zu formen. Die Expansionsstrategie ist auch in Berlin zu spüren. 2014 eröffnete an der Tauentzienstraße die erste Uniqlo-Filiale Deutschlands. Inzwischen sind es bundesweit sechs. Bis Jahresende sollen drei weitere hinzukommen, eine davon in der neuen East Side Mall am Ostbahnhof. Dann hätte Uniqlo sechs Läden in Berlin.

Dennoch liegt noch ein Stück Arbeit vor Yanai. Das Unternehmen Fast Retailing, das hinter Uniqlo steht, setzte im Geschäftsjahr 2016/17 rund 14 Milliarden Euro um. Zum Vergleich: H&M erreichte 2017 einen Umsatz von 23 Milliarden Euro, die Inditex-Gruppe um Zara rund 25 Milliarden. Für seinen Traum der Marktführerschaft setzt Yanai regelmäßig auf Kollaborationen mit bekannten Designern wie etwa Alexander Wang. Ebenso rüstet Uniqlo seit diesem Sommer für 300 Millionen US-Dollar Roger Federer aus. Damit bootete das Unternehmen Nike, den bisherigen Sponsor des Tennisstars, aus. Das zeigt, dass Uniqlo seine Marktposition nicht nur auf den Laufstegen, sondern auch im Sport- und Outdoor-Bereich sieht. Lifewear nennt das Unternehmen sein Konzept und beschreibt seine Kleidung als funktional, hochqualitativ und erschwinglich.

Uniqlo arbeitet für Heattech mit dem Chemiekonzern Toray zusammen

Auffällig ist, dass Uniqlo seine Kleidung als High-Tech-Produkt inszeniert. Die sogenannte „Heattech-Kollektion“ zum Beispiel bewirbt Uniqlo als „technologische Revolution dank der Kleidung, die Wärme speichert“. So würden die Klamotten „dünner und doch wärmer“. Kleidungsstücke mit der „Airism- Technologie“ wiederum absorbieren laut Uniqlo Feuchtigkeit sehr schnell und lassen das Kleidungsstück atmen. Doch was ist dran an diesem Marketing? Sind Uniqlos Technologien wirklich revolutionär? Und wo entwickelt der Konzern diese vermeintlich neuen Produkte?

Die letztgenannte Frage geht direkt an das japanische Unternehmen. Und das reagiert auf die Tagesspiegel-Anfrage schnell und offen: Uniqlo habe verschiedene Partner für die Entwicklung funktionaler Kleidung. Der Großteil werde gemeinsam mit dem japanischen Faserspezialisten Toray Industries produziert. „Zusammen mit Toray haben wir beispielsweise Heattech entwickelt“, teilt ein Sprecher mit.

Setzen beide auf Uniqlo: Tennisstar Roger Federer (l.) und Uniqlo-Chef Tadashi Yanai.
Setzen beide auf Uniqlo: Tennisstar Roger Federer (l.) und Uniqlo-Chef Tadashi Yanai.

© AFP

Toray ist ein großes Unternehmen in der Textilbranche. Der japanische Chemiekonzern wurde 1926 gegründet und setzt jährlich über 17 Milliarden US-Dollar um. Nach eigenen Angaben arbeiten knapp 46 000 Menschen für Toray und seine Tochtergesellschaften. Auf Nachfrage bestätigt der Konzern die Kooperation mit Uniqlo. „Die erste Zusammenarbeit erfolgte 1999, als Toray Spinngarn für Uniqlos Fleece-Produkte bereitstellte“, heißt es von dem Unternehmen. Ein Jahr später habe Toray eine Abteilung eingesetzt, die nur für Uniqlo produzieren soll. 2006 sei eine strategische Partnerschaft zur Entwicklung „fortschrittlicher Materialien“ vereinbart worden. Im Jahr 2010 hätten die Firmen begonnen, die Produktion auf die weltweite Expansion Uniqlos auszurichten. „Toray führt Forschung und Entwicklung aus“, beschreibt ein Sprecher die Kooperation. „Wie es die strategische Partnerschaft besagt, reagieren wir kurzfristig auf Wünsche aus Uniqlos Produktionsabteilungen.“ Das Prinzip von Heattech hört sich indes einfach an: Sobald Körperschweiß die Garne aus Viskosefaser berührt, quellen diese auf bis zu 300 Prozent ihres Volumens auf. So wird das Gewebe dichter und hält die Körperwärme besser.

Ist Uniqlos Technologie ein Alleinstellungsmerkmal?

Doch wie bewerten Wissenschaftler die selbsternannten Innovationen von Uniqlo? Eric Häntzsche vom Institut für Textilmaschinen der TU Dresden hat sich mit Heattech beschäftigt. Er nennt es „letztendlich eine etablierte Funktion moderner Funktionsbekleidung“. Unter anderen Synonymen sei diese auch bei anderen Herstellern „bereits erfolgreich am Markt etabliert“. Als Beispiel führt er den Outdoor-Bekleider Schoeller Dryskin an.

Neben Toray nennt Uniqlo noch andere Kooperationspartner. „Unsere 3D-Strick-Technologie haben wir gemeinsam mit Shima Seiki, dem japanischen Spezialisten für Nähmaschinen und -technologie entwickelt“, teilt Uniqlo mit. Und was macht diese so besonders? Auch Shima Seiki, ein 1961 gegründetes Unternehmen mit knapp 2000 Mitarbeitern, antwortet umgehend auf die Tagesspiegel-Anfrage. „Uniqlos 3D-Kollektion ist mit unseren Wholegarment-Technologie genäht“, so das Unternehmen. Bei konventionellen Strickwaren würden Ärmel, Rücken und Front einzeln produziert und dann zusammengenäht. Wholegarment-Strickwaren hingegen würden in einem Stück und ohne Nähte produziert, ein bisschen wie ein 3D-Druck. „Über 30 Jahre Forschung und 20 Jahre mit Testversuchen sind in die Technologie geflossen, weltweit sind über 2000 damit zusammenhängende Patente angemeldet oder im Verfahren“, so Shima Seiki. Doch anders als Torays Heattech ist Wholegarment nicht exklusiv für Uniqlo. „Shima Seiki vertreibt die Technologie an Unternehmen weltweit“, heißt es von dem Konzern. „Sie ist bei verschiedensten Marken im Einsatz.“

Ein Alleinstellungsmerkmal scheint die Technik von Uniqlo wohl nicht immer zu sein. Mehr ein zum Image passendes Feature. Man könnte sagen: Die bewusst schlichten Designs lassen im Markenkern genug Platz für Technologie.

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