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Meckern mit Merkel. Die Sachverständigen überreichten der Kanzlerin am Mittwoch ihren Katalog mit Forderungen.

© imago/Eibner

Jahresgutachten: Was die Wirtschaftsweisen Merkel raten

Der Sachverständigenrat sagt ein schwächeres Wachstum voraus. Deshalb geben sie Kanzlerin Merkel einige Ratschläge.

Von Carla Neuhaus

Deutschland ist verwöhnt. Die Bundesrepublik erlebt einen so langen Wirtschaftsaufschwung, wie es ihn seit der Nachkriegszeit nicht gegeben hat. Doch inzwischen mehren sich die Zeichen, dass es allzu lange so bombastisch nicht mehr weiter gehen wird. Der Brexit, der Handelsstreit, der Fachkräftemangel, die Krise in den Schwellenländern: All das belastet die deutsche Wirtschaft. Der Sachverständigenrat geht deshalb für dieses Jahr nur noch von einem Wachstum von 1,6 Prozent aus – bislang hatten sie mit deutlich mehr (mit 2,3 Prozent) gerechnet. „Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Risiken für die deutsche Volkswirtschaft deutlich erhöht“, sagt Wirtschaftsweise Isabel Schnabel. Ihr Kollege Lars Feld meint deshalb: „Die Bundesregierung muss relativ rasch handeln, bevor wir wieder in größere Schwierigkeiten geraten.“ Sowohl auf den demografischen Wandel als auch auf den Strukturwandel durch die Digitalisierung sei Deutschland nicht ausreichend vorbereitet. Was die Ökonomen fordern:

1 DEN SOLI ABSCHAFFEN

Den Solidaritätszuschlag halten die Wirtschaftsweisen für nicht mehr zeitgemäß. Eingeführt worden ist er ursprünglich, um die Lebensverhältnisse im Osten und Westen nach der Wiedervereinigung anzugleichen. Dafür gebe es mit dem Ende des Solidarpakts II keinen Grund mehr, argumentieren die Ökonomen. Der Koalitionsvertrag sieht derzeit nur vor, ab 2021 die Freigrenze beim Soli zu erhöhen. Entlastet würden dadurch vor allem Festangestellte. Weiter zahlen müssten den Soli dagegen Unternehmen und Selbstständige, was die Wirtschaftsweisen nicht verstehen können. Sie fordern daher die vollständige Abschaffung des Soli. Teile der Union sowie die FDP befürworten das, die SPD ist dagegen.

2 KEINE DIGITALSTEUER EINFÜHREN

Sollen Konzerne wie Google und Facebook eine spezielle Digitalsteuer zahlen? In der EU ist man sich darüber noch nicht einig. Deutschland will im Zweifel eine solche Digitalsteuer auch im Alleingang einführen, ähnlich wie es Großbritannien vorhat. Die Techfirmen sollen auf diese Weise daran gehindert werden, ihre Gewinne dort zu versteuern, wo sie am wenigsten zahlen. Die Wirtschaftsweisen halten davon allerdings wenig. Sie argumentieren: Weil die betroffenen Konzerne alle in den USA sitzen, käme die Digitalsteuer einem einseitigen Zoll gegen die Vereinigten Staaten gleich. Damit verstoße die EU beziehungsweise Deutschland gegen die WTO-Regeln. Auch könnte dadurch der Handelsstreit mit den USA weiter eskalieren, fürchten die Ökonomen.

3 MEHR DIGITALE BILDUNG ANBIETEN

Die Digitalisierung verändert nicht nur die Wirtschaft sondern auch Arbeitsplätze. Darauf ist Deutschland nach Ansicht der Wirtschaftsweisen nicht ausreichend vorbereitet. Schulen sollten zum Beispiel noch besser mit digitaler Infrastruktur ausgestattet werden und den Informatikunterricht ausbauen. Es müsse zudem mehr Weiterbildungsangebote für Angestellte geben. Außerdem fühlten sich noch zu wenige Deutsche dazu befähigt, ein Unternehmen zu gründen.

4 HÖHERES RENTENEINTRITTSALTER

„Um dem demografischen Wandel zu begegnen, ist eine weitere Ausweitung der Lebensarbeitszeit nach wie vor unverzichtbar“, meint Wirtschaftsweise Schnabel. Sie und ihre Kollegen schlagen deshalb vor, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln: Je älter die Menschen statistisch gesehen werden, desto länger sollten sie arbeiten. Würde man mit den Geburtsjahrgängen ab 2009 beginnen, käme man 2080 auf diese Weise schließlich auf ein Renteneintrittsalter von 71 Jahren.

5 GELDPOLITIK SCHNELLER ÄNDERN

Die Wirtschaftsweisen fürchten, dass der Europäischen Zentralbank (EZB) der Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik nicht rechtzeitig gelingt. Zum Ende des Jahres will die EZB ihre Anleihenkäufe einstellen, die Zinsen werden jedoch mindestens bis Sommer 2019 auf dem Rekordtief verharren. Die Ökonomen fürchten deshalb Übertreibungen bei den Immobilienpreisen. Gleichzeitig könnten sich Banken wieder auf riskantere Geschäfte einlassen, weil sie mit Zinsprodukten kein Geld mehr verdienen.

6 MIETPREISBREMSE ABSCHAFFEN

Von der Mietpreisbremse halten die Wirtschaftsweisen nichts: Sie würde einzig denjenigen helfen, die bereits eine Wohnung gefunden haben, meinen sie. Für alle, die noch auf der Suche sind, würde es hingegen schwerer. Denn Vermieter hätten einen Anreiz, mehr Wohnungen möbliert zu vermieten, um die Preisbremse zu umgehen. Auch würden mehr Immobilien an Selbstnutzer verkauft statt vermietet, was das Angebot an Mietraum weiter reduziere.

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