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Von der Sehnsucht nach der Natur lebt eine ganze Industrie.

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Jack Wolfskin & Co: Der Ruf der Wildnis verhallt im Supermarkt

Die Hersteller und Händler von Outdoor-Kleidung gaukeln Großstädtern vor, sie könnten damit ein Stück Natur kaufen. Doch die Botschaft verfängt nicht mehr – der Markt stagniert.

Wie Bonbons leuchten sie im grauen Großstadtdschungel: in knisternde Outdoor-Jacken gehüllte Menschen. Neonfarben und mit wild anmutenden Markennamen wie „Jack Wolfskin“ oder „Mammut“ brüllen sie geradezu heraus: „Ich bin nur ganz zufällig in dieser Fußgängerzone gelandet! Eigentlich besteige ich Berge, jogge durch Dschungel und ringe nur so zum Vergnügen mit Krokodilen!“ Wir leben in einer Zeit, in der materielle Sicherheit wieder zu den wichtigsten Werten zählt, in der man sich zu Hause einigelt und die böse Welt draußen hält – und tragen Kleidung, die für die Wildnis gemacht wurde.

Vermissen wir die Natur? Oder sollen die Hightech-Fasern heutiger Outdoor-Ausrüstung uns helfen, uns noch sicherer zu fühlen, vor Wind, Wetter und eventuellen Wölfen? Das Verhältnis des modernen Menschen zur großen weiten Welt ist ziemlich schizophren – wir vergöttern sie, aber nur, so lange sie weit weg ist, uns keine Mückenschwärme aussaugen, Unwetter durchnässen oder rutschige Bergpfade mit einem jähen Sturz in den Tod drohen. Im Sessel sitzen und von Abenteuern lesen ist das eine, wirklichen Unbequemlichkeiten und sogar Gefahren ausgesetzt zu sein das andere. Im Grunde handelt es sich also um eine Schwärmerei.

Von der lebt eine ganze Industrie. Gezielt weckt sie unser Verlangen nach dem wahren Leben, draußen, gesund und ursprünglich. Die Werbeplakate sind voll rauer, schöner Landschaften, in denen sich kantige, zufrieden wirkende Männer und Frauen tummeln, die eins mit sich und der Natur scheinen. Deutschland ist in Europa der größte Markt. 2,7 Milliarden Euro Gesamtumsatz erwirtschaftete die Outdoor-Branche hier im Jahr 2014, heißt es beim Branchenverband European-Outdoor-Group. Die Hälfte erlösten Hersteller und Händler mit Bekleidung, jeweils ein Viertel mit Schuhen und ein Viertel mit Ausrüstung wie Zelten, Schlafsäcken und Isomatten.

Grob gerechnet könnte man also die These aufstellen, dass mindestens die Hälfte aller Menschen, die Outdoorkleidung kaufen, weder die richtigen Schuhe noch die nötige Ausrüstung dazu haben, um wirklich hinauszuziehen, auf einen Berg zu steigen und dort zu übernachten. Vielleicht ist es bei den Outdoorjacken also ganz ähnlich wie bei den SUVs, jenen Riesengeländewagen, die meistens nie im Gelände zum Einsatz kommen, sondern in der Stadt: Wir wollen uns sicher fühlen – und zugleich wild. Mathias Basedow von der European-Outdoor-Group erklärt das so: „In der Stadt tragen deshalb viele Menschen Outdoor-Jacken, weil die ihnen das Gefühl geben, sie könnten jederzeit ins Abenteuer starten, wenn sie wollten.“ Doch auch die Langlebigkeit der meisten Outdoor-Jacken mache sie beliebt, fügt er hinzu.

Genau hier liegt aber ein Problem des Outdoor-Marktes. Wenn viele schon eine Jacke haben, die lange hält, braucht niemand eine neue. Es landen zwar immer weitere Modelle auf den Markt, aber die Funktion bleibt im Grunde immer gleich. Die erklärt Renate Ehrnsperger von der Stiftung Warentest so: „In der Regel besteht der Oberstoff einer Outdoor-Jacke aus Polyester oder Polyamid. Innen ist oft eine Membran angebracht.“ Die ist das Herzstück einer guten Jacke, hält Wassertropfen von Außen ab, lässt aber den Schweiß von Innen in der Form von Wasserdampf durch. Im Grunde ist es also eine clevere, aber meist recht ähnliche Kombination verschiedener Kunststoffe, die Outdoor-Jacken robust gegen die Widrigkeiten der Natur macht.

Der Gesamtumsatz mit Outdoor-Artikeln lag im Jahr 2014 ebenso hoch wie der im Jahr 2013. Wie es derzeit aussieht könnte diese Stagnation anhalten. Basedow sagt: „In den nächsten Jahren erwarten wir keinen großen Wachstumsschub in Deutschland – der Markt ist hier schon sehr gesättigt.“ Zuwächse um die drei bis fünf Prozent gebe es nur noch in den Bereichen Schuhe und bei einigen Ausrüstungskategorien wie beispielsweise Rucksäcken. Dies sei eine „Herausforderung“ sowohl für Händler als auch für Hersteller.

Viele locken die Kunden daher nicht nur mit romantischer Werbung, poppigen Farben und Hightech-Namen wie „Gravitiy Flow Texapore“ oder „Zeta LT Hybrid“, sondern werben auch mit dem niedrigen Gewicht der Jacke, neuen Materialkombinationen und technisch anmutenden Kennzahlen wie beispielsweise der so genannten Wassersäule. Diese gibt Auskunft darüber, wie wasserdicht ein bestimmter Stoff ist. Das geht so: Es wird gemessen, wie hoch eine Säule aus Wasser sein müsste, damit die Feuchtigkeit durch den Stoff dringt. Zwei Meter Wassersäule heißt also übersetzt, man könnte das Material bis zu zwei Meter unter Wasser halten, bis es durchdrückt. Ehrnsperger von der Stiftung Warentest hält allerdings nicht viel davon. „Kennzahlen wie die Wassersäule taugen wenig.“ Es komme vor allem auch auf eine gute Verarbeitung und durchdachte Konstruktion der Jacke an. „Was nützt mir ein Stoff mit 15 Metern Wassersäule, wenn die Nähte und Reißverschlüsse nicht richtig abgedichtet sind?“

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