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IWH-Chef Gropp meint in Ostdeutschland sollen künftig die Städte gegenüber dem ländlichen Bereich bevorzugt werden.

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IWH-Chef verteidigt Studie: Stadt statt Land

IWH-Chef Reint Gropp musste viel Kritik einstecken für seine These, der ländliche Raum in Ostdeutschland sei verloren. Nun rechtfertigt er sich.

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Das muss man erstmal schaffen: Reint Gropp ist quasi über Nacht zu einem der umstrittensten Ökonomen Deutschlands aufgestiegen. Erreicht hat der Chef des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) das mit einer steilen These. Die lautet: Ostdeutschlands Zukunft liegt in Städten wie Halle oder Leipzig – aber eben nicht auf dem Land. Man solle daher aufhören, Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu subventionieren, fordert er. „Besser angelegt wäre das Geld, wenn man es in die ostdeutschen Universitäten stecken würde“, so Gropp.

Am Dienstag war der 52-Jährige eigentlich in Berlin, um mit anderen deutschen Ökonomen und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) über dessen neue Ausrichtung der Industriepolitik zu diskutieren. Doch am Rande war auch Gropps These Thema. Denn mit der eckt er an. Gleich mehrere Ministerpräsidenten aus dem Osten haben ihn scharf kritisiert. „Im ländlichen Raum wohnen und leben Menschen, die ihre Heimat lieben“, schrieb Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Die Linke) in einem Gastbeitrag im Tagesspiegel. Ähnlich äußerten sich Manuela Schwesig (SPD), Regierungschefin in Mecklenburg-Vorpommern, und ihr Kollege aus Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU).

Ostdeutsche Unternehmen unproduktiver

Dass sein Vorstoß parteiübergreifend auf Kritik stößt, wundert Gropp nicht. Politiker würden den ländlichen Raum reflexartig verteidigen, sagt er im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Schließlich lebten dort ein Teil ihrer Wähler. „Ohne etwas für die ländliche Region zu tun, wird doch kein Spitzenkandidat wiedergewählt.“ Das heiße aber eben nicht, dass es richtig sei, den ländlichen Raum weiterhin zu stärken. „Die Jobs der Zukunft entstehen im Dienstleistungssektor, in der Forschung und Entwicklung, in der Digitalisierung“, sagt Gropp. „Und diese Unternehmen siedeln sich nun mal in größeren Städten an, nicht auf dem Land.“ Dass Politiker dennoch weiter den ländlichen Raum fördern wollen, gerade Osten, hält er für rückwärtsgewandt.

Überhaupt fällt seine Analyse der ostdeutschen Wirtschaft eher düster aus. So kommt der IWH-Chef etwa zu dem Schluss, dass die ostdeutschen Betriebe auch 30 Jahre nach dem Mauerfall nicht mit westdeutschen Unternehmen mithalten können. Ost-Firmen liegen bei der Produktivität demnach im Schnitt 20 Prozent unterhalb der Werte von West-Unternehmen. Übersetzt heißt das: Eine ostdeutsche Firma schafft mit der gleichen Anzahl an Mitarbeitern und den gleichen Rohstoffen in derselben Zeit sehr viel weniger als ihr Pendant im Westen.

Auch dieses Argument will Thüringens Ministerpräsident nicht auf sich sitzen lassen will. Ramelow verweist auf 62 Betriebe seines Bundeslands, die in ihrer Nische europaweit, teils weltweit Marktführer sind. Die schwache Produktivität hält er für einen rein „statistischen Effekt“. So produzierten Konzerne zwar in ostdeutschen Bundesländern, ihre Zentralen aber hätten sie im Westen: Deshalb entstünde im Osten Produktivität, die auf dem Papier aber westlichen Bundesländern zugerechnet werde.

Gropp: "Arbeitsplätze erhalten, die man normal nicht halten hätte können."

Auch Gropps Institut hat diese These lange vertreten. Doch nun hat der IWH-Chef nachrechnen lassen. Seine Forscher hätten für ihre Analyse Firmen mit jeweils rund 100 Mitarbeitern aus Ost und West miteinander verglichen und dabei diese Lücke bei der Produktivität entdeckt. Weil es sich hierbei um regionale Mittelständler handle, könne man die These, das liege allein daran, dass die Zentralen im Westen lägen, nicht halten. Nur woher sollen diese Unterschiede bei der Produktivität dann kommen? Gropp argumentiert, dass diese Lücke stattdessen durch eine verfehlte Subventionspolitik entstanden sei. „Mit staatlichen Fördergelder hat man hier Arbeitsplätze erhalten, die man unter normalen Bedingungen nicht hätte halten können“, sagt er. Politisch wie ökonomisch möge dieser Schritt angesichts der zuvor hohen Arbeitslosigkeit im Osten durchaus berechtigt gewesen sein. Gleichzeitig habe aber diese Subventionierung eben auch dazu geführt, dass die ostdeutschen Betriebe nicht zu den westdeutschen Firmen aufgeschlossen hätten. Unternehmen, die vom Staat gestützt werden, gelten in der Regel als weniger innovationsfreudig. Sie stehen unter weniger Druck, sich und die eigenen Produkte weiterzuentwickeln.

Auch in diesem Punkt hatte Ramelow widersprochen – und Gropp einen Besuch in Remda-Teichel empfohlen, wo man ein High-Tech-Melkkarussell begutachten könne. Für Thüringens Ministerpräsidenten sind Landwirtschaftsbetriebe wie dieser ein Beispiel dafür, warum man eben doch „an jeder Milchkanne“ schnelles Internet brauche – etwas, was IWH-Chef Gropp ablehnt. Er hält den flächendeckenden 5G-Ausbau für zu teuer und langwierig. Besser, sagt er, „ wäre ein schneller und auf die Zentren konzentrierter Ausbau“. Gerade Ballungszentren wie Halle und Leipzig wären im Osten neben Berlin prädestiniert für digitale Pilotprojekte. Das könnte dann auch die dringend benötigten Fachkräfte anlocken.

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