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Auch die Bauarbeiten von Stuttgart 21 gehören zu den Infrastrukturmaßnahmen, die Bahnvorstand Roland Pofalla jetzt angekündigt hat.

© imago images / Arnulf Hettrich

Investitionen in den Schienenverkehr: Warum die Bahn Probleme hat, ihr Geld auszugeben

156 Milliarden Euro stehen der Deutschen Bahn bis 2030 für die Infrastruktur zur Verfügung. Aber wird das Geld auch tatsächlich verbaut?

Stürme versetzen die Deutsche Bahn (DB) normalerweise in Alarmstimmung. Die „Sturmstärke“, von der Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla in diesen Tagen gerne spricht, löst im Bahntower keinen Alarm aus – im Gegenteil.

Die Milliarden, mit denen der Bund den Staatskonzern in den kommenden zehn Jahren finanziert, seien „Rückenwind in Sturmstärke“ wiederholte Pofalla am Mittwochabend eine Formulierung, die er schon bei der Würdigung der Klimabeschlüsse am vergangenen Sonntag gewählt hatte.

Auf eine Summe von 156 Milliarden Euro kommt der frühere Kanzleramtschef, wenn er addiert, was der Bund und die Bahn zusammen bis 2030 in das Schienensystem investieren wollen. Die elf Milliarden Euro Eigenkapital, die der Bund der DB im Klimapaket zusätzlich versprochen hat, seien in dieser Rechnung noch gar nicht drin.

Größter Posten ist die jüngst beschlossene dritte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV III) mit 86 Milliarden Euro für zehn Jahre, von denen 24 Milliarden Euro von der DB stammen. Hinzu kommen das Projekt Digitale Schiene mit einem Investitionsvolumen von gut 40 Milliarden Euro, die Lärmsanierung (16 Milliarden Euro) und weitere milliardenschwere Finanzierungszusagen. „Zusammen ist damit die Basis für einen Wachstumstreiber im Personen- und Schienengüterverkehr gelegt“, sagte Pofalla.

Mehr Kapazität, um das Chaos zu vermeiden

Ohne eine Sanierung, Modernisierung und den Ausbau der vielerorts maroden Infrastruktur wird dieses Wachstum allerdings nicht zu bewältigen sein. Die DB hat neue Züge bestellt, die im Klimapaket beschlossene Mehrwertsteuersenkung wird mehr Fahrgäste anlocken, Wettbewerber wollen der DB Marktanteile abnehmen, der Güterverkehr soll aus der Krise fahren. Die Kapazität des 33.000 Kilometer langen Schienennetzes muss deutlich wachsen, wenn all dies ohne Chaos funktionieren soll. „Es kommt darauf an, das gewaltige Investitionsvolumen abzuarbeiten“, sagte Pofalla.

Kurzfristig würden Maßnahmen zur Bauplanung und - abwicklung sowie eine bessere Fahrplansteuerung das Netz entlasten und für mehr Pünktlichkeit sorgen. Aktuell liege man im Fernverkehr bei einer Pünktlichkeitsquote von 76,5 Prozent – 1,6 Prozentpunkte besser als 2018. Für 2020 seien 78 Prozent geplant.

Mittel- bis langfristig will die Bahn nach Pofallas Prognose 350 Millionen Trassenkilometer zusätzlich freiräumen – mit Sanierungsmaßnahmen (70 Millionen), der Digitalisierung (100 Millionen) und mit dem Aus- und Neubau des Netzes und der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 ab dem Jahr 2025 (180 Millionen). Trassenkilometer sind die Rechengröße, mit der die Betriebsleistung der Bahn gemessen wird. 2018 erbrachte die DB knapp 1,09 Milliarden Trassenkilometer.

900 Techniker und Planungsexperten werden gesucht

Pofalla setzt darauf, dass die zusätzlichen Mittel auch tatsächlich verbaut und der Investitionsstau aufgelöst werden können, was Bahnkritiker und Gewerkschaft bezweifeln. Erhebliche Summen flossen in den Vorjahren nicht ab, weil die Planungs- und Baukapazität fehlte. „550 Millionen Euro sind in den vergangenen Jahren aufgelaufen – in drei Jahren werden die verbaut sein“, ist der Infrastrukturvorstand optimistisch.

Helfen sollen unter anderem kleinere Losgrößen bei der Auftragsvergabe, damit auch mittelständische Baufirmen zum Zuge kommen und der Preisdruck nachlässt. Die Baupreise seien im vergangenen Jahr um bis zu 25 bis 30 Prozent gestiegen, klagte Pofalla. In den Vorjahren habe das Plus bei rund zwei Prozent gelegen.

Außerdem will die Bahn um neue Mitarbeiter werben. „Allein auf Grundlage der LuFV III werden wir 900 Mitarbeiter einstellen“, sagte Pofalla. Gebraucht würden vor allem Techniker und Planungsexperten, von denen die DB Netz AG aktuell rund 11.000 beschäftigt. „Ich muss das Personal weiter ausbauen, sonst bewege ich die Massen nicht.“

Komplett umbauen will Pofalla die DB Netz AG mit rund 47.000 Beschäftigten. Das Netz sei die „Produktionshalle“ für den Personen- und Güterverkehr und hier will der 60-Jährige aufräumen. Bis Mitte 2020 soll die Neuorganisation der Sparte vollzogen sein.

Wichtigste Neuerung: Es soll ein eigenes Ressort für Kapazitätsausbau, Betrieb und Fahrplan geben. Verantworten wird den Bereich Christian Gruß. Der promovierte Wirtschaftsingenieur ist aktuell Chief Operations Officer (COO) der DB, bereits zum 1. Oktober wird Gruß zunächst Vorstand für Vertrieb und Fahrplan der DB Netz.

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