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Ein Brite in Düsseldorf. Andrew Jennings, seit 2011 Karstadt-Chef, besucht jede Woche die Musterfiliale von Karstadt in der Schadowstraße.

© dpa

Interview mit Vorstandschef Jennings: „Karstadt ist ein schwieriger Fall“

Andrew Jennings, Chef des Warenhauskonzerns Karstadt, spricht im Interview über den Stellenabbau, das KaDeWe und Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen.

Herr Jennings, 2012 war ein schwieriges Jahr für den Einzelhandel. Schlecker und Neckermann gingen Pleite, Metro baute Stellen ab. Wie steht es um Karstadt?

Schauen sie sich die Handelsunternehmen an, die pleitegegangen sind. Sie waren altbacken und haben es nicht geschafft, sich zu erneuern. Auch ich habe, als ich zu Karstadt kam, ein altmodisches, schwer angeschlagenes Handelsunternehmen vorgefunden. Doch wir haben 2012 viel erreicht, um ihm neues Leben einzuhauchen – trotz der Euro-Krise.

Was haben Sie denn bisher erreicht?
Das sehen Sie beispielhaft an dieser Filiale in Düsseldorf. Wir haben bisher 32 Häuser umgebaut und modernisiert, neue Marken gewonnen und die Strukturen überarbeitet. Ich habe sehr viel Erfahrung mit Restrukturierungen. Karstadt ist ein besonders schwieriger Fall und kann keine Schnellreparatur sein. Wir verändern uns sehr stark und haben den langfristigen Erfolg im Blick. Es ist klar, dass ein Restrukturierungsprogramm auch kurzfristig negative Effekte auf den Umsatz hat. Denken Sie etwa an den Ausstieg aus dem unrentablen Multimediageschäft oder an die Reduzierung von hohen Altwarenbeständen. So etwas ist für langfristiges Wachstum und Rentabilität unvermeidbar.

Seit der Sanierungstarifvertrag ausgelaufen ist, müssen höhere Löhne gezahlt werden. Wie viel Zeit haben Sie noch?
Wir haben so viele Tage und Monate, wie wir brauchen. Es gibt viele Gerüchte, die absoluter Nonsens sind. Man hat etwa behauptet, wir würden Wagenladungen altbackener englischer Mode aufkaufen, hätten Liquiditätsengpässe oder würden ausschließlich angelsächsische Manager einstellen. Unsere Strategie heißt „Karstadt 2015“, und nicht „Karstadt März 2013“. Zudem haben wir mit Nicolas Berggruen einen sehr langfristig orientierten und engagierten Eigentümer.

Können Sie sich darauf verlassen, dass Berggruen einspringt, wenn Karstadt das Geld ausgeht?
Karstadt wird mit seinen Partnern, zum Beispiel Lieferanten oder Vermietern, zusammen bis 2015 rund eine Milliarde Euro investieren. Und ich kann nur wiederholen: Unser Eigentümer steht voll und ganz hinter uns.

Verdi kritisiert, Berggruen habe noch keinen Cent in das Unternehmen investiert.
Letztlich gehört das Geld, das wir laufend erwirtschaften, unserem Eigentümer.

Wie viel der geplanten Investitionssumme ist seit Ihrem Amtsantritt 2011 geflossen?
Wir sind ein privates Unternehmen und gehen dazu nicht weiter ins Detail.

Ein Großteil der 2000 Stellen, die das Management streichen will, ist bereits abgebaut. Wo fallen noch Arbeitsplätze weg?
Wir haben von den bis 2014 zu streichenden 2000 Stellen schon rund 1850 über Frühpensionierung, freiwilligen Austritt, natürliche Fluktuation und Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse eingespart. In fünf der insgesamt 86 Warenhäuser, darunter auch in Berlin, sehen wir Handlungsbedarf und beabsichtigen die Einrichtung von Transfergesellschaften. Das betrifft weniger als 150 Mitarbeiter.

Was sparen Sie dadurch?
Kosteneinsparungen waren nicht das Ziel des Stellenabbaus, sondern mehr Effizienz. Aber wir werden schließlich eine Summe einsparen, die pro Jahr fast doppelt so hoch ist wie die Kostenreduzierungen durch den Fortführungstarifvertrag.

Ist der Stellenabbau damit abgeschlossen?
Karstadt hat nun die richtige Größe. Es ist aber klar, dass am Ende der Kunde entscheidet, ob wir erfolgreich sind oder nicht. Was wir anstreben ist Wachstum.

Wie soll das gehen, in Zeiten schrumpfender Umsätze im Handel?
Wir wollen Marktanteile gewinnen. Ein wichtiger Baustein dabei sind die 50 neuen Marken, die wir im Herbst zu Karstadt geholt haben – viele davon exklusiv. Oder unsere neue Produktlinie „Preis-Leistung“ oder die Weiterentwicklung unserer Eigenmarken.

Kritiker sagen, die Deutschen kaufen nur Marken, die sie auch kennen.
Das stimmt nicht, und das merken wir bei vielen unserer neuen Marken auch. Aber das gilt auch für andere Einzelhändler. Ein Beispiel ist Primark, wo die Kunden vor den Geschäften Schlange stehen.

"Das Textilgeschäft läuft gerade schlecht in ganz Deutschland"

Wie stark belastet die Euro-Krise das Geschäft von Karstadt?
Uns bläst der Wind ins Gesicht, aber er wirft uns nicht um. Die Kundenfrequenz im Einzelhandel ist zur Zeit niedriger, weil andere Dinge im Vordergrund stehen, wie etwa Energiekosten. Zudem achten die Kunden besonders stark auf das richtige Preis-Leistungs-Verhältnis. Aber ich habe schon Schlimmeres gemeistert, etwa die Krise nach dem 11. September 2001 als Chef von Saks in New York City.

Erst kürzlich hat Karstadt einen Verlust von knapp 21 Millionen Euro für 2010/2011 ausgewiesen. Wann ist der Konzern in den schwarzen Zahlen?
Dieses Jahr wird noch hart werden, aber dann werden wir Land sehen. Unter der Bedingung, dass wir nicht in den nächsten drei Monaten ein solches Winterwetter haben.

Wie ist 2013 angelaufen?
Das Textilgeschäft läuft gerade schlecht in ganz Deutschland (zeigt auf das Schneetreiben). Wie verkauft man Frühlingsmode bei einem solchen Wetter?

Wie kann das Warenhaus bestehen, wenn die Menschen immer mehr online kaufen?

Deutschland steckt in einer Handelsrevolution. Die Kunden wollen von überall und zu jeder Zeit einkaufen, im Laden, online, mit ihren Smartphones. Darauf müssen sich auch die Warenhäuser einstellen und beide Welten stärker verzahnen. Genau das tun wir. Wir haben zum Beispiel vor Weihnachten ein System eingeführt, bei dem Kunden online bestellte Ware im Geschäft ihrer Wahl abholen können.

Verdienen Sie mit dem Online-Shop Geld?
Unser Online-Geschäft wächst zweistellig über unseren Planungen. Wir denken, dass das Online-Geschäft in einigen Jahren sozusagen die stärkste Filiale in unserem Unternehmen sein wird. Das Angebot von Karstadt.de ist entsprechend unserer Strategie modernisiert und differenziert. Der Schwerpunkt liegt nicht mehr wie früher auf Kühlschränken, sondern auf Mode, Schmuck, Kosmetik, Wohnaccessoires und Sport.

Shoppen Sie gerne online?
Natürlich. Schuhe zum Beispiel kaufe ich immer online, weil ich da genau weiß, was ich will. Manchmal suche ich aber auch online nach Sachen, und kaufe sie dann im Geschäft, weil ich etwa den Stoff vorher anfassen will.

Wo haben Sie Ihren Anzug gekauft?
Im KaDeWe in Berlin. Ich bin mindestens einmal im Monat dort. Dieses Haus ist sehr wichtig für uns, es ist profitabel und wir haben hier viel investiert.

Wie viel?
Das sagen wir nicht, aber wir haben beispielsweise mit „The Loft“ eine neue Etage geschaffen, nur für Schuhe und Lederaccessoires.

Das Gebäude wurde kürzlich an den österreichischen Investor René Benko verkauft. Verändern sich dadurch die Bedingungen?
Nein, wir haben langfristige Mietverträge für das KaDeWe, die weiter gültig sind.

Ist der Verkauf der Luxushäuser und damit auch des KaDeWe vom Tisch?
Uns ist klar, dass viele Investoren diese tollen Häuser gerne haben wollen. Ich konzentriere mich auf den Erfolg von Karstadt und zwar aller drei Säulen: Warenhäuser, Premiumhäuser und Sporthäuser.

Warum musste die Chefin des Hauses, Ursula Vierkötter gehen?
Wir sprechen grundsätzlich nicht über Personalien. Petra Fladenhofer, die das KaDeWe als Interimsmanagerin führt, macht einen tollen Job.

Wäre Berlin nicht der ideale Ort für Ihr neues, junges Konzept K Town?
K Town passt gut nach Berlin. Langfristig wollen wir rund 20 dieser Läden in Deutschland etablieren.

Wie kommen Sie eigentlich beim Deutschlernen voran?
Ich bemühe mich. Ich wurde aber nicht eingestellt, um Deutsch zu lernen, sondern um dieses Unternehmen zu retten und zum Erfolg zu führen. Die Sprache, die ich spreche, ist die des Einzelhandels.

Das Gespräch führte Jahel Mielke.

ANDREW JENNINGS

Die Konkurrenten Karstadt und Kaufhof, die schon Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff zur deutschen Warenhaus AG verschmelzen wollte, liegen in der Düsseldorfer Schadowstraße direkt nebeneinander. In der Verwaltung der Karstadt-Filiale, hinter den Kulissen des Warenhauses, sitzt Andrew Jennings (64): groß, dunkelblauer Nadelstreifenanzug, hellblaue Krawatte. Der Brite steht seit 2011 an der Spitze des Essener Warenhauskonzerns mit 25 000 Mitarbeitern. Jennings, der seit mehr als 35 Jahren im Handel tätig ist, begann seine Karriere beim Warenhaus Debenhams in London, später arbeitete er für Harrods und Saks Fifth Avenue. Bis 2009 führte Jennings die Warenhauskette Woolworths in Südafrika. Nicolas Berggruen, seit 2010 Eigentümer von Karstadt, holte ihn nach Essen.

Jennings schenkt Tee ein und zeigt auf das Schneetreiben. „Versuchen Sie mal, bei diesem Wetter Frühlingskleidung zu verkaufen.“ Tatsächlich ist im Haus wenig los. „Ich bin jede Woche hier“, erzählt er beim Gang durch die modernisierte Filiale, bei dem er viele Hände schüttelt. In der Herrenabteilung legt er eine Krawatte, die auf den Boden gefallen ist, wieder auf ein Oberhemd. „Wie gut das hier aussieht“, schwärmt er. Der Blick in die letzte unrenovierte Etage zeigt den Kontrast: abgenutzte PVC-Böden, schummriges Licht, dicht bepackte Kleiderständer. „Uninspiriert“, urteilt Jennings. Im Sommer soll das ganze Haus modernisiert sein.

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