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Jürgen Allerkamp

© DAVIDS / Sven Darmer

Interview mit IBB-Chef Jürgen Allerkamp: "In drei bis vier Jahren haben wir London überholt"

Seit einem Jahr ist Jürgen Allerkamp Chef der IBB. Im Interview erzählt er, was ihn an Berlin überrascht hat und wie die Berliner Start-up-Szene dasteht. Außerdem bezieht er Stellung zu den umstrittenen Geldern für Zalando.

Von Carla Neuhaus

Herr Allerkamp, Sie sind erst vor einem halben Jahr nach Berlin gezogen. Was hat Sie an der Stadt am meisten überrascht?
Berlin ist viel frischer und jugendlicher, als ich das erwartet habe. Vor allem von der unternehmerischen Dynamik in der Stadt bin ich begeistert.

Berlin ist für die Gründerszene bekannt. Für wie nachhaltig halten Sie den Start-up-Boom in der Stadt?
Meiner Meinung nach ist das eine nachhaltige Entwicklung. Viele junge Firmen haben durchdachte Konzepte, legen gute Businesspläne vor. Berlin hat sich mittlerweile dauerhaft als Standort für Existenzgründer etabliert.

Welche Rolle spielen die Börsengänge von Zalando und Rocket Internet dabei?
Von den Börsengängen profitiert die Stadt ungemein. Denn sie lenken den Blick wichtiger Investoren stärker auf Berlin - und von denen wollen wir schließlich noch mehr in die Stadt ziehen.

Berlin will künftig sogar mehr Investoren anlocken als London. Ist das nicht etwas zu ambitioniert?
Nein, ich bin davon überzeugt, dass wir das schaffen. Schon jetzt zieht Berlin mehr Wagniskapital an als andere deutsche Städte. Deshalb halte ich es durchaus für realistisch, dass wir in drei bis vier Jahren auch London überholen. Natürlich ist das ein ambitioniertes Ziel, aber wir können und wollen es erreichen.

Was tun Sie dafür?
Wir pflegen unser Investorennetzwerk. Unsere Venture-Capital-Tochter IBB Beteiligungsgesellschaft kennt alle Wagniskapitalgeber in Europa und wirbt bei ihnen für die Geschäftsmodelle der Berliner Gründer. Gleichzeitig muss die Stadt selbst aber auch dafür sorgen, dass sie weiterhin  attraktiv bleibt für Gründer und Investoren. Dazu gehören bezahlbarer Wohnraum, moderate Kosten für den Lebensunterhalt, ein internationales Umfeld und ein tolles Kulturprogramm.

Das Kulturangebot ist sicher förderlich. Aber für Investoren zählen vor allem rechtliche Rahmenbedingungen und niedrige Steuern. Da ist London uns noch weit voraus.
Ja, das stimmt. Deshalb unterstützen wir es auch, dass Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht hat, um die Bedingungen für Wagniskapitalgeber in Deutschland zu verbessern. Auch Wirtschaftsminister Gabriel hat erkannt, wie wichtig das ist. Diese Entwicklung begrüßen wir sehr.

Auch wenn Berlin schon jetzt viele Investoren anzieht, klagen Gründer noch immer darüber, dass ihnen in der Wachstumsphase Geld fehlt. Wie kann das sein?
Was die Anfangsfinanzierung von Start-ups angeht, ist Berlin sehr gut aufgestellt. In der späteren Phase kommt es in Einzelfällen tatsächlich noch zu Engpässen. Deshalb denken wir derzeit darüber nach, wie man junge Firmen gerade in der Wachstumsphase noch besser unterstützen kann.

Sehen Sie auch noch in anderen Bereichen Lücken bei der Förderung?
Viele Risikokapitalgeber konzentrieren sich auf die Start-ups, die rasant wachsen wollen und ihr Geschäftsmodell schnell auf andere Regionen der Welt ausweiten. Gleichzeitig gibt es aber auch viele lokale und regionale Firmen, die gute Geschäftsideen haben: Die wollen nicht gleich die ganze Welt erobern, schaffen aber in der Region Arbeitsplätze und haben ein gesundes Wachstum. Diese Mittelständler dürfen wir angesichts des Start-up-Booms nicht vernachlässigen. Deshalb überlegen wir derzeit, wie wir auch diese Unternehmen noch besser unterstützen können.

Es wird längst nicht aus jeder Geschäftsidee etwas. Wie oft müssen Sie Ihre Beteiligung abschreiben?
Wir rechnen bei unserem Venture Capital Geschäft wie die privaten Geldgeber mit einer Ausfallquote von 25-30 Prozent. Demgegenüber stehen Portfoliounternehmen, die sich sehr gut entwickeln. Diese können die Verluste mehr als kompensieren.“

Sie haben auch den Onlinehändler Zalando mit Fördergeldern unterstützt – und dafür Kritik einstecken müssen. Stehen Sie zu der Entscheidung?
Selbstverständlich. Wir würden die Entscheidung jederzeit so wieder treffen. Zalando war förderberechtigt, da sie alle Bedingungen erfüllt  haben. Das haben wir im Nachhinein noch einmal überprüft. Natürlich kann ich diejenigen verstehen, die sagen: Zalando ist heute so groß, musste man die fördern? Da kann ich nur entgegen: Es ist doch ein tolles Ergebnis, wenn wir einem Unternehmen, dabei helfen konnten, so groß und stark zu werden. Wir freuen uns über die Erfolgsgeschichte von Zalando und glauben, dass wir daran durchaus mitgewirkt haben.

Glauben Sie an das Geschäftsmodell von Zalando?
Wie sich das Unternehmen weiter entwickelt, muss man sehen, aber ich bin da durchaus optimistisch. Die Menschen bestellen immer mehr Waren im Internet. Das ist ein Zukunftstrend, dem die Firma Rechnung trägt. Außerdem hat Zalando gerade erstmalig Geld verdient.

Wie wichtig sind Unternehmen wie Zalando mittlerweile für die Wirtschaft der Stadt?
Die Bedeutung der Internetwirtschaft wächst. Sie hat sogar bereits den bislang größten Sektor, die Bauwirtschaft, überholt. Und zwar sowohl gemessen an der Anzahl der Arbeitsplätze als auch an ihrem Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt der Stadt. Das ist eine beachtliche Entwicklung.

Sie sind also optimistisch, was die Entwicklung Berlins angeht?
Ja, auf jeden Fall. Wir haben unsere Prognose für das Wirtschaftswachstum in der Stadt gerade erst wieder nach oben korrigiert. Wir rechnen damit, dass die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 2,2 Prozent zulegen wird. Damit dürfte Berlins Wachstum auch in diesem Jahr wieder über dem Bundesdurchschnitt liegen. Und das ist auch nötig. Schließlich haben wir immer noch Nachholbedarf.

Wann wird die Stadt zu anderen Regionen Deutschlands aufschließen?
Das wird sicherlich noch zehn Jahre dauern, möglicherweise sogar länger.

Die Berliner sind es ja schon gewohnt zu warten. Derzeit wartet die Stadt auf die Fertigstellung des Großflughafens BER, an dem die IBB  auch als Kreditgeber beteiligt ist. Wie geht es da weiter?
Wir müssen abwarten, was passiert. Als Kreditgeber haben wir natürlich ein Interesse daran, dass der Flughafen möglichst schnell eröffnet wird - und sich damit auch die betriebswirtschaftliche Situation verbessert.

Fürchten Sie um das Geld, das Sie für den Bau des BER bereitgestellt haben?
Nein, da sind wir ganz gelassen. Zumal die Kredite hinreichend durch Landesgarantien abgesichert sind.

Auf Wunsch des Landes konzentrieren Sie sich bei der Wirtschaftsförderung auf die fünf Cluster, die Berlin stärken will: Gesundheit, Verkehr, Kreativindustrie, Energie und Optik. Ist das sinnvoll?
Ich halte die Cluster-Politik für richtig. Es ist klug, sich auf Zukunftsfelder zu konzentrieren. 70 Prozent der Fördergelder, die wir in verschiedenster Weise ausreichen, kommen Firmen aus den Clustern zugute. Gleichzeitig dürfen wir aber natürlich auch  Unternehmen nicht vernachlässigen, die in keines der Cluster passen.

Die IBB ist die Förderbank des Landes. Wie groß ist der Einfluss der Politik auf Ihr Haus?
Die Bank wird wie andere Institute von einem Vorstand geführt. Entsprechend können wir autonom handeln. Gleichzeitig verstehen wir uns jedoch als Dienstleister des Landes. Entsprechend arbeiten wir eng mit den Senatsverwaltungen zusammen.

Wie ist Ihr Verhältnis zur Wirtschaftssenatorin?
Ausgezeichnet. Frau Yzer ist sehr kooperativ. Wir tauschen uns monatlich aus, arbeiten eng und gut zusammen. Und so soll es ja auch sein. Schließlich sitzt Frau Yzer unserem Verwaltungsrat vor. Gleichzeitig ist das Land Berlin  unser Auftraggeber, für den wir Fördermittel ausreichen.

Ein Auftrag des Landes lautet, bezahlbaren Wohnraum zu fördern. Derzeit sind die Immobilienzinsen jedoch sehr niedrig. Investoren fragen weniger Förderkredite nach. Was tun Sie dagegen?
Natürlich ist  das Fördergeschäft in Zeiten niedriger Zinsen nicht einfach. Deshalb sind wir gerade in Gespräche mit dem Senat, um den IBB Wohnungsneubaufonds zu modifizieren. Denkbar sind zum Beispiel höhere Tilgungszuschüsse. Davon profitieren die Investoren – gleichzeitig verpflichten sie sich aber, die Mieten niedrig zu halten.

Parallel fördern Sie seit Kurzem auch Immobilienkredite für einkommensschwache Familien. Warum?
Knapp die Hälfte der Bundesbürger hat eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus. In Berlin ist diese Eigenheimquote dagegen außerordentlich gering. Deshalb versuchen wir den Mietermarkt durch mehr Eigentümer zu entlasten. Gleichzeitig ist es angesichts der sinkenden Altersvorsorge auch durchaus sinnvoll, sich mit einem Eigenheim abzusichern.

Wie verhindern Sie, dass sich  gerade einkommensschwache Familien nicht mit dem Immobilienkredit übernehmen?
Wir wollen natürlich niemanden zu seinem „Eigentumsglück zwingen“, und prüfen die Leistungsfähigkeit der Familien daher im Vorfeld sehr genau. Außerdem  laufen die Immobilienkredite 20 Jahre lang. Wenn die vorüber sind, sollten die Familien mindestens die Hälfte des Kredits bereits getilgt haben.

Ist es denn vernünftig, Familien zu einem Immobilienkredit zu verhelfen, die sich den sonst nicht  leisten können? In den USA hat gerade das die Finanzkrise ausgelöst.
In den USA haben die Menschen Immobilienkredite bekommen, ohne Eigenkapital mitbringen zu müssen. Auch wurde das Einkommen nicht geprüft. Das gibt es hierzulande nicht. Wir sind die letzten, die Familien in die Überschuldung treiben wollen. Im Gegenteil, wir wollen sie unterstützen.

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