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Reinhold von Eben-Worlée ist Präsident des Verbands der Familienunternehmer und leitet die Worlée-Gruppe.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Interview mit Familienunternehmer-Präsidenten: „Das ist, als wenn man einem Kranken die Essensration kürzt“

Immer mehr Bürokratie, unbegründete Maßnahmen und bloß nicht die Grünen – Familienunternehmer-Präsident Reinhold von Eben-Worlée rechnet mit der Politik ab.

Reinhold von Eben-Worlée wurde 1957 in Hamburg geboren. Er ist Präsident des Verbands der Familienunternehmer und leitet die Worlée-Gruppe. Im Interview erklärt er, welche Fehler die Regierung aus seiner Sicht in der Pandemie macht und warum sich Unternehmen bei Corona-Pflichten sofort beschweren.

Herr von Eben-Worlée, bereuen Sie inzwischen, bei jedem Corona-Lockdown gedrängelt zu haben?

Ganz im Gegenteil. Dadurch, dass wesentliche Teile der deutschen Wirtschaft nicht in den Lockdown geschickt wurden, konnten wir das Bruttosozialprodukt und die Steuerzahlungen in den meisten Branchen einigermaßen stabil halten. Das sorgte wiederum dafür, dass der Staat den nötigen finanziellen Spielraum für Hilfen hatte – sei es für die geschlossenen Betriebe als auch für Familien, Künstler und andere.

Etliche Wissenschaftler haben zu Beginn der zweiten und dritten Welle einen kurzen, harten Lockdown gefordert. Dann hätte es womöglich keinen Dauerlockdown gebraucht. Die Regierung hat aber unter anderem aus der Wirtschaft enormen Gegenwind bekommen.

Die Frage ist, was man damit erreicht hätte. In Firmen kommt es nicht zu vielen Infektionen. Die Hauptinfektionsketten finden im privaten Bereich statt.

Im aktuellen Lagebericht des RKI heißt es: „Beim Großteil der Fälle ist der Infektionsort nicht bekannt. Covid-19-bedingte Ausbrüche betreffen insbesondere private Haushalte, aber auch Kitas, Schulen und das berufliche Umfeld, während die Anzahl der Ausbrüche in Alters- und Pflegeheimen abgenommen hat.“ Sie sagen: Der Arbeitsplatz ist kein Ansteckungsort. Wissen Sie mehr?

Man muss sich angucken, in welchem beruflichen Umfeld. Durch die Presse gingen zum Beispiel fleischverarbeitende Betriebe mit großen Ausbrüchen. In meinem Arbeitsumfeld sind die Zahlen jedoch gering. Da werden Masken getragen, Abstände eingehalten – und es gibt kaum Infektionsketten. Das zeigt auch eine Umfrage, die wir durchgeführt haben: 91,3 Prozent der in Familienunternehmen mit Corona-krankgemeldeten Mitarbeiter haben sich außerhalb der Betriebe angesteckt.

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Was auch schützt, ist das Homeoffice. Trotzdem lehnen Sie eine Pflicht ab.

Unternehmen haben ein starkes Interesse daran, ihre Mitarbeiter zu schützen. Wer von zu Hause aus arbeiten kann, den haben wir ins Homeoffice geschickt. Eine Pflicht bedeutet aber, dass wir Arbeitgeber Listen und Begründungen schreiben müssen, wer warum genau an welchem Tag doch im Büro gebraucht wird. Diese Bürokratie für nichts und wieder nichts trägt sehr zur Verärgerung bei. Ein kooperativer Umgang seitens der Regierung wäre besser gewesen als die harte Keule der Homeoffice-Pflicht.

Anders als bei Hotels, Theatern, Schulen hat die Regierung bei Unternehmen doch bis zu diesem April auf Freiwilligkeit statt Verboten gesetzt.

Das hat ja auch gut funktioniert. Viele Maßnahmen sind aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar und wurden auch nicht explizit begründet. Ein Beispiel: Die Menschen sollen unter anderem deswegen von zu Hause arbeiten, damit die Mobilität generell eingeschränkt wird. Dabei sind Mitarbeiter, die mit dem Auto zur Arbeit fahren in der Regel nicht gefährdet. Und der öffentliche Nahverkehr bleibt die ganze Zeit offen?

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Andere Kritiker der Corona-Politik sagen: Alles wird eingeschränkt, aber Hauptsache Deutschland kann Autos bauen.

Da sage ich: Die Unternehmen haben dafür gesorgt, dass die Regale während der Pandemie fast immer voll waren – ob mit Toilettenpapier oder Lebensmitteln. Die Bevölkerung war stets mit Medikamenten versorgt. Hätten unsere Versorgungsketten nicht funktioniert, wäre es zum Chaos gekommen. Und man muss sich Lieferketten doch auch global anschauen. Momentan können weniger Autos gebaut werden, weil in China vor Monaten keine Chips produziert wurden. Hätten wir die gesamte Wirtschaft heruntergefahren, hätten wir solche Effekte auch in anderen Lebensbereichen. Außerdem: Die deutschen Finanzmittel sind endlich. Es sind die Arbeitgeber mit ihren Mitarbeitern, die den Staat mit ihren Steuern, die Krankenversicherungen und Rentenkassen über ihre Beiträge am Laufen halten.

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Was werden uns die Corona-Hilfen kosten, wenn die Pandemie vorüber ist?

Ich hoffe, wir werden einen Wirtschaftsboom sehen, mit steigenden Steuereinnahmen und Vollbeschäftigung. Dann werden wir die Staatsverschuldung recht zügig wieder in den Griff bekommen. Anders wird es aussehen, wenn die Regierenden nach der Bundestagswahl das Wachstum mit Steuererhöhungen abwürgen.

Was für Ideen haben Sie, damit Lockerungen bald möglich sind – ohne dass es wieder zu zu vielen Infektionen kommt?

Geimpfte Bürgerinnen und Bürger brauchen einen digitalen und fälschungssicheren Impfnachweis. Sie müssen – genauso wie Genesene und Getestete – schnellstmöglich ihre Rechte zurückbekommen.

Am 17. März sagten Sie: „Wenn wir ohne ausreichenden Impfstoff die Infektionsketten stoppen wollen, muss die Devise nun lauten: testen, testen, testen.“ Ein paar Wochen später kritisierten sie vehement die Testpflicht in Unternehmen.

Wir müssen der Bevölkerung Tests anbieten, bis alle geimpft sind. Völlig klar. Sobald es Antigentests gab, haben wir sie unseren Beschäftigten zur Verfügung gestellt. Doch die Politik ist immer wieder der Meinung, Dinge regeln zu müssen, die schon lange umgesetzt und selbstverständlich sind. Für mich ist das bloß blanker Aktionismus, um zu zeigen, wie scheinbar tüchtig die Regierung ist. Den Nutzen erkenne ich oft nicht. Homeoffice-Pflicht und Testpflicht schüren lediglich ein unbegründetes Misstrauen gegen die Wirtschaft.

Wo war die Regierung gar nicht tüchtig?

Die Bundesregierung hätte während ihrer europäischen Ratspräsidentschaft sicherstellen müssen, dass wir rechtzeitig vor der dritten Welle genügend Impfstoff bekommen. Bei den Masken hieß es erst: Brauchen wir nicht! Kurz darauf wurden hektisch viel zu teure Masken gekauft. Die Regierung reagiert immer nur, statt einen Masterplan zu entwickeln und sie setzt ihre Entscheidungen viel zu langsam um. Der letzte Sommer wurde völlig verschlafen, statt einer zweiten Welle vorzubeugen. Da hätte vieles besser vorbereitet und schneller geregelt werden können und damit meine ich nicht nur Entschädigungskonzepte für die Wirtschaft, sondern beispielsweise auch geeignete Kita- und Schulkonzepte oder eine Digitalisierungsoffensive für die überlasteten Gesundheitsämter.

Welche wirtschaftspolitischen Aufgaben werden von der Pandemiebewältigung momentan verdrängt?

Schon vor der Pandemie wurden in Deutschland die höchsten Steuern, Sozialabgaben und Strompreise gezahlt. Und einige Parteien wollen die Betriebe noch stärker belasten. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen wird für selbstverständlich gehalten. Doch Deutschland verliert seit Jahren an Wettbewerbsfähigkeit. Vieles konnten wir mit Innovationen kompensieren, aber die Konkurrenz wächst enorm. Noch mehr Regulierung wäre daher ein großer Fehler.

Spielen Sie damit auf die Grünen an?

Die Grünen wollen beinahe eine Planwirtschaft aufbauen und ganz genau festlegen, welche Wirtschaftsbereiche mit Geld überschüttet werden und welche keine Rolle mehr spielen sollen. Das macht mir große Sorgen. Bislang waren unternehmerische Freiheiten der beste Garant für wirtschaftliches Wachstum. Ich verstehe auch nicht, wie man derzeit auf Steuererhöhungen kommen kann. Das ist so, als wenn man einem kranken Patienten die Essensration kürzt und sich wundert, warum er nicht wieder auf die Beine kommt.

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Armin Laschet ist also Ihr Wahlfavorit.

Von den drei Kanzlerkandidatinnen und -kandidaten steht uns Armin Laschet am nächsten. Er versteht viel von Wirtschaft, aber vor allem hat er sympathische menschliche Werte. Olaf Scholz hat zwar auch Wirtschaftserfahrung und hat als Hamburger Bürgermeister einen guten Job gemacht. Allerdings ist er sehr an sein Parteiprogramm gebunden, das eine Vermögensteuer und noch mehr Regulierung fordert. Und Annalena Baerbock hat eine Parteibasis im Schlepptau, die klar grün-rot-rot favorisiert.

Letzte Woche wurde eine Allensbach-Umfrage vorgestellt: Danach haben nur 40 Prozent der Familienunternehmen den Übergang in die nächste Generation geregelt, fast genauso viele noch nicht. Warum gibt es ein Nachfolgeproblem?

Die Verantwortung für die Mitarbeiter ist enorm, während die Politik die rechtlichen Risiken und bürokratischen Belastungen für Unternehmen jedes Jahr verschärft. Es fühlt sich manchmal so an, als würde man immer mit halbem Fuß vor Gericht stehen. Deswegen kann ich verstehen, dass Gründer die Finger vom Gründen lassen und Nachfolger eines Familienunternehmers sagen: Nein, danke!

Die Debatte über das Virus und die Maßnahmen gegen die Pandemie entzweien Familien. Auch Familienunternehmen?

Das kann ich nicht bestätigen. Ich beobachte eher, wie die Familien untereinander und auch die Unternehmer mit ihren Beschäftigten enger zusammenrücken – um die Krise gemeinsam zu überstehen.

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