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Vor genau einem Monat feierte Thomas Haagensen (3.v.r.) mit Engelbert Lütke Daldrup (2.v.l.) und Rainer Bretschneider (4.v.l) von der Berliner Flughafengesellschaft den Start von Easyjet in Tegel. Seit Januar fliegt Easyjet an beiden Flughäfen der Stadt.

© pa/obs/easyJet Airline Company L

Interview mit Easyjet-Europachef: "Immer mehr Berliner haben Geld fürs Reisen"

Easyjet-Europachef Thomas Haagensen über den Start in Tegel, den BER und Frauen auf dem Pilotensitz.

Herr Haagensen, die britische Regierung hat ermittelt, dass Easyjet weiblichen Angestellten im Schnitt 51,7 Prozent weniger Gehalt zahlt als männlichen. Warum tun Sie das?
Das ist ein Problem der gesamten Branche und uns schon länger bewusst. Gegenmaßnahmen haben wir schon längst ergriffen. Der Grund für dieses Ungleichgewicht ist vor allem, dass die überdurchschnittlich gut bezahlten Piloten zu mehr als 90 Prozent Männer sind – überall in der Luftfahrtbranche. Im Oktober 2015 haben wir deshalb die Amy Johnson Flying Initiative gegründet. Deren Ziel war es zunächst, den Anteil von Frauen bei Neueinstellungen für das Cockpit innerhalb von zwei Jahren zu verdoppeln – auf zwölf Prozent. Unser neues Ziel lautet: Wir wollen, dass bis 2020 20 Prozent der Neueinstellungen Pilotinnen sind.

Wie hoch ist der Anteil jetzt?

Bei rund fünf Prozent. Das ist zu wenig, aber immerhin höher als im Durchschnitt der Branche. Im Schnitt sind nur vier Prozent der Piloten weiblich.

Erklärt der geringe Frauenanteil im Cockpit wirklich das ganze Problem? Zahlen sie Männern und Frauen bei vergleichbaren Tätigkeiten immer gleich viel?

Ja. Es kommt ausschließlich auf die Funktion an, die jemand bei uns im Unternehmen hat – völlig unabhängig vom Geschlecht. Wir haben in dem Sinne keinen Gender-Pay-Gap bei Easyjet.

Ihr Aufsichtsrat wollte ihrem neuen Chef Johan Lundgren aber 34 000 Pfund mehr im Jahr zahlen als seiner Vorgängerin Carolyn McCall.

Johan Lundgren hat freiwillig auf diesen Aufschlag verzichtet. Das beweist doch, dass auch er das Thema sehr ernst nimmt. Wir konzentriert uns jetzt darauf, Pilotinnen zu rekrutieren.

Wie funktioniert das konkret?

Vor allem über Kommunikation. Wir gehen in Schulen und an Universitäten, erklären dort das Berufsbild. Und wir erklären, dass unser spezielles Geschäftsmodell der Punkt-zu-Punkt-Verbindungen es unserem fliegenden Personal ermöglicht, am Abend wieder die Heimatbasis und damit den Wohnort zu erreichen. Das geht bei vielen Airlines nicht. Das überzeugt Personal mit Kindern. Letztes Jahr haben wir so immerhin 59 Frauen für uns gewinnen können, die zunächst als Co-Pilotinnen mitfliegen.

72 Meter über Schönefeld. Der BER-Tower ist seit dem Frühjahr 2012 in Betrieb. Die Lotsen arbeiten neben der Baustelle.
72 Meter über Schönefeld. Der BER-Tower ist seit dem Frühjahr 2012 in Betrieb. Die Lotsen arbeiten neben der Baustelle.

© Ralf Hirschberger/dpa

Easyjet hat 25 Flugzeuge der insolventen Air Berlin übernommen. Wie läuft es mit der Integration in die Flotte?

Sehr gut, aber natürlich geht das nicht von heute auf morgen. Wir haben erst im Dezember grünes Licht der Kartellbehörde aus Brüssel bekommen und haben schon Anfang Januar unseren neuen Flugplan vorgestellt. Unser erstes Ziel war es, Berlin-Tegel wieder besser an innerdeutsche und europäischen Ziele anzubinden. Derzeit sind wir dabei, Personal zu schulen und die Maschinen an unsere österreichische Tochter zu übertragen und dann in die Flotte einzugliedern. Bis das abgeschlossen ist, arbeiten wir auch mit Partner-Airlines wie etwa Condor zusammen, um die Flüge schon jetzt durchführen zu können – mit fremden Fliegern und Besatzungen. Bislang sind zwei Air-Berlin-Jets auf Orange umlackiert. Bis zum Ende dieses Sommers werden wir alle 25 Flieger samt Crews integriert haben.

Warum übertragen sie die Flieger auf ihre Tochter in Österreich? Das Land gilt in der Luftfahrtbranche als Niedriglohnstandort.

Das hat damit nichts zu tun, sondern mit unserer Sorge vor den Folgen des Brexit. Daher hat Easyjet grundsätzlich entschieden, Geschäftsteile in ein Kernland der EU zu verlagern. Österreich war für uns interessant, weil die Behörden dort zugleich streng und kooperativ sind und unsere Vorstellungen von hohen Sicherheitsstandards teilen. Und es geht auch nur um die Flugzeuge! Die neuen Besatzungsmitglieder für Tegel erhalten deutsche Arbeitsverträge, genau wie unsere Mitarbeiter, die schon seit 14 Jahren in Schönefeld stationiert sind.

Ein betriebswirtschaftliches Problem der Air Berlin war auch die Vielzahl unterschiedlicher Arbeitsverträge. Wie viel weniger verdienen diese Mitarbeiter nun im Schnitt bei Easyjet?

Das kann man so pauschal nicht sagen. Unsere Verträge sind absolut konkurrenzfähig. Die Vergütung ist ganz ähnlich wie die bei Air Berlin. Dort hatte vor allem das Personal auf den Langstrecken überdurchschnittlich gut verdient. Transatlantikrouten haben wir aber nicht im Programm.

Wie passen die Unternehmenskulturen zusammen? Air Berlin hat sich zeitweilig eher als Premiumairline vermarktet, weniger als Billigflieger.

Wir stehen bei der Eingliederung ja noch ganz am Anfang. Aber das Feedback von den ersten geschulten Piloten und Mitgliedern der Kabinencrew ist sehr positiv. Auch bei uns sind die Besatzungen sehr engagiert und sehr stolz auf das Unternehmen. Wir halten den Service an Bord für eine unserer Stärken. Das passt gut zusammen. Hinzu kommt: Wir haben ein klares Geschäftsmodell, fliegen profitabel, können Mitarbeitern also auch Perspektive bieten. Auch das ist eine unserer Stärken als Arbeitgeber.

Ihr Konkurrent Ryanair hat ein ähnliches Geschäftsmodell, aber massive Probleme mit Mitarbeiterzufriedenheit. Wie grenzen Sie sich ab?

Unser Umgang mit Mitarbeitern ist mit dem von Ryanair nicht vergleichbar. Wir haben europaweit 28 Basen und bieten den Mitarbeitern dort jeweils lokale Arbeitsverträge an. In Deutschland arbeiten wir eng mit Verdi zusammen, in Frankreich, Italien und Portugal mit den dortigen Arbeitnehmerorganisationen.

Am Standort Berlin weiten Sie das Streckennetz zum Sommer nochmal aus. Erkaufen Sie sich so Marktanteile um jeden Preis?

Nein. Im Januar bis März ging es uns darum, Berlin möglichst schnell mit neuen Zielen anzubinden, vor allem Städten. Ab 25. März sollen 23 neue Ziele dazu kommen, darunter neben weiteren Städten auch viele Ferienziele – und die wichtige innerdeutsche Strecke nach Köln/Bonn. So bekommen wir ein gut ausbalanciertes Angebot mit insgesamt 95 Direktverbindungen ab Berlin. Dann sind wir die Nummer eins am Standort.

Zugleich ist Easyjet die einzige Airline, die sich den Luxus leistet, an beiden Berliner Flughäfen zu fliegen. Das ist lästig für Umsteiger – und auf Dauer doch wohl kaum durchzuhalten.

Der Zustand hält so lange an, bis der BER eröffnet. Dann legen wir unsere beiden Berliner Basen natürlich zusammen. Aber so ungewöhnlich ist das für uns auch nicht, da wir keine Netzwerk-Airline sind, die auf Umsteigerverkehr abzielt. In Paris sind wir auch an zwei Flughäfen vertreten, in Orly und in Charles de Gaulle. In London sogar an vier Airports.

In Berlin hat sich eine Mehrheit der Bevölkerung für einen dauerhaften Weiterbetrieb von Tegel ausgesprochen. Angenommen, das käme so: Was hieße das für Easyjet?

Was wir brauchen, ist Planungssicherheit. Und der Plan, den uns die Flughafengesellschaft mitgeteilt hat, lautet, dass der BER im Jahr 2020 eröffnet wird. Das macht aus unserer Sicht auch Sinn, weil man so die Infrastruktur in Schönefeld konzentriert verbessern kann. Das würde die Effizienz enorm steigern.

Als neuer Marktführer haben Sie wohl auch Ansprüche an den Berliner Senat. Was wünschen Sie sich von Berlin?

Diese Stadt hat eine unglaublich hohe Attraktivität als Reiseziel in Europa und ist seit Jahren unter den Top-Drei-Destinationen. Es ist uns wichtig, dass das so bleibt, wenn wir Berlin an unsere anderen Basen anbinden wollen. Wir brauchen hier ausreichend Hotelkapazitäten. Wir brauchen Messen und Kongresse. Hier ist Berlin schon gut positioniert. Wir sehen auch, dass sich die lokale Wirtschaft gut entwickelt. So haben auch immer mehr Berliner zunehmend das Geld für Reisen.

Sie kennen die Stadt auch als Tourist. Was ist das Beste an Berlin?

Dass man mehrfach hinfliegen kann. Denn es gibt ja nicht das eine Berlin. Bei jedem Trip kann man eine neue Ecke entdecken. Das ist gut für uns.

Das Interview führte Kevin P. Hoffmann

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