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Der 28-jährige Tadele Brook Biru aus Äthiopien (vorne) macht bei den Wasserbetrieben eine Lehre als Anlagenmechaniker, für ihn „ein gutes Gefühl“.

© Akud/Lars Reimann

Integration von Flüchtlingen: "Wir sind alle Kollegen"

Bei den Berliner Wasserbetrieben beginnen fünf geflüchtete junge Männer eine Lehre. In Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für berufsbildende Maßnahmen und dem Verein Arrivo werden sie in den Arbeitsmarkt integriert.

In der großen Ausbildungshalle der Berliner Wasserbetriebe draußen in Rummelsburg geht es ruhig und entspannt zu. Junge Männer und ein paar Mädchen stehen in blauen Overalls um achteckige Tische herum und lernen zu feilen – wie es sich für eine ordentliche Grundausbildung in einem Metallberuf gehört.

Später einmal werden die jungen Leute Mechatroniker, Anlagenmechaniker für Rohrsystemtechnik oder Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice sein. Was man eben so braucht in einem Wasserbetrieb. „Der Mechatroniker zum Beispiel kann eine Pumpe außer Betrieb nehmen und auch instand setzen“, erklärt Ausbildungsleiterin Sünne Espert. Sie ist für derzeit 247 Azubis zuständig.

Das sind ganz schön viele, denn die Berliner Wasserbetriebe brauchen frisches Blut. „Demnächst gehen ganze Kohorten von Mitarbeitern in den Ruhestand“, erklärt Wasserbetriebe-Sprecher Stephan Natz. Durch die Sparpolitik der vergangenen Jahre hat das Unternehmen eine schlechte Altersstruktur, jetzt muss die Belegschaft wieder aufgebaut werden.

Dafür haben sich die Wasserbetriebe unter anderem das Programm „Horizonte“ ausgedacht: Es bindet benachteiligte Jugendliche, Abbrecher, Spätzünder oder auch Schülerinnen ein, die durch eine Schwangerschaft aus der „Ausbildungsbahn“ geworfen wurden.

Lernen in Tandems

„Wir waren die Ersten, die sich so was ausgedacht haben“, sagt Stephan Natz stolz. In der achtmonatigen Einstiegsqualifizierung lernen die jungen Leute das ganze Unternehmen kennen. Das Programm läuft bereits seit 2010 – und ist wie gemacht dafür, nun auch junge Flüchtlinge zu integrieren. Zusammen mit der Gesellschaft für berufsbildende Maßnahmen und dem Verein Arrivo fanden die Wasserbetriebe geeignete Kandidaten. Für sie kamen Deutschunterricht und eine sozialpädagogische Betreuung zum regulären Programm hinzu.

Sechs deutsche und sechs geflüchtete Jugendliche starteten Anfang des Jahres ins Praktikum. In Tandems lernten sie miteinander und voneinander. Nur zwei von ihnen – ein Deutscher und ein Geflüchteter – wurden schließlich nicht in eine Ausbildung übernommen; die anderen konnten nun loslegen.

Anfang August erhielt Waleed Asif die Teilnehmerurkunde für das "Horizonte"-Programm aus den Händen von Kerstin Oster, Personalvorständin der Berliner Wasserbetriebe, Dilek Kolat, Integrationssenatorin des Landes Berlin, und Frank Haase aus dem Personalbereich der Wasserbetriebe.
Anfang August erhielt Waleed Asif die Teilnehmerurkunde für das "Horizonte"-Programm aus den Händen von Kerstin Oster, Personalvorständin der Berliner Wasserbetriebe, Dilek Kolat, Integrationssenatorin des Landes Berlin, und Frank Haase aus dem Personalbereich der Wasserbetriebe.

© TSP Akud/Lars Reimann

Zwei dieser jungen Neuberliner sind Waleed Asif (20) aus Pakistan und Tadele Brook Biru (28) aus Äthiopien. Als sie von der Pause hereinkommen, holt Pressechef Natz beide zum Gespräch ab. Drei japanischen Kamerateams habe er schon abgesagt, berichtet Natz. Er will die Jungs ein bisschen abschirmen, damit sie heimisch werden in ihrem neuen Leben.

Die beiden berichten, dass sie aus politischen Gründen nach Deutschland gekommen sind. „In Äthiopien gibt es keine Freiheit“, sagt Tadele Brook Biru. „Mein Vater ist politisch aktiv“, gibt Waleed Asif ein Stichwort. Brook lernt Anlagenmechaniker bei den Wasserbetrieben. „Wir Flüchtlinge haben nicht viele Chancen“, sagt er. Dass es nun mit der Ausbildung geklappt hat, sei für ihn „ein gutes Gefühl“.

"Wir sind auch wie deutsche Leute und arbeiten hart"

Waleed Asif ist unbegleitet nach Deutschland gekommen. Das sei das Schwerste, dass er „ohne Mama und Papa alles allein machen muss“, sagt er. Er wohne aber in einer WG und habe schon Freunde gefunden, mit denen er „ein bisschen feiern“ geht.

Natürlich, auch die Sprache macht Probleme. „Wir müssen viel lernen. Auf Deutsch schreiben und lesen ist nicht einfach für uns“, sagt Asif. Aber: „Wir sind auch wie deutsche Leute und arbeiten hart.“ Dann will er am liebsten gleich gehen. Ob es eine Rolle spiele, dass er Muslim ist? „Ich denke nicht daran, ob ich Muslim bin oder nicht. Wir sind alle Kollegen. Alle sind gleich und alle sind nett zu mir“, antwortet er.

Hier hat offenbar die Woche fürs Teambuilding funktioniert, die das Unternehmen seinen Auszubildenden zu Anfang der Lehrzeit spendiert. „Wir legen großen Wert auf soziale Kompetenzen, Teamfähigkeit und respektvollen Umgang miteinander“, sagt Sünne Espert. Dazu gehöre vonseiten der Geflüchteten auch, dass Frauen als Chefinnen und Kolleginnen akzeptiert werden. Aber auch die Meister haben ein kultursensibles Training gemacht, berichtet Espert. Nur eine weibliche Auszubildende hätten die Wasserbetriebe unter den Flüchtlingen leider noch nicht gefunden, bedauert die Ausbildungsleiterin.

Waleed Asif sieht seine Zukunft schon ziemlich klar: erst die Lehre, dann die garantierte einjährige Übernahme und dann den Techniker machen, eine weiterbildende Qualifizierung – soweit steht sein Plan fest. Gut bezahlt ist die Arbeit bereits als Geselle, rührt Natz noch einmal die Werbetrommel: „Die gehen zu Anfang mit 2500 Euro netto nach Hause.“ Und: Man müsse auch nicht durch einen Abwasserkanal waten. Das würden inzwischen Roboter übernehmen, die von außen gesteuert werden – von künftigen Fachkräften, wie sie gerade in der Ausbildungshalle an ihren Werkstücken feilen. Susanne Ehlerding

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