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Durch das Coronavirus droht der deutschen Wirtschaft ein Absturz.

© dpa/Martin Gerten

Insolvenz in der Coronakrise: Das müssen Unternehmer jetzt wissen, wenn ihr Betrieb zahlungsunfähig ist

Eigentlich müssen Firmen, die zahlungsunfähig sind, binnen drei Wochen Insolvenz anmelden. Doch in der Covid19-Krise sollen neue Regeln gelten.

Covid-19 trifft die Wirtschaft hart. Geschäfte sind geschlossen, in vielen Unternehmen ruht die Produktion. Die Sorgen der Unternehmer sind groß, viele haben in der Coronakrise Angst vor der Pleite. Die Bundesregierung will mit Krediten und Zuschüssen das Schlimmste verhindern.

Doch auch wenn Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Mittwoch schnelle Hilfe versprach, kann es dauern, bis das Geld bei den Betrieben ankommt. Viele Unternehmen müssten einen Insolvenzantrag stellen, weil sie nicht mehr zahlungsfähig sind – obwohl Rettung naht.

Die Bundesregierung will das – als Teil ihres Rettungspakets – verhindern. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hat vorgeschlagen, die Antragspflichten für eine Insolvenz zu lockern und den Unternehmen so eine Atempause zu verschaffen. „Wir wollen verhindern, dass Unternehmen nur deshalb Insolvenz anmelden müssen, weil die von der Bundesregierung beschlossenen Hilfen nicht bei ihr ankommen“, betont die SPD-Politikerin.

 Worum geht es?

Paragraf 15a der Insolvenzordnung (InsO) verpflichtet die Geschäftsführer einer GmbH oder die Vorstände einer Aktiengesellschaft, einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn das Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Das müssen sie innerhalb einer Frist von drei Wochen tun, sonst können sie sich wegen Insolvenzverschleppung strafbar machen. Ihnen droht dann eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Außerdem darf man nach einer Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung fünf Jahre lang nicht mehr als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person arbeiten.

 Was ist das Problem?

In der Covid-19-Krise ist die reguläre Drei-Wochen-Frist zu kurz bemessen, sagt Lambrecht. Es sei nicht sichergestellt, dass die Finanzhilfen des Staats rechtzeitig innerhalb dieser Frist bei den Unternehmen eintreffen. Die kurze Antragsfrist könnte daher das staatliche Rettungsprogramm ins Leere laufen lassen.

 Was soll sich ändern?

Um zu vermeiden, dass Unternehmen nur deshalb einen Insolvenzantrag stellen müssen, weil ihre Anträge auf öffentliche Finanzhilfen nicht binnen drei Wochen bearbeitet werden können, soll die Insolvenzantragspflicht vorübergehend ausgesetzt werden. Auch Gläubiger sollen keinen Insolvenzantrag stellen dürfen.

Das gilt nur dann nicht, wenn die Insolvenz nicht auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht oder es keine Aussicht auf die Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit gibt.

Aber auch hier gibt es ein Entgegenkommen: Zu Gunsten der angeschlagenen Unternehmen wird gesetzlich vermutet, dass das Coronavirus der Grund für die Zahlungsunfähigkeit ist, wenn ein Unternehmen am 31. Dezember 2019 noch zahlungsfähig war. Die Regelung gilt zunächst bis zum 30. September, kann aber bis zum 31. März 2021 verlängert werden.

 Für wen gilt die Regelung?

Die Insolvenzantragspflicht betrifft juristische Personen oder „Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit“, also etwa Aktiengesellschaften, GmbHs und GmbHs & Co KGs. Personengesellschaften wie OHGs, KGs oder GbR sind nicht betroffen, auch Einzelkaufleute nicht. Einzelunternehmer, etwa der Blumenhändler um die Ecke, können zwar auch Pleite gehen, müssen aber keinen Insolvenzantrag stellen. Sollten sie allerdings später versuchen, eine Restschuldbefreiung zu erreichen, wäre es gut, einen Insolvenzantrag gestellt zu haben, sagt der Berliner Insolvenzrechtsexperte und Anwalt Volker Beissenhirtz, der Unternehmen berät und saniert.

 Was bringt die Reform?

Sie verschafft den Unternehmen Zeit und flankiert die staatlichen Hilfen. Eine ähnliche Regelung hatte es schon nach den Hochwasserkatastrophen 2002, 2013 und 2016 gegeben. Allerdings sind von den 3,5 Millionen Unternehmen, die es in Deutschland gibt, 2,1 Millionen Einzelunternehmer und nur knapp 740.000 Kapitalgesellschaften. 

Wer prüft, ob die Voraussetzungen vorliegen?

Das passiert in den Unternehmen selbst. Das Bundesjustizministerium hat auf der Internetseite einen Überblick zu den Maßnahmen für geschädigte Unternehmen zusammengestellt. Auch die Bundesländer haben eigene Informationen zu den Stützungsmaßnahmen veröffentlicht. Zudem werden die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern und die auf die Sanierungsberatung spezialisierten Steuerberater und Rechtsanwälte weiterhelfen können, heißt es beim Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands.

 Muss man staatliche Hilfen beantragen?

Wenn Unternehmen die Finanzkraft haben, die Krise aus eigenen Mitteln zu bestehen, dann müssen sie keine Staatshilfen beantragen, sagt der Insolvenzverwalterverband. Wenn sie zu schwach sind, werde den handelnden Personen, die ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen müssen, in vielen Fällen aber nichts anderes übrig bleiben, als solche Hilfsanträge so schnell wie möglich zu stellen. De facto, meint Anwalt Beissenhirtz, seien Unternehmen, die angeschlagen sind und keinen Insolvenzantrag stellen, verpflichtet, staatliche Hilfen zu beantragen.

 Was passiert, wenn man sich geirrt hat?

Hätte ein Unternehmen Insolvenz beantragen müssen, ist theoretisch vorstellbar, dass sich Geschäftsführer oder Vorstände später wegen Insolvenzverschleppung verantworten müssen. Beissenhirtz glaubt aber nicht daran, dass solche Sachen später wirklich verfolgt werden. „Die Krise ist dafür zu groß“, sagt er.

 Was ist mit Maredo und Vapiano?

Vapiano hat bisher keinen Insolvenzantrag gestellt, sondern nur mitgeteilt, dass das Unternehmen zahlungsunfähig ist. Allerdings müssen sich Unternehmen, die sich bereits vor der Coronakrise in einer wirtschaftlichen oder strategischen Schieflage befunden haben, sehr kritisch hinterfragen, ob sie Staatshilfen werden erhalten können, warnt der Verband der Insolvenzverwalter. „Denn die Intention des Gesetzgebers zielt ja gerade darauf ab, dass nur die Auswirkungen der aktuellen Krise abgemildert werden sollen, nicht aber die Folgen der unternehmerischen Fehlentwicklungen der Vergangenheit.“ 

Die Steakhauskette Maredo hat dagegen tatsächlich Insolvenz beantragt. Der Vorteil: Die Arbeitsagentur zahlt die Gehälter drei Monate lang weiter.

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