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Empfangsbereich der Air-Berlin-Zentrale südlich des Flughafens Tegel. Die Stewardess lässt grüßen.

© Kevin P. Hoffmann

Update

Insolvente Air Berlin: Fast alle Gebote liegen auf dem Tisch

Die Bieterfrist für Air Berlin ist abgelaufen. Mindestens fünf Gebote sind eingegangen - darunter eines des Unternehmens Zeitfracht aus Berlin. Eines könnte noch folgen - aus China.

Ganz dünnes Spinngewebe und ein klein wenig Staub klebt an der Fußleiste beim Tresen in der Empfangshalle der Zentrale von Air Berlin. In der Warteecke mit den weißen Ledersesseln grüßt die rothaarige Stewardess aus Pappe. Und auf dem Beistelltischen finden Besucher Werbebroschüren für das Vielfliegerprogramm Topbonus. Die Firma dahinter hat zwar, genau wie die Airline selbst, Insolvenz angemeldet und gibt keine Prämien mehr aus, entsprechend großen Wirbel machen Kunden in Internetforen. In der Zentrale aber, auch in der Kantine nebenan, ist von Aufregung keine Spur.

Überhaupt drängeln sich Mitarbeiter schon länger nicht mehr durch den Backsteinkomplex am Saatwinkler Damm, der keine fünf Autominuten vom Flughafen Tegel am Rande eines Gewerbegebietes liegt. Vor zwei Jahren waren Kündigungswellen durch die Flure gerollt. Auch war es in den vergangenen Tagen nicht etwa so, dass täglich dunkle Limousinen mit fremden Managern vorgefahren wären, um Air Berlins Bücher zu prüfen. Der Zugang zum sogenannten „Datenraum“, den der vom Gericht bestellte Generalbevollmächtigte den Kaufinteressenten auf Antrag gewährte, findet heute virtuell statt. Per Passwort können die Bieter die Daten über das Internet abrufen.

Lufthansa und Easyjet bieten mit

Der Lufthansa-Konzern hat das getan und am Freitag vor Ablauf der Bieterfrist wie erwartet schriftlich ein Angebot eingereicht. „Über die Inhalte wurde Stillschweigen vereinbart“, sagte ein Sprecher in Frankfurt am Main. In Verhandlungskreisen hieß es zuvor, dass die Lufthansa für 70 bis 90 Maschinen einen niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag bieten. Und Easyjet möchte „Teile des Kurzstrecken-Angebots“ kaufen, hieß es in einer Mitteilung am Freitagnachmittag. Air Berlins Vorstandschef Thomas Winkelmann sprach von einem „regen Investoreninteresse“. Um welche Bieter es sich handelt, sagte er nicht.

Eingang des Berliner Logistikunternehmens Zeitfracht in einem Gewerbe- und Industriegebiet südlich des Flughafens Tegel. Von dem Firmengelände aus kann man die Air-Berlin-Zentrale sehen.
Eingang des Berliner Logistikunternehmens Zeitfracht in einem Gewerbe- und Industriegebiet südlich des Flughafens Tegel. Von dem Firmengelände aus kann man die Air-Berlin-Zentrale sehen.

© Kevin P. Hoffmann

Einige outeten sich dafür selbst. „Ja, es ist geboten worden“, sagte eine Sprecherin des ehemaligen Formel-1-Weltmeisters Niki Lauda. Er habe gemeinsam mit der Thomas-Cook-Tochter Condor ein Gebot eingereicht – mutmaßlich für die Tochter Niki, die er den Berlinern vor wenigen Jahren nach einem Streit verkauft hatte. Der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl hatte schon Anfang der Woche ein Angebot eingereicht. Auch Utz Claassen soll für die gesamte Gruppe geboten haben. Er schickte ein 17-Seitiges-Sanierungskonzept mit dem Projektname „Flamingo“.

Berliner Logistiker Zeitfracht bietet mit

Ein weiteres konkretes Gebot kam von dem Berliner Logistikunternehmen Zeitfracht. Dessen schlichte Zentrale liegt in Sichtweite des Air-Berlin-Backsteinbaus, keine zehn Fußminuten durch eine Kleingartenkolonie. Dort führt ein jungen Paar um die Mitte 30 die Geschäfte: Jasmin Schröter, eine Großnichte des Firmengründers und ihr Verlobter Wolfram Simon. Schröter empfängt in einem mit viel dunklem Holz verkleideten Büro. Neben dem massiven Schreibtisch steht ihr 2013 verstorbener Großonkel Horst Walter Schröter lebensgroß in Bronze gegossen. „In Wahrheit war er noch ein wenig größer“, erklärt Schröter.

Wolfram Simon (36) führt die Zeitfracht-Gruppe gemeinsam mit seiner Verlobten Jasmin Schröter, Großnichte des langjährigen Firmeninhabers Horst Walter Schröter.
Wolfram Simon (36) führt die Zeitfracht-Gruppe gemeinsam mit seiner Verlobten Jasmin Schröter, Großnichte des langjährigen Firmeninhabers Horst Walter Schröter.

© Privat

Zeitfracht, gegründet Ende der 1920er Jahre, setzt heute rund 100 Millionen Euro im Jahr um (Air Berlin erlöste 2016 knapp 3,8 Milliarden) und beschäftigt bundesweit rund 800 Mitarbeiter. Es ist ein Mittelständler, der flüssig sein dürfte, da die Familie im vergangenen Herbst ihre Minderheitsanteile am Deutschen Paketdienst (DPD) an die französische La Poste verkauft hat. Das Unternehmen war bisher vor allem mit Lkws auf der Straße unterwegs. Nun hat es für drei Air Berlin-Töchter geboten: die Luftfahrtgesellschaft Walter mbH (LGW), die bis vor Monaten noch inhabergeführt war, ihre 20 Propellermaschinen (Bombardier Dash 8 Q400) aber seit Jahren an Air Berlin vermietet. Air-Berlin-Chef Winkelmann hatte die Dortmunder Airline kurz nach seinem Antritt kaufen lassen, weil er deren Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit durch direkte Kontrolle steigern wollte. Die Maschinen gelten als relativ teuer im Unterhalt, sofern sie nicht ausgelastet sind – und sie sind angeblich nicht durchweg top in Schuss, sagt man in der Branche. Verkehrstauglich sind sie aber allemal.

Der größere Brocken für Zeitfracht wäre eine Übernahme der Airberlin Technik GmbH, die rund 1500 Mitarbeiter beschäftigt. Sie betreibt zwei Hangars in Düsseldorf, einen in Berlin-Tegel und derzeit noch einen in München. Die Tochter wartet auch für fremde Airlines Flugzeuge. Zeitfracht bietet zudem für die kleine Air Berlin Leisure Cargo GmbH, eine Plattform, über die Frachtkapazitäten vermarktet werden. Der Geschäftsbericht für 2016 weist für diese Tochter einen Umsatz in Höhe von lediglich 76.000 Euro aus.

Das Angebot sehe nicht vor, weitere Flugzeuge oder Destinationen (Slots) zu übernehmen, stellte Wolfram Simon klar. Man gehe fest davon aus, rund 1000 (von 8400) Arbeitsplätze der Air-Berlin-Gruppe sichern zu können und die Zeitfracht-Gruppe zu einem „gut etablierten Luftfracht-Carrier ausbauen zu können“. Zum möglichen Kaufpreis auch hier kein Wort.

Der chinesische Flughafen-Investor Jonathan Pang (im Mai 2016). Er betreibt den Flugplatz Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) und hat im Bieterwettstreit Air Berlin eine Fristverlängerung beantragt.
Der chinesische Flughafen-Investor Jonathan Pang (im Mai 2016). Er betreibt den Flugplatz Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) und hat im Bieterwettstreit Air Berlin eine Fristverlängerung beantragt.

© Jens Büttner/dpa

Jetzt sollen alle Angebote sortiert werden, um sie am kommenden Donnerstag dem Gläubigerausschuss vorzulegen. Vielleicht liegt dann auch noch ein Gebot vom chinesischen Unternehmer Jonathan Pang auf dem Tisch. Der betreibt unter anderem den Flughafen Parchim in Mecklenburg-Vorpommern und beantragte eine Woche Fristverlängerung, wie sein Anwalt ausrichtete. In Verhandlungskreisen hieß es, Nachzügler-Angebote liefen auch in den kommenden Tagen nicht ins Leere. Am 25. September, am Tag nach der Bundestagswahl, wollen die Gläubiger entscheiden.

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