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Guter Dinge: Verkehrsminister Dobrindt und Finanzminister Schäuble vor der Kabinettssitzung.

© imago/Jens Jeske

Infrastrukturabgabe: Dobrindts Maut kommt mit höherer Kfz-Steuer

Bundeskabinett beschließt neues Maut-Gesetz und Änderungen bei der Kraftfahrzeugsteuer im Doppelpack. Oppositionsparteien und EU-Nachbarn halten wenig davon.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat sein abgeändertes Maut-Gesetz am Mittwoch durch das Bundeskabinett gebracht. Es war eine niedrige Hürde, die Ministerkollegen hatten nach der grundsätzlichen Verständigung mit der EU-Kommission keine Einwände – größere liegen noch vor dem CSU-Politiker, bevor er sicher vermelden kann, dass alle deutschen Autofahrer und auch ausländische Nutzer deutscher Autobahnen ab 2019 tatsächlich die „Infrastrukturabgabe“ leisten müssen. Der Bundestag muss noch zustimmen, auch der Bundesrat. Auf dem Weg liegen drei Landtagswahlen zwischen März und Mai, und dann beginnt die heiße Phase des Bundestagswahlkampfes.

Aus der SPD-Fraktion im Bundestag klingen weiterhin Zweifel an, auch in der CDU halten das Vorhaben, das als Forderung der CSU nach einer „Ausländer-Maut“ begann, nicht alle wirklich für gut und richtig. Die christdemokratische Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer etwa hat, unterstützt von CDU-Bundesvize Julia Klöckner, vor ihrem Wahltermin im März nochmals Ausnahmeregelungen für Ausländer in Grenzregionen gefordert.

Und am Mittwochnachmittag trafen sich in Brüssel Vertreter aller EU-Nachbarn Deutschlands (plus Ungarn), um zu beraten, wie sie mit der deutschen Maut umgehen. Eingeladen hatte der österreichische Verkehrsminister Jörg Leichtfried. Er ist der Meinung, dass auch nach der Verständigung Dobrindts mit der Brüsseler Kommission vom Dezember eine Diskriminierung von EU-Ausländern vorliegt. Denn letztlich würden nur Ausländer zur Kasse gebeten, weil deutsche Autofahrer in Höhe der Mautgebühr bei der Kfz-Steuer entlastet werden. „Aus unserer Sicht ist das deutsche Modell klar EU-rechtswidrig“, sagt Leichtfried. Die österreichische Maut dagegen (als „Pickerl“ berühmt geworden) zahlten alle gleich. Es sei ein faires System.

Gegen "Mautmaulerei" aus Wien

In Richtung Saarland sagte Dobrindt am Mittwoch, es seien bereits Ausnahmen für den kleinen Grenzverkehr gemacht worden. Und Richtung Wien wiederholte er seine Einschätzung, die Österreicher sollten jetzt endlich mal mit ihrer „Mautmaulerei“ aufhören. Die Folgen des angepassten Maut-Gesetzes fasste der Verkehrsminister so zusammen: „Für inländische Autofahrer gibt es keine Mehrbelastungen. Wer ein besonders umweltfreundliches Euro-6-Fahrzeug fährt, zahlt unterm Strich sogar weniger als bisher.“

Als Starttermin der Maut nannte er das Jahr 2019. Neben der stärkeren Verrechnung von Maut und Kfz-Steuer bei schadstoffärmeren Fahrzeugen beschloss das Kabinett auch noch eine andere Staffelung der Kurzzeittarife, welche nur für Ausländer gelten. Deutsche Autobesitzer zahlen die Abgabe für das gesamte Jahr. So soll eine Zehn-Tages-Maut sechs Preisstufen von 2,50 Euro bis 25 Euro bekommen, bisher sind es drei Stufen von 5, 10 und 15 Euro.

Ob sich die Dobrindt-Maut aber rechnet, und nicht nur – wenn überhaupt – ihre Erhebungskosten deckt, das ist nach wie vor unklar. Der Deutsche Städtetag jedenfalls und auch der ADAC meldeten erneut ihre Bedenken an, ob Aufwand und Ertrag denn wirklich zusammenpassen. Denn das Mautsystem bringt neue Betriebskosten, es fallen Einführungskosten an, und der Kompromiss mit der EU bringt wegen eines Zugeständnisses an Fahrer neuer Wagen mit der Euro-6- Norm bei den Abgaswerten mit sich, dass die Einnahmen um 100 Millionen Euro im Jahr niedriger ausfallen werden als von Dobrindt bisher berechnet.

Mehr Schadstoffe, mehr Steuer

Doch wie der Zufall es will, kommt hier die EU indirekt zu Hilfe, um das Loch zu stopfen. Denn wegen des Dieselskandals, ausgelöst nicht zuletzt durch die technischen Manipulationen des VW-Konzerns, wird die Kommission in Brüssel die Überprüfung der Abgaswerte neu regeln. Mit dem mutmaßlichen Ergebnis, dass der gemessene Kohlendioxid-Ausstoß höher ausfallen wird. Da diese Werte aber auch bei der deutschen Kfz-Steuer eine zentrale Rolle spielen, weil sie nach Schadstoffstufen gestaffelt ist, rechnet das Bundesfinanzministerium mit einer deutlich höheren Belastung der Autofahrer.

Die Gesetzentwürfe von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Umsetzung der finanziellen Folgen des Maut-Kompromisses mit der EU und der höheren Kfz-Steuer wurden am Mittwoch ebenfalls vom Kabinett gebilligt. Das geänderte EU-Recht soll laut Gesetzentwurf im Mai 2017 in Kraft treten. Die Anwendung auf die Kfz-Steuer in Deutschland beginnt nach Schäubles Vorlage allerdings erst im September 2018, um den Beginn der höheren Belastung im Wahljahr 2017 zu umgehen. Begründet wird das damit, man wolle „Rechts- und Planungssicherheit" schaffen und eine ungleiche Behandlung von Autobesitzern vermeiden, falls die Autokonzerne zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf die neuen Werte umstellen.

Wie hoch die Mehreinnahmen sein werden, ist unklar – das Finanzministerium sieht sich zu der ansonsten üblichen Einnahmenprognose nicht in der Lage. In einem früheren Entwurf allerdings findet sich eine Schätzung: Danach liegt das Einnahmenplus aus der höheren Kfz-Steuer ab 2019 bei mehr als hundert Millionen Euro im Jahr, Tendenz deutlich steigend. Die durch den Kompromiss mit der EU erzwungenen Mindereinnahmen bei der Maut wären damit locker kompensiert.

Grüne, Linke und FDP einig

Die Bundestags-Opposition ist weiterhin gegen die Maut. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte: „Alle berechtigten Einwände wurden ausgeblendet, damit die CSU ihr teures Prestigeprojekt bekommt.“ Die europäische Zusammenarbeit dürfe nicht für „so einen Quatsch“ belastet werden. Linke-Verkehrsexperte Herbert Behrens kritisierte: „Alle seriösen Berechnungen gehen davon aus, dass die Ausländermaut bestenfalls ein Nullsummenspiel wird.“ Und der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) forderte, dass erst der neue Bundestag nach der September-Wahl darüber entscheidet. Die Bundesregierung zwinge Besucher aus dem Ausland, „vor einem Einkaufsbummel bei uns eine Eintrittskarte zu kaufen“, kritisierte Wissing. (mit dpa)

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