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Ford in Deutschland bekommt seine Dieselmotoren für die Modelle Focus und Fiesta aus eigenen Werken in England. Planbarkeit für den Brexit wäre hier wichtig.

© dpa

Industrie will Klarheit: Lieber ein Brexit mit Schrecken als ein Brexit ohne Ende

Zwar ist ein No-Deal-Brexit für die deutsche Industrie das schlimmste Szenario. Doch die Kosten für eine erneute Verschiebung will niemand tragen.

Bisher wollte die Industrie in Deutschland den Brexit so lange wie möglich hinauszögern. 82 Milliarden Euro spülte der Handel mit Großbritannien bisher jährlich nach Deutschland. Da bringt jeder Tag mehr, den die Briten in der EU sind, ein paar Millionen. Doch langsam scheint auch den deutschen Unternehmern die Geduld auszugehen.

Sollten keine konkreten Änderungen an den Austritts-Bedingungen absehbar sein, ist eine erneute Brexit-Verschiebung aus Sicht der Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) nicht sinnvoll, wie der Hauptgeschäftsführer Joachim Lang am Mittwoch sagte. Eine Kehrtwende frei nach dem Motto: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.

„Die jüngste Verschiebung des Austrittsdatums im April hat die politischen Verhandlungen in keiner Weise vorangebracht“, begründete Lang. „Stattdessen haben viele Unternehmen, die sich auf den 29. März eingestellt hatten, hohen Aufwand betrieben und vom Ergebnis her unnötige Ausgaben getätigt.“ Vorkehrungen wie Vorratshaltung oder die Einrichtung von Ersatztransportwegen seien nun mal nur begrenzt leistbar, das Abschmelzen von Arbeitszeitkonten oder Werksferien sogar nur einmal pro Jahr. Das wäre bei vielen Betrieben schon im März geschehen, so Lang. Die Kosten seien in die Milliarden gegangen, einzelne Unternehmen hätten mehrere hundert Millionen Euro ausgegeben.

„Last-Minute-Verschiebung besonders teuer“

Zwar sei ein No-Deal-Brexit noch immer die schlechteste Variante aus Industrie-Sicht. Doch seine Worte lassen erkennen, dass es für Unternehmen fast schlimmer sein könnte, wenn der Austritt immer wieder verschoben werde und jedes Mal erneut unnötige Kosten anfallen würden. „Gerade eine Last-Minute-Verschiebung ist besonders teuer“, sagte Lang. Aktuell sollte, „kein Entscheidungsträger in der Wirtschaft auf eine weitere Verschiebung setzen.“

Tatsächlich scheinen die Unternehmen unterschiedlich gut auf den Brexit vorbereitet zu sein. Während große Konzerne die Mittel und das Personal haben, die Vorbereitungen auch längere Zeit aufrecht zu erhalten, neigen Mittelständler derzeit eher dazu abzuwarten und erst aktiv zu werden, wenn es wirklich so weit ist. Kleine Unternehmen gaben in Umfragen immer wieder an, ohnehin nicht zu wissen, was auf sie zukommt. Viele von ihnen können sich bisher kaum anders vorbereiten, als eine Hotline einzurichten, an die sich ihre Kunden und Dienstleister etwa bei Zollfragen nach dem 31. Oktober wenden können.

Mehr als 50.000 Arbeitsplätze in Gefahr

Einmal mehr betonte Lang, dass auch die deutsche Wirtschaft unmittelbar getroffen wird. Eine „hohe fünfstellige Zahl von Arbeitsplätzen“ dürfte nach BDI-Berechnungen in Deutschland als Folge des Brexits abgebaut werden. Aktuell seien rund 500.000 Arbeitsplätze in der Bundesrepublik von den Wirtschaftsbeziehungen zu Großbritannien abhängig.

Zwar betonte der BDI, niemand könne wissen, welche Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt dann wirklich ankommen. Allerdings bezeichnete er seine Schätzung als „solide“. Das deutsche Wirtschaftswachstum werde bei einem harten Brexit um 0,5 Prozentpunkte schwächer ausfallen.

Ein besonderes Ärgernis ist aus Sicht des BDI, dass die britische Regierung keine Handels-Gesetzgebung für den Fall eines harten Brexits ausgearbeitet hat - und das wegen des durch Premierminister Boris Johnson verhängten Zwangsurlaubs für das Parlament wohl auch nicht mehr kann.

Sollten sie nicht noch irgendeine Vorschrift aus dem 15. Jahrhundert finden, könnte Großbritannien am 1. November als einziges Land ohne konkrete Regelung dastehen, meinte Lang in Anspielung auf das Gesetz, das die Parlamentspause ermöglicht hatte.

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