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Forschen, lehren, repräsentieren. Je nach Land und Hochschule können Emeritus oder Emerita weiter bestimmte Aufgaben übernehmen.

© imago/Panthermedia

In Pension: Noch lang noch nicht Schluss

Eigentlich gehen Professoren mit 65 in den Ruhestand. Sie müssen aber nicht. Was in Berlin möglich ist.

„Für mich war die Seniorprofessur ein großes Glück“, sagt Volker Gerhardt. Er ist 76 und kam 1992 als Professor für Praktische Philosophie an die Humboldt-Universität (HU) zu Berlin. Lange Jahre stand er dem Institut für Philosophie als Direktor vor. 2012 endete seine Zeit als ordentlicher Professor. An der HU und dem Institut konnte Gerhard trotzdem bleiben. Als Seniorprofessor gibt er dort jetzt zwei Veranstaltungen pro Semester, eine Vorlesung und ein Proseminar.

Die Seniorprofessur ist eine besondere Auszeichnung, denn nicht jede Professorin oder jeder Professor kann, wenn er in den Ruhestand geht, mit einer solchen Stelle rechnen. 2017 waren nach einer Umfrage des Deutschen Hochschulverbandes (DHV) etwa 50 Seniorprofessorinnen und Seniorprofessoren in Berlin beschäftigt, aufgeteilt auf die drei staatlichen Institutionen, die entsprechende Stellen führen: die Charité, die Freie Universität und die Humboldt-Universität. Doch Seniorprofessur ist nicht gleich Seniorprofessur (siehe Kasten). „In Berlin kommt die Seniorprofessur im Landeshochschulgesetz nicht vor“, erklärt Sven Hendricks, Justiziar für Hochschul- und Beamtenrecht im Hochschulverband: „Ob, zu welchem Zweck und in welcher Form Seniorprofessuren eingeführt werden, ist damit Sache der einzelnen Hochschule.“

Er arbeitet bis heute wissenschaftlich, betreut Projekte

Seit 1975 ist Volker Gerhardt in der Wissenschaft tätig, bis heute arbeitet er in verschiedenen wissenschaftlichen Akademien und betreut zwei große Editionsprojekte. Das Angebot habe er angenommen, auch weil Gespräch und Austausch mit den Studierenden ihm immer geholfen haben, sich mit neuen Themen vertraut zu machen, sagt er. Als Seniorprof genießt er nun thematisch größere Freiheiten als zuvor: „Ich muss bei meinen inhaltlichen Schwerpunkten nicht mehr darauf achten, die Prüfungsanforderungen in der Lehre abzudecken und kann mich sowohl auf ganz allgemeine als auch auf höchst spezielle Aspekte konzentrieren“, sagt er. Das sei ein Gewinn.

Die Seniorprofessur ist eine von mehreren Möglichkeiten, wie Professoren in Berlin auch nach der Altersgrenze von 65 Jahren weiter an der Uni tätig sein können. Denn Seminare anbieten und Vorlesungen halten, das darf grundsätzlich jeder Emeritus und jede Emerita. Die Venia Legendi, die akademische Lehrerlaubnis, besteht ein Leben lang. „Dieses Prinzip wird aber je nach Land durch unterschiedliche Bedingungen eingeschränkt“, betont Justiziar Hendricks. So haben bei Raumknappheit normalerweise Veranstaltungen von Angestellten Vorrang, auch die Prüfberechtigung sei häufig eingeschränkt oder mit Bedingungen versehen. In Berlin ist ein Emeritus oder eine Emerita nicht mehr Mitglied der Hochschule. „Das kann basale, aber umso schwerwiegendere Hindernisse für das weitere wissenschaftliche Arbeiten mit sich bringen, wie Probleme bei der Nutzung der Universitätsbibliothek“, sagt Hendricks.

Mit einer Seniorprofessur werden diese Probleme umgangen. Zudem ermöglicht sie, dass sich die Uni erneuert: Denn anders als bei einer Dienstverlängerung, die erlaubt, eine Professur bis zu drei Jahre nach dem Pensionsalter weiterzuführen, wird mit der Annahme einer Seniorprofessur nach der Pensionierung die ordentliche Professur wieder frei – und kann neu besetzt werden. „Eine Dienstverlängerung bedeutet auch, weiter die volle Dienstverpflichtung zu haben“, betont Hendricks. Die Seniorprofessur könne dagegen flexibel ausgestaltet werden. Auch inhaltliche Vorlieben, ob man zum Beispiel eher lehren oder sich ungestört in die eigene Forschung vertiefen will, können berücksichtigt werden.

Er wurde gefragt, er hat ja gesagt

„Sowohl die Aushandlung meiner Seniorprofessur im Jahr 2012 als auch die jährlichen Verlängerungen habe ich nicht beeinflusst“, sagt Gerhardt. Damals hätten ihn seine Kollegen gefragt, ob er eine Seniorprofessur und damit zwei Veranstaltungen pro Semester übernehmen wolle. Er hat ja gesagt, einige Zeit später sei die Zusage des Präsidiums eingegangen.

„Der Vorschlag für eine Seniorprofessur, die ja auch meist eine Würdigung besonderer fachlicher und institutioneller Verdienste ist, kommt meistens aus dem jeweiligen Fachbereich“, bestätigt Hendricks. Die Entscheidung gehe dann in der Regel durch mehrere Universitätsgremien, letzten Endes müsse das Hochschulpräsidium entscheiden, dabei spiele auch der finanzielle Aspekt eine Rolle.

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Auf eine Seniorprofessur bewirbt man sich nicht, die Position wird an jemanden herangetragen. Umso wichtiger sei es, so man eine Seniorprofessur anstrebe, sich frühzeitig zu positionieren und sein Interesse unter den Kollegen zur Sprache zu bringen, rät Hendricks, und sich über die Möglichkeiten und Modelle an der eigenen Hochschule zu informieren. Die besten Ansprechpartner finde man hier meist in den Personalverwaltungen der Universitäten selbst. Auch Hendricks bietet eine wöchentliche Sprechstunde an.

Große finanzielle Gewinne bringt eine Seniorprofessur aber nicht. Wenn die Position vergütet wird, dann normalerweise höchstens im Rahmen der Spanne zwischen Pension und letztem Gehalt. Gehen neue Vergütung und Pension zusammen darüber hinaus, wird die Pension in der Regel entsprechend gemindert.

Gerhardt versteht sich gut mit seinen Kolleginnen und Kollegen. Mit seiner Nachfolgerin teilt er sich an seinen Tagen in der Uni das Büro. Dort kann er Sprechstunden geben, Prüfungen abnehmen und auch auf die Hilfe der Lehrstuhlsekretärin zurückgreifen. Das gute Verhältnis motiviert: Eigentlich wollte er nur bis 75 Seniorprofessor bleiben, sagt er. Dann hat er doch noch einmal verlängert. Seine Kollegen hätten ihn, als sie von seinen Plänen hörten, dazu angeregt.

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