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Immer mehr Kundinnen und Kunden wickeln ihre Bankgeschäfte elektronisch ab. Die Commerzbank zieht daraus ihre Konsequenzen.

© Arne Dedert/dpa

Update

In Berlin acht Standorte betroffen: Nun ist bekannt, welche 340 Filialen die Commerzbank schließen wird

Fast die Hälfte der Standorte sollen bis Ende 2022 geschlossen werden. Grund sind Einsparungsmaßnahmen und die abnehmende Nachfrage der Kunden.

Von Corinna Cerruti

Die Commerzbank schließt bundesweit rund die Hälfte ihrer Filialen. Wie bereits im Februar beschlossen wurde, sollen mehrere hundert Standorte schließen. Nun ist klar, welche 340 der aktuell 790 Filialen bis Ende 2022 geschlossen werden sollen. Für die ersten rund 240 Filialen kommt das Aus schon bis Oktober dieses Jahres. Das Kreditinstitut begründet die Schließungen mit der abnehmenden Nachfrage ihrer Kundinnen und Kunden.

Die meisten Bankgeschäfte erfolgen heutzutage online, weswegen immer weniger Menschen die örtlichen Servicestellen aufsuchen, erklärte eine Commerzbank-Sprecherin. Nur noch 10 Prozent der Überweisungen werden in einer Filiale der Commerzbank in Auftrag gegeben, der Großteil laufe online. Bereichsvorstand Christian Hassel sagt: „Wir bieten genau das, was unsere Kunden wollen: Tägliche Bankgeschäfte mobil und online, persönliche Beratung nach Bedarf.“

Immer mehr Seniorinnen und Senioren entdecken Onlinebanking

Die Coronakrise hat diese Entwicklung weiter begünstigt. „Wir haben während der Pandemie festgestellt, dass Beratung online gut funktioniert und für den Kunden schnell, einfach und bequem ist”, sagt Hassel weiter. Dabei nutzen nicht mehr nur junge Leute die elektronischen Wege, immer mehr Seniorinnen und Senioren entdeckten in der Coronakrise das Onlinebanking.

Bei einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbandes Bitkom stellte sich heraus, dass sich der Anteil der Menschen ab 65 Jahren, die ihre Bankgeschäfte online abwickeln, im vergangenen Jahr fast verdoppelt hat: von 22 Prozent auf 39 Prozent.

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In der gesamten Bevölkerung setzen mittlerweile vier von fünf Befragten (80 Prozent) auf Onlinebanking. Vor einem Jahr lag der Wert noch bei 73 Prozent. Bitkom-Präsident Achim Berg sagte, die allermeisten Menschen erledigten Bankgeschäfte schon seit einigen Jahren ganz selbstverständlich digital.

„Nur die Älteren blieben beim Onlinebanking weitestgehend außen vor. Seit Corona erleben wir einen regelrechten Sturm der Seniorinnen und Senioren auf die Online-Filialen der Banken.“

Beratungscenter sollen persönlichen Kontakt sichern

Bundesvorstand Hassel betont jedoch, das persönliche Gespräch sei trotzdem nach wie vor ein wichtiger Bestandteil der Kundenbetreuung. Filialen sollen nicht weiter als vierzig Kilometer auseinanderliegen, so dass der direkte Kontakt zu den Bankangestellten weiter gewährleistet ist, erklärt eine Sprecherin. So sollen auch weniger digitale Kundinnen und Kunden abgeholt werden.

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Zudem möchte das Kreditinstitut bundesweit 12 sogenannte “Beratungscenter” einrichten, über die Bankgeschäfte erledigt werden sollen. Dort sollen Angestellten aus den Filialen perspektivisch ihre Kundinnen und Kunden per Telefon, Video, Chat und E-Mail beraten, auch zu Wertpapieranlage und Immobilienfinanzierung.

Dabei orientiere man sich am Geschäftsmodell der comdirect bank, erklärte eine Sprecherin. Diese war eine Direktbank, welche Bankgeschäfte und Kundenkontakt ausschließlich per Telefon oder E-Mail abwickelte, und im November vorigen Jahres mit der Commerzbank fusionierte.

Acht Berliner Bankfilialen und zwei im Umland betroffen

In Berlin sind die Filialen in Kreuzberg, Mehringdamm, Wilmersdorf, Am Tierpark, Hellersdorf, Berlin-Nord/Müllerstraße, Uhlandstraße und Dahlem sowie im nahen Umland Erkner und Königs Wusterhausen betroffen. Schon im vergangenen Jahr reduzierte das Institut die Zahl der Filialen in Berlin um zehn Zweigstellen.

Bundesweit sollen auch Geldautomaten den Schließungen zum Opfer fallen, wie die Commerzbank auf Tagesspiegel-Nachfrage mitteilte. Wie viele und wo genau konnte die Commerzbank-Sprecherin zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht sagen. Das hänge von der Lage der Räumlichkeiten und dem Mietvertrag ab. Die Entscheidung zur Schließung der Filialen wurde nach Einigung mit den örtlichen Betriebsräten getroffen.

Betriebsbedingte Kündigungen nicht geplant

Betriebsbedingte Kündigungen seien vorerst nicht geplant, sagte die Sprecherin des Instituts. "Für die betroffenen Mitarbeiter wird es verschiedene Optionen geben, wie der Wechsel in eine andere Filiale oder die Übernahme einer Aufgabe in unseren künftigen Beratungscentern."

Die zweitgrößte deutsche Privatbank hatte jedoch bereits im Januar dieses Jahres angekündigt, insgesamt 10.000 Arbeitsplätze abbauen und rund jede zweite der 790 Filialen in Deutschland schließen zu wollen. Grund dafür sind schlechte Geschäftszahlen: Die Commerzbank verzeichnete für das Jahr 2020 ein Minus von 2,9 Milliarden Euro.

Weil die Bankbeschäftigten aber nicht einfach entlassen werden können, sollen Geldsummen sie hinfort locken. Dafür hat die Commerzbank ein umfangreiches Abfindungsprogramm aufgesetzt. Wer 1965 oder früher geboren ist, kann bis zum Ruhestand in Altersteilzeit – mit weniger Stunden und Gehalt – arbeiten.

Für jene, die spätestens 1968 geboren sind, ist der Vorruhestand die zweite Option. Und: Fällt die Entscheidung dafür bis Ende des Jahres, bekommt der Beschäftigte eine „Sprinterprämie“ von 30.000 Euro. Noch mehr gibt es für all jene, die das Unternehmen 2021 ganz verlassen. Zur Abfindung kommen in dem Fall 60.000 Euro obendrauf.

Die meisten Kundinnen und Kunden erledigen Bankgeschäfte online

Der Boom des Onlinebanking hat weitreichende Folge für die Banken, die bislang stark auf ihr Filialnetz setzen. In der Bitkom-Umfrage sagen 4 von 10 (38 Prozent) der Onliner, dass sie ausschließlich das Online-Angebot nutzen und gar keinen Kontakt mit Bankangestellten mehr in einer Filiale haben. Rund die Hälfte (53 Prozent) erledigt ihre Bankgeschäfte überwiegend online und besucht nur hin und wieder eine Filiale.

Nur noch 7 Prozent gehen überwiegend in die Filiale und nutzen Onlinebanking nur gelegentlich. Vor diesem Hintergrund hatte im Juni dieses Jahres die Unternehmensberatung PwC Strategy& in einer Analyse des europäischen Bankensektors eine große Schließungswelle bei Bankfilialen vorausgesagt.

Bis 2023 könnten die Privatbanken bis zu 40 Prozent ihrer Geschäftsstellen schließen, prophezeien die Finanzfachleute der Unternehmensberatung. Demnach ist der Durchschnittsgewinn pro Kunde im Coronajahr 2020 um acht Prozent auf 193 Euro abgesackt, auch die Umsätze gingen zurück.

Ursachen sind demnach die gesunkene Zahl internationaler Transaktionen und Kreditkartenzahlungen sowie weniger Nachfrage bei Verbraucherkrediten.

Sinkende Margen verstärken Kostendruck

Die Lage ist keineswegs überall gleich, doch gerade der deutsche Bankensektor steht demnach ziemlich schlecht da: In der Schweiz brachte ein Kunde im Schnitt 444 Euro Gewinn, in Österreich leicht überdurchschnittliche 208 Euro, in Deutschland dagegen unterdurchschnittliche 172 Euro.

Die sinkenden Margen verstärken nach Einschätzung der Unternehmensberater den Kostendruck ganz erheblich. Sie verweisen auf die bereits angekündigten umfangreichen Stellenstreichungsprogramme vieler Großbanken von der Deutschen Bank bis zur französischen Societé Generale.

Die Zahl der Bankfilialen in Europa könnte demnach bis 2023 von knapp 60.000 auf nur noch 36.000 sinken.

Das traditionelle Geschäftsmodell, demzufolge die Banken in ihren Filialen auf die Kundschaft warten, wird sich laut Studie in Zukunft quasi umkehren: „Anstatt durch die besten Standorte möglichst viele Kunden in die Filialen zu locken, werden zukünftig durch gezieltes Online-Marketing Kundenkontakte gewonnen“, sagte Studienautor Pratz laut Mitteilung. (mit dpa)

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