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Reisende sollte man aufhalten. Das wünschen sich Mieter oft, wenn beim Nachbarn Feriengäste ein- und ausgehen.

©  Britta Pedersen/dpa

Zweitwohnungen: "Ich bring’ noch einen Koffer nach Berlin"

Die Hauptstadt ist als Zweitwohnsitz en vogue. Daran möchte der Berliner Senat künftig mehr verdienen. Auch professionelle Anbieter suchen nach Nischen.

Das unabhängige und global tätige Immobilienberatungsunternehmen Night Frank aus den USA listet die Hauptstadt erstmals in seinem „Prime International Residential Index (PIRI) auf. Das ist der Index der 100 Topstandorte für Zweitwohnungen weltweit. Berlin ist hier zwar nach Tagesspiegel-Informationen nicht ganz unter den ersten zehn – rangiert aber doch immerhin vor München, der „Weltstadt mit Herz“.

Die genauen Zahlen sollen in der übernächsten Woche offiziell bekannt gegeben werden. Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) hat sie möglicherweise schon gesehen und seine Schlüsse daraus gezogen. Ob es die richtigen sind? Der Berliner Senat möchte an Zweitwohnsitzen in der Hauptstadt nämlich künftig deutlich mehr verdienen: Die Zweitwohnungssteuer solle von fünf auf 15 Prozent der Nettokaltmiete verdreifacht werden, hat sich Matthias Kollatz-Ahnen einem Pressebericht zufolge überlegt. Berlin werde „in Kürze einen Gesetzentwurf zur Erhöhung der Zweitwohnungsteuer auf den Weg bringen“, sagte er. Betroffen sind demnach unter anderen Abgeordnete, Studenten und Berlin-Besucher.

Dem Zeitungsbericht zufolge hat Berlin als größte deutsche Metropole auch die größte Zahl gemeldeter Zweitwohnsitze. Demnach sind zehntausende Menschen mit dem Erstwohnsitz anderswo gemeldet und damit auch dort einkommensteuerpflichtig. Zumindest ein Teil dieser Steuern soll künftig an Berlin gezahlt werden. „Unser Ziel ist vor allem der Lenkungseffekt: Wir wollen mehr Menschen motivieren, in Berlin ihren Erstwohnsitz anzumelden“, sagte Kollatz-Ahnen.

Kurze Mietverträge für Berufstätige sind das neue Geschäftsmodell

Ein anderes Motiv könnte aber ein Abkassieren bei denjenigen sein, die sich in Berlin einen Zweitwohnsitz genommen haben, weil sie einfach ein paar Wochen oder Monate im Jahr in der deutschen Hauptstadt verbringen wollen. Sie dürften sich durch die geplante Verdreifachung der Zweitwohnungssteuer bestraft fühlen: Zwar dürfen sie ihre Wohnung als Ferienwohnung trotz der in Berlin geltenden Zweckentfremdungsverbotsverordnung laut einem Gerichtsurteil vermieten. Doch das Beispiel Paris zeigt, dass Stadtverwaltungen versucht sein können, mit Steueraufschlägen verstärkt gegen Zweitwohnungen vorzugehen. Statt 20 Prozent zusätzlich wie bisher, hat der Stadtrat von Paris kürzlich beschlossen, den Aufschlag für die Zweitwohnungssteuer zu verdreifachen – zusätzlich zur Grundsteuer.

Es gibt nicht wenige in Berlin, die den Umgang mit Feriengästen und – zum Teil ausländischen – Besitzern von Ferienimmobilien für wenig „metropolenlike“ halten und es gibt andere, die daraus sogar neue Geschäftsmodelle machen. Das Thema hat Potential. Weil Berlin einmal mehr auch für 2016 steigende Touristenzahlen verzeichnen konnte, dürften auch die Zahlen derjenigen steigen, die mit einem Sitz in der Hauptstadt liebäugeln.

Zu denen, die vom Schwung aus dem Ausland profitieren, gehört Darrel Smith, Gründer und Direktor des Immobilienbüros BuyBerlin Investments. Er setzt auf Mietverträge ab drei bis zwölf Monaten für Berufstätige. „Was viele Vermieter nicht wissen, ist, dass sie deutlich mehr Einnahmen erzielen können, indem sie ihre möblierten Wohnungen kurzfristig berufstätigen Mietern anbieten, ohne dabei von Mietpreisbeschränkungen langfristiger Verträge betroffen zu sein.“ Ein solcher Mietvertrag könne auch eventuelle Service-Leistungen – wie zum Beispiel eine monatliche Grundreinigung – enthalten. Ein weiterer Vorteil: „Vermieter können jegliche Miete verlangen, die sie als angemessen betrachten.“ Sein Unternehmen verzeichne einen starken Anstieg von Anfragen.

Wohnungsvermittler Wimdu will "Spezialist für City-Urlaube" werden

Darauf hofft auch Bernd Muckenschnabel, Aufsichtsratsvorsitzender des dänischen Ferienhausvermittlers Novasol, der vor wenigen Wochen den Berliner Wohnungsvermittler Wimdu gekauft hat. Muckenschnabel, gebürtiger Berliner, will Wimdu als „Spezialisten für City-Urlaube“ entwickeln, Novasol soll die Kundschaft aus dem skandinavischen Raum nach Berlin locken. „Berlin braucht Freunde“, gibt der Novasol-Mann zu bedenken, „nicht Menschen, die sich weggestoßen fühlen, weil sie als Ausländer Wohnraum in Berlin gekauft haben.“ Durch die gesetzlichen Einschränkungen seien die Probleme des Berliner Wohnungsmarktes mit steigenden Mieten und vor allem auch steigenden Kaufpreisen nicht gelöst worden. Dass die Vermietung einer Ferienwohnung ein starker wirtschaftlicher Hebel sein könne, Eigentum zu bilden, sei Berliner Verantwortlichen offenbar noch nicht in den Sinn gekommen.

Bei Darrel Smith rechnet sich das so: „Eine typische 55-Quadratmeter-Wohnung würde monatlich möbliert 1375 Euro Miete kosten – fast doppelt so viel als eine gleichwertige unmöblierte Wohnung kosten würden.“ Und multinationale Unternehmen, die oft die Miete für ihre auswärtigen Angestellten zahlen, sind bereit solche Summen auf den Tisch legen. „Wir arbeiten hier zum Beispiel mit Umsiedlungsgesellschaften“, sagt Smith.

Auch Muckenschnabel glaubt an diese Nische auf dem Immobilienmarkt. Sie sei ein wichtiger Bestandteil der Shared Economy. Es gibt ernst zu nehmende Untersuchungen, nach denen sich ein Immobilieninvestment über Airbnb knapp sechs Mal schneller amortisiert als eine Standart-Vermietung.

Berliner Start-up Medici Living setzt auf moderne WG-Zimmer

Mit solchen Faktoren rechnet auch das Berliner Start-up Medici Living. Der nach eigenen Angaben „größte Co-Living-Anbieter Europas“ startet ab März mit der Vermietung der ersten von insgesamt 45 Co-Living-Spaces in einem Gebäude in Mitte, das unter dem Label „Quarters“ vermarktet wird. Jungen Berufstätigen, Kreativen und Gründern – gerne aus aller Herren Länder – soll ein Zuhause in Berlin geboten werden. Die Medici Living Group hat das neue Co-Living-Gebäude in Berlin-Mitte gemeinsam mit Investoren realisiert und die Wohneinheiten langfristig angemietet. Jedes Apartment umfasst etwa fünf Zimmer, eine Gemeinschaftsküche und hat zwei Bäder – Wohngemeinschaften der Neuzeit. Über eine App kann man sich hier weltweit untereinander vernetzen, Smart-Home-Elemente steuern und zusätzliche Dienstleistungen buchen.

Was alle Anbieter von Ferienimmobilien auf den professionellen und semiprofessionellen Ebene eint, ist der Glaube daran, dass die Attraktivität einer Großstadt in ihrer jeweiligen Authentizität liegt. Kiez statt Kalbsleber lautet also die Zauberformel mit Blick auf Berlin. Und wenn es dann noch einen funktionierenden Großflughafen gäbe, würde es auch nicht schaden.

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