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Beispiel Pankower Tor. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung überlässt hier den Bezirkspolitikern das Feld.

© promo

Zu wenig Bebauungspläne festgesetzt: Berlin hat keinen Plan für preiswerten Wohnraum

Bauen, Bauen, Bauen? Nicht in der Hauptstadt! Senate und Bezirke legen auch 2019 wieder nur halb so viel Bebauungspläne fest wie 2016.

Zum Bauland drängt es, am Bauland hängt es. Es wird in Berlin mit Blick auf die Zuzugszahlen viel zu wenig gebaut.

Bundesweit wird nicht nur von Bauträgern und Projektentwicklern beklagt, dass die Kommunen zu wenig Flächen zur Bebauung bzw. zur Verdichtung ausweisen. In Berlin sind Senat und Bezirke der Hauptstadt noch weit entfernt davon, dem Wohnraummangel in niedrigen Preissegmenten durch verstärkte Anstrengungen im Neubau zu begegnen.

Bauen, Bauen, Bauen – wer das wirklich wollte, müsste bei der Aufstellung von Bebauungsplänen kräftig zulegen.

Nach einer Auswertung des Gesetz- und Verordnungsblattes durch den Baurechtsexperten Bernhard Haaß wurden im abgelaufenen Jahr drei Bebauungspläne („B-Pläne“) durch den Senat festgesetzt. Konkret geht es hier um den Bezirk Mitte (die Straße zwischen dem Bundeskanzleramt und dem Paul-Löbe-Haus), den Bezirk Treptow-Köpenick (für ein Bauvorhaben der HOWOGE) und in Neukölln geht es um die Buckower Felder. Das war’s auf dieser Ebene.

Bisher habe der Senat kein einziges Bebauungsplanverfahren für Wohnungsbauvorhaben ab 200 Wohneinheiten festgesetzt, obschon die Schwelle 2015 von 500 Wohneinheiten extra herabgesetzt worden sei, kritisiert Haaß.

Die Zahl der Bebauungspläne, die 2019 über die Bezirke ihren gesetzlichen Rahmen fanden, pendelt weiterhin auf niedrigem Niveau – bei zwei Dutzend. Das sind viel zu wenige, um über das Modell der kooperativen Baulandentwicklung im kommerziellen Segment preiswerten Wohnraum zu schaffen oder den kommunalen Gesellschaften über den Wohnungsankauf von Privaten größere Bewegungsspielräume in Neubauten verschaffen zu können.

Tatsächlich setzt Berlin jährlich nur etwa halb so viele Bebauungspläne fest wie 2016, als der damalige Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) seine Verwaltung zur „B-Plan-Fabrik“ machen wollte.

R2G wollte B-Pläne zum Regelinstrument machen

Ursprünglich vertraute auch Rot-Rot-Grün laut Koalitionsvertrag auf B-Pläne. „Die Koalition will durch Flächenkonversion, Aktivierung ungenutzter Flächen und maßvolle Nachverdichtung neue Potenziale für die wachsende Bevölkerung erschließen“, war da zu lesen: „Für eine maßvolle Nachverdichtung von bestehenden Wohnquartieren ist eine frühzeitige Einbeziehung der Bewohnerschaft unabdingbar. Die Koalition unterstützt hierfür die Aufstellung von Bebauungsplänen als Regelinstrument, um die Qualität zu sichern und die Regeln der kooperativen Baulandentwicklung anzuwenden.“

Daraus wurde nichts, allen politischen Zielvorgaben zum Trotz. Bürgerbeteiligung und Sozialwohnungsquote sind nur im Bebauungsplan-, nicht aber in Baugenehmigungsverfahren festgeschrieben.

Bereits die drei auf Senatsebene 2018 festgesetzten B-Pläne waren mit Blick auf hohe Fallzahlen nicht der Rede wert. „Sie betrafen das Museum des 20. Jahrhunderts auf dem Kulturforum (I-35ba), eine kleine Umplanung im Entwicklungsbereich Adlershof zu Wohnungsbau (XV-55a-1-2) und die Umplanung des SEZ an der Landsberger Allee zu Wohnungsbau (2-43)“, folgerte Haaß aus den gesetzlichen Veröffentlichungen der Planungsverfahren, die er als Vorsitzender des Arbeitskreises Bauleitplanung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) analysierte.

Bebauungspläne sind das A und O der Stadtentwicklung. „Die heute erstellten B-Pläne haben auch eine mittelfristige Wirkung, damit man für einen weiteren Bevölkerungsanstieg Flächenreserven sichert“, sagt Christian Huttenloher, Generalsekretär des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. (DV). Angesichts des Haushalts- und Bevölkerungsanstieges müssten Alle – Senat, Immobilien- und Bauwirtschaft – ihre Anstrengungen für die planungsrechtlichen Grundlagen, die Baugenehmigungen und die Baufertigstellung dringend bündeln und verstärken.

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B-Pläne sind Instrumente zur Schaffung von preisgünstigem Wohnraum

Die niedrige Zahl der B-Pläne passe in das wahrgenommene Bild, so Huttenloher weiter, dass in Berlin mehr planungsrechtliche Grundlagen für den Wohnungsbau geschaffen werden müssten und das Gesamtklima für Wohnungsneubau deutlich besser sein könnte. Indes: „Die Zahl der B-Pläne lässt noch keine Rückschlüsse auf die Größenordnung des künftigen Wohnungsbaus in den nächsten Jahren zu.“

Gleichwohl stehen Bebauungspläne für eine verbindliche Bauleitplanung. Sie sind angesichts des Mangels an Sozialwohnungen ein unverzichtbares Instrument zur Schaffung von preisgünstigem Wohnraum.

Ein B-Plan wird immer dann aufgestellt, wenn für ein Bauvorhaben genaue, bindende Vorgaben notwendig sind oder wenn eine Fläche für öffentliche Zwecke gesichert werden soll. Die Gemeinde hat im Zuge von B-Plänen, mit denen Wohnraum geschaffen wird, grundsätzlich ein allgemeines Vorkaufsrecht oder kann konkret und gebietsbezogen ein besonderes Vorkaufsrecht durch Verordnung festsetzen.

Ein B-Plan kann ein einzelnes Grundstück umfassen oder ein erst noch zu entwickelndes Stadtviertel. Ein B-Plan kann auch bestimmen, wo Sozialwohnungen entstehen, wie Häuser gestaltet werden. Zwar liegt die Zuständigkeit für die B-Pläne bei den Bezirken. Erkennt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung aber eine „außergewöhnliche stadtpolitische Bedeutung“, kann sie ein B-Planverfahren nach Paragraf Neun Ausführungsgesetz zum Baugesetzbuch (AGBauGB) an sich ziehen. Warum tut sie es nicht?

Berlins früherer Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD), heute als Unternehmensberater in der Immobilienbranche unterwegs, redet Tacheles. Mit B-Plänen machen sich Politiker nämlich in der Bevölkerung keine Freunde.

Mit B-Plänen gewinnt man keine Wahlen

„Die mangelnde Bereitschaft, Bebauungspläne und Baugenehmigungen durchzusetzen, ist nicht in erster Linie das individuelle Versäumnis von Frau Lompscher, sondern das hat Methode und entspringt der parteipolitischen Taktik der Linkspartei“, analysiert Strieder in einer Rede anlässlich eines Neujahrsempfangs: „Die Partei Die Linke hat nach ihrer Regierungsbeteiligung von 2002 bis 2011 die Hälfte ihrer Stimmen eingebüßt. Das soll ihr nicht noch einmal passieren.

Deshalb ist es explizit Parteilinie, nur solche Konflikte einzugehen, die sich bei den nächsten Wahlen auszahlen. Wer für B-Pläne kämpft, kann weder erwarten, dass schon bei den nächsten Wahlen ein Erfolg sichtbar ist, noch gar, dass sich die künftigen Bewohner dafür interessieren, wem sie das neue Zuhause verdanken. Das ist bei der Einführung von Milieuschutzgebieten oder bei der Ausübung von Vorkaufsrechten anders.“

Hinzusetzen lässt sich hier noch das Instrument des Mietendeckels: Weniger Miete zahlt sich aus.

In den Westbezirken Berlins waren früher etwa sechzig Bebauungspläne jährlich nötig. Da dort noch der Baunutzungsplan von 1958/60 gilt, handelt es sich ganz überwiegend um Umplanungen, also um Vorhaben, die nach dem alten Planungsrecht nicht zugelassen werden konnten. Der alte Baunutzungsplan gehört eigentlich abgeschafft, weil darin stadtplanerische Ziele festgelegt wurden, die heute nicht mehr verfolgt werden: eine Trennung von Wohnen und Arbeit etwa oder eine Absenkung der Bebauungsdichte.

In den Ostbezirken löst Wohnungsbau vor allem dort Planbedarf aus, wo die bauliche Dichte erheblich erhöht werden soll oder wo Wohnungen auf gewerblichen, industriellen oder verkehrlichen Konversionsflächen geplant sind oder an Gewerbe- oder Industriegebiete heranrücken.

Immobilienunternehmen sind für eine Planungspflicht der Kommunen

„Solange Bauland Mangelware bleibt, weil die Kommunen zu wenig und zu langsam Bauland ausweisen, wird es keine gerechte Bodenpolitik und keine Lösung des Wohnraummangels geben“, sagt Christian Bruch, Geschäftsführer des BFW Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen. Akuter Wohnraummangel müsse daher zu einer „Planungspflicht der Kommunen“ führen.

In Berlin dauere ein Bebauungsplanverfahren inzwischen im Durchschnitt neun Jahre. Susanne Klabe, Geschäftsführerin des BFW-Landesverbandes Berlin/Brandenburg ergänzt auf Nachfrage: „Jedes Tun beginnt auf einem Grundstück, egal ob Wohnen oder Gewerbe. Dreht man hier den Hahn zu, entzieht man der Entwicklung einer Stadt im wahrsten Sinne des Wortes den Boden.“

83 senatseigene B-Pläne befinden sich im laufenden Verfahren, teilt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf Anfrage mit. Berlin ist eben „dazu verdammt, immerfort zu werden und niemals zu sein“. Das wusste Kunstkritiker Karl Scheffler schon 1910. Der Titel seiner sarkastischen Streitschrift: „Berlin – ein Stadtschicksal“.

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