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Die Zahl der Fertigstellungen im Mietwohnungsbau steigt kontinuierlich, aber sie deckt bei Weitem nicht die Nachfrage.

© imago/Seeliger

Wohnungsneubau: Rot-Rot-Grün droht zu scheitern

Zahl der Baugenehmigungen verharrt auf dem Niveau der Vorjahre 2016 und 2017.

Die Zahlen sind ernüchternd. In jeder Hinsicht. Berlins Wohnungen und Häuser sind im dritten Quartal 2018 über 12 Prozent teurer als vergleichbare Immobilien noch ein Jahr zuvor. Dies jedenfalls hat die Baufinanzierungsberatung Dr. Klein herausgefunden. Mit Blick auf das Vorquartal bremst die Dynamik zwar ab. Aber: Die Zunahme um 3,39 Prozent bei Wohnungen und knapp drei Prozent bei Häusern liegt nur geringfügig unter der des letzten Quartals.

So ist der Berliner Wohnungsmarkt weiterhin sehr angespannt. Es fehlen Wohnungen in hoher Zahl, darunter in erster Linie preiswerte Mietwohnungen. Angebotsdefizite auf hohem Niveau bestehen auch im mittleren Mietsegment. Eine Entspannung ist nicht in Sicht. Der zentrale Befund des „IBB Wohnungsmarktbarometer 2018“ bestätigt die schlechte Lage am Berliner Wohnungsmarkt. Als die größten Probleme am Mietwohnungsmarkt identifizieren die rund 200 Befragten die Baulandknappheit, die steigenden Nettokaltmieten und den Widerstand gegen neue Bauvorhaben. Die Baulandknappheit gewinnt bei den genannten Problemlagen im Vergleich zum Vorjahr noch einmal an Relevanz. Für zwei Drittel der Experten steht die Baulandfrage an oberster Stelle.

Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht, Besserung nicht in Sicht: Die Dynamik am Berliner Immobilienmarkt lässt sich am eindrucksvollsten mit Zahlen und Fakten beschreiben. Im ersten Berliner Miethaus-Marktbericht, den die Mähren AG – ein Immobilieninvestor – beim Beratungsunternehmen Bulwiengesa in Auftrag gegeben hat, steht es aktuell schwarz auf weiß: „Die Kaufpreise für Mietwohnhäuser in Berlin haben sich zwischen 2013 und 2017 mehr als verdoppelt – auf durchschnittlich rund 2325 Euro je Quadratmeter für reine Bestandsmehrfamilienhäuser. Bei Wohn- und Geschäftshäusern fiel der Anstieg ähnlich aus. Hier wurden im vergangenen Jahr durchschnittlich sogar 3700 Euro je Quadratmeter gezahlt.“ Der Preisunterschied erklärt sich vor allem durch die höheren Erträge gewerblicher Flächen. „In dem Marktbericht gehen wir detailliert auf die Gründe ein“, sagt Jakob Mähren, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Mähren AG, auf Anfrage: „Erstens hinkt das Angebot der Nachfrage hinterher. Zwar steigt die Zahl der Fertigstellungen im Mietwohnungsbau seit einigen Jahren kontinuierlich, sie liegt aber weit hinter dem benötigten Wohnraum für die wachsende Bevölkerung zurück. Auch zwischen den Baugenehmigungen und den Fertigstellungen klafft eine große Lücke; die Realisierungsquote liegt bei lediglich 54 Prozent.“

Der Blick auf Baugenehmigungszahlen lässt keine Trendwende erkennen

Zwar wird das Investitionsklima für den Neubau von Wohnraum sowie für Bestandsmaßnahmen und den Erwerb bestehenden Wohnraums von den IBB- Wohnungsmarktexperten derzeit positiv eingeschätzt. Doch der nicht befriedigte Nachfrageüberhang nach Wohnraum wird ebenso wenig aktiv abgebaut, wie der Nachfrage der Neuberliner nach Wohnraum begegnet wird.

Leistet wenigstens der öffentlich geförderte Mietwohnungsbau einen Beitrag zur Entlastung des angespannten Wohnungsmarktes? Hier ist das Meinungsbild der Experten gespalten. Jeder zweite von der IBB Befragte misst dem öffentlich geförderten Mietwohnungsbau einen mittleren bis sehr großen Beitrag zur Marktentlastung bei, die andere Hälfte allerdings nur einen geringen bzw. gar keinen. Als Gründe hierfür wurden die geringen Fertigstellungszahlen bzw. der zu geringe Anteil am aktuellen Neubau genannt.

Der Blick auf die aktuellen Baugenehmigungszahlen bis einschließlich August lässt keine Trendwende erkennen. Geschieht in den letzten Monaten des Jahres nicht noch ein Wunder, bleibt es bei rund 25000 Baugenehmigungen, die auch 2016 und 2017 in der Hauptstadt zu verzeichnen waren. Legt man die von Mähren erwähnte Realisisierungsquote von 54 Prozent als realistischen Maßstab an, wird deutlich wie weit Berlin davon entfernt ist, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Von 20 000 Neubauwohnungen pro Jahr war die Rede.

Ein Entspannungseffekt bleibe aus

Rot-Rot-Grün droht im Wohnungsneubau zu scheitern, die Zahl der Baugenehmigungen stagniert seit 2017 bei 25 000, die der fertig gestellten neuen Wohnungen bei 15 000“, sagt auf Anfrage Volker Härtig, Vorsitzender des Fachausschusses VIII „Soziale Stadt“ beim SPD-Landesvorstand Berlin. Ein Entspannungseffekt bleibe aus. „Im Gegenteil“, sagt Härtig: „Die Anspannung auf dem Wohnungsmarkt wird bis 2021 um mehr als 30 000 zu wenig gebaute Wohnungen zunehmen.“

Woran liegt es, dass es nicht schneller – oder richtig – vorangeht? Die Erklärungsmodelle sind bekannt, was das Lamento nicht erträglicher macht: „Besonders häufig nennen die Befragten spekulative Absichten, aber auch Kapazitätsengpässe in der Bauwirtschaft, komplexe Bauvorschriften oder Widerstände gegen neue Bauvorhaben“, sagt Jürgen Allerkamp, Vorsitzender des Vorstands der Investitionsbank Berlin (IBB). „Durch Gründe wie diese wird der dringend benötigte zusätzliche Wohnraum nur deutlich zeitversetzt oder gar nicht realisiert.“ Beim geförderten Mietwohnungsbau wünscht sich Allerkamp „einen größeren Beitrag der privaten Investoren“. Ein sehr frommer Wunsch angesichts der politischen Gemengelage.

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