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Nach dem Aus für den Berliner Mietendeckel gibt es für 1,4 Millionen Berliner Wohnungen wieder einen Mietspiegel. Ein neu erstellter qualifizierter Mietspiegel kann nach zwei Jahren mittels Verbraucherpreisindex oder Stichprobe als qualifiziert im Sinne des Gesetzes fortgeschrieben werden. Nach weiteren zwei Jahren muss der Mietspiegel, soll er als qualifiziert eingestuft werden, jedoch wieder neu erstellt werden.

© dpa/Annette Riedl

Wohnungsmarkt: Unqualifizierte Fortschreibung

Berlins neuer Mietspiegel könnte angreifbar sein/Ein Gastbeitrag

Nach dem krachenden Scheitern des Berliner Mietendeckels durch die höchsten Richter der Republik braucht die Hauptstadt wieder einen Mietspiegel. Die Senatsverwaltung Berlins plant, den alten qualifizierten Mietspiegel mittels Inflationsrate fortzuschreiben. Im Grundsatz erlaubt das BGB ein solches Vorgehen: Ein neu erstellter qualifizierter Mietspiegel kann nach zwei Jahren genau einmal mittels Verbraucherpreisindex oder Stichprobe für zwei weitere fortgeschrieben werden, um weiterhin als qualifiziert im Sinne des Gesetzes zu gelten.

Der Haken daran: Der qualifizierte Mietspiegel Berlin 2019 ist bereits eine Fortschreibung des Mietspiegels 2017 (durch Stichprobenziehung). Berlin hat also den vom Gesetzgeber zugestandenen Fortschreibungsspielraum für einen qualifizierten Mietspiegel bereits ausgeschöpft. Eine weitere Fortschreibung des 2019er Mietspiegels kann also nicht mehr den Titel „qualifiziert“ tragen, sondern führt zwangsläufig nur zu einem „einfachen“ Mietspiegel, der deutlich geringere Rechtsfolgen für Mieter und Vermieter nach sich zieht.

Sollte der Berliner Senat den geplanten Mietspiegel 2021 als „qualifiziert“ bezeichnen, müsste der Mietspiegel 2019 im Nachhinein zur Neuerstellung umdeklariert werden. Ein gewagtes Unterfangen! Denn die Vorbemerkung im Methodenbericht des Mietspiegels 2019 spricht eindeutig von einer Fortschreibung – Berlin würde ein weiteres Mal juristisches Neuland betreten.

Zwar ist die Fortschreibung des Berliner Mietspiegels 2019 in Höhe der allgemeinen Preissteigerung sinnvoll. Denn eine ganz kurzfristige Neuerstellung ist aufgrund des Aufwands nicht möglich. Zudem dürften zwischenzeitlich gedeckelte Mieten keine Berücksichtigung finden. Der Berliner Mietspiegel 2021 sollte dann aber als einfacher, nicht als qualifizierter Mietspiegel erlassen werden. Ansonsten droht die nächste gerichtliche Auseinandersetzung. Kein anderer qualifizierter Mietspiegel wurde vor Gericht so häufig zum einfachen Mietspiegel degradiert wie der Berliner. Dies sollte zumindest zum gründlichen Nachdenken anregen. Es ist ja schließlich nicht die Schuld der Kläger, wenn ein Mietspiegel einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhält.

Steffen Sebastian, Professor für Immobilienfinanzierung an der Universität Regensburg,  begleitet als Vorsitzender der Mietspiegelkommission der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (gif) das Thema seit mehreren Jahren aus wissenschaftlicher Sicht. Aktuell hat ihn der Deutsche Bundestag als Sachverständiger für das parlamentarische Verfahren zur bundesweiten Mietspiegelreform und weiterer mietrechtlicher Reformvorschläge bestellt.
Steffen Sebastian, Professor für Immobilienfinanzierung an der Universität Regensburg, begleitet als Vorsitzender der Mietspiegelkommission der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (gif) das Thema seit mehreren Jahren aus wissenschaftlicher Sicht. Aktuell hat ihn der Deutsche Bundestag als Sachverständiger für das parlamentarische Verfahren zur bundesweiten Mietspiegelreform und weiterer mietrechtlicher Reformvorschläge bestellt.

© Christian Buck

2021 also erst einmal nur ein einfacher Mietspiegel. Erst für 2023 sollte wieder ein qualifizierter Mietspiegel geplant werden. Hierbei wird in vielerlei Hinsicht Neues zu regeln sein, u. a. die Berücksichtigung der Mietspiegelreform. Dies ist die ideale Gelegenheit, auch in methodischer Hinsicht einen Neuanfang zu wagen. Auch der aktuelle Mietspiegel 2019 weist zahlreiche Mängel in Bezug auf die Wohnlagenverortung, die Erhebungsmethodik und die Auswertung auf. Zwar war der Mietspiegel 2019 bereits einmal vor Gericht und wurde diesmal nicht herabgestuft. Aus statistischer Sicht genügt er aber nicht den eigentlich geforderten wissenschaftlichen Ansprüchen. So ist unter anderem eine offensichtlich fehlerhafte Gewichtung nicht korrigiert worden. Allein dadurch sind die Mieten im Schnitt um etwa 1,10 Euro zu niedrig ausgewiesen. Andere Ungenauigkeiten bei Wohnlagen und Größenklassen machen den Mietspiegel schlicht ungerecht. Manche Mieten sind zu hoch, manche zu niedrig geschätzt. Und energetische Aspekte oder andere Eigenschaften werden trotz ausdrücklichen gesetzlichen Auftrags auch nicht berücksichtigt. Das sollte insbesondere die Grünen im Senat massiv stören.

Die Frage, ob der Berliner Mietspiegel 2019 und damit auch der aktuelle Mietspiegel qualifiziert ist oder nicht, wird schlussendlich wahrscheinlich wieder einmal vor Gericht entscheiden werden. Den ohnehin vom rechtlichen Durcheinander geplagten Mieter:innen und Vermieter:innen tut man damit wahrlich keinen Gefallen.

Berlin ist der größte Mietwohnungsmarkt Deutschlands. Es wäre daher nur angemessen, wenn Berlin auch in jeder Hinsicht den besten Mietspiegel Deutschlands hätte. Oder zumindest einmal einen guten.

Steffen Sebastian

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