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Sie kennt die (Wohn-)Lage. Petra Mai-Hartung (53), ist Geschäftsführerin des Studierendenwerks Berlin.

© Sandra Neumann

Wohnungsmangel bei Studenten: „Viele wohnen erst mal im Hostel“

Das Studierendenwerk Berlin vermittelt Wohnheimplätze – doch die Wartelisten sind lang, warnt Studierendenwerk-Chefin Petra Mai-Hartung.

Frau Mai-Hartung, wie viele angehende Studentinnen und Studenten sind zurzeit auf Wohnungssuche?

Beim Studierendenwerk Berlin warten gegenwärtig noch 4300 Studierende auf einen der 9400 Wohnheimplätze. Die Zahl der Wohnungen bewegt sich seit Jahren im Wesentlichen auf dem gleichen Niveau. Dagegen ist die Zahl der Studierenden in Berlin deutlich steigend. Waren im Wintersemester 2012/13 noch rund 160 000 Studierende eingeschrieben, sind es fünf Jahre später schon weit mehr als 180 000. Wie viele davon aber tatsächlich noch eine Wohnung suchen, kann ich nicht einschätzen.

Finden diese bis zum Beginn des Sommersemesters im April 2018 eine Bleibe?

Tatsache ist, dass nicht alle Studierenden, die aktuell auf der Warteliste stehen, zum Beginn des Sommersemesters auch einziehen können. Sehr viele Studierende sind auf Alternativen angewiesen. Viele nutzen persönliche Kontakte, soziale Netzwerke und Wohnungsportale im Internet, um eine Wohnung zu finden. Ich muss leider auch davon ausgehen, dass Studierende zunächst unter prekären Bedingungen wohnen werden müssen, wie bei Bekannten auf der Couch oder in einem Hostel. Das ist kein guter Start in ein konzentriertes und erfolgreiches Studium.

Welche Hilfen kann das Studierendenwerk Berlin (bis April 2017 Studentenwerk Berlin) den jungen Leuten anbieten?

Wir setzen neben unseren Wohnangeboten vor allem auf Information und Beratung. So haben wir auf unserer Homepage eine Wohnraumbörse eingerichtet, die helfen soll, faire Angebote privater Vermieter*innen – wir nennen sie deshalb ’Fairmieter’ – zu finden. Es gibt auf der Homepage auch Links zu den städtischen Wohnungsbaugesellschaften und anderen öffentlichen und genossenschaftlichen Anbietern. Daneben haben wir Anreize geschaffen, damit die Bewohner*innen der großen Wohnheimzimmer Solidarität zeigen und eine*n Mitbewohner*in aufnehmen.

Wie stehen die Chancen zum Einzug in eine der von Ihnen verwalteten rund 9400 Wohnungen?

Diese Frage lässt sich pauschal nicht beantworten. Wohnheimplätze werden meist durch Mobilität und Flexibilität der Studierenden kurzfristig verfügbar und können dann an den nächsten Bewerber vermietet werden. Erst mit Ende eines Semesters stellt sich heraus, wie viele Studierende aus dem Wohnheim ausziehen und wie viele Plätze frei werden. Diese werden sofort weitervermietet.

Vorausgesetzt, man steht auf der Warteliste: Wie lange beträgt die Wartezeit bis zum Einzug?

Gegenwärtig beträgt die Mindestwartezeit, auch wieder sehr davon abhängig, um welches Wohnheim es sich handelt, mindestens zwei Semester. Studierende sind gut beraten, vor der Bewerbung für eine bestimmte Wohnanlage zu checken, wie viele Plätze im Wohnheim zur Verfügung stehen. Gerade in sehr kleinen Wohnanlagen ist die Wahrscheinlichkeit gering, in einem angemessenen Zeitraum einen der wenigen Plätze zu bekommen. Dagegen sind die Chancen in größeren Wohnheimen deutlich höher.

Wie hoch ist die Miete für ein Zimmer im Studentenwohnheim?

Die Durchschnittsmiete beträgt aktuell 229 Euro einschließlich Möbel und aller Nebenkosten (Heizung und Strom). Die Mietspanne liegt zwischen 125 bis 380 Euro – auch wieder abhängig von der Größe und Ausstattung der Wohnung, der Lage des Wohnheims zur Hochschule beziehungsweise innerhalb der Stadt.

Wie bewerten Sie das Engagement von privaten Investoren für studentisches Wohnen?

Private Investoren haben erkannt, dass mit kleinem Wohnraum für Studierende eine hohe Rendite erzielt werden kann. Es werden 450 Euro oder mehr für ein kleines Zimmer aufgerufen, der Mietertrag für eine Vier-Zimmer-Wohnung kann sich so auf bis zu 2000 Euro Miete pro Monat belaufen. Das ist ein lukratives Geschäftsmodell. Das Studierendenwerk Berlin setzt dagegen auf Wohnungsangebote, deren Miete sich am pauschalen BAföG-Mietzuschlag von 250 Euro orientiert. Nicht alle Studierenden sind gut betucht, deshalb muss die Miete im Verhältnis zu den Einnahmen stehen – und damit auch für ausländische Studierende bezahlbar sein.

Bieten Großsiedlungen wie Marzahn oder Gropiusstadt Alternativen für junge Menschen, die am Ernst-Reuter-Platz oder an der Humboldt-Universität studieren?

Studierende wollen gern in der Innenstadt wohnen. Kieze mit einem hohen Anteil Studierender sind lebendig, kulturell interessant und machen für viele das typische Berliner Flair aus. Studierende müssen aber neben dem Studium auch einen oder mehrere Nebenjobs, die Wohnung und die Freizeit organisieren. Deshalb sind Campusnähe und eine gute Verkehrsanbindung wichtige Kriterien. Wohnen in der Innenstadt kann kein Privileg für Studierende sein. Wenn die sonstigen Rahmenbedingungen stimmen, bieten auch Großsiedlungen Alternativen.

Das Interview führte Paul F. Duwe

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