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Zwischen neun und zehn Millionen Eigentumswohnungen gibt es in Deutschland. Sie werden nicht nur von Eigentümern bewohnt, sondern auch von Mietern. Das neue „Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz“ betrifft sie alle.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Wohnungseigentum: Gesetzesnovelle wird verschoben

CDU und SPD reagieren auf Kritik von Eigentümern: Neues WEG-Recht erst nach der Sommerpause

Den Interessenverbänden der Wohnungseigentümer ist es gelungen, die im politischen Parforceritt vorangetriebene Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes (WEGesetz) zu verlangsamen. Die Diskussion wird noch einmal aufgemacht. Am Donnerstag trafen sich die Berichterstatter der Bundestagsfraktionen zu einem Vermittlungsgespräch: Die SPD wollte die dem Gesetz eingeschriebene künftige starke Stellung des Verwalters durch Kontrollmechanismen einschränken und hat dies auch durch Zugeständnisse der CDU erreicht. Die CDU wollte auf eine Absenkung der Quoren bei Umlaufbeschlüssen auf einfache Mehrheiten hinaus.

Ursprünglich sollte das vom Bundesjustizministerium vorgelegte Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) noch vor der Sommerpause in letzter Lesung vom Parlament verabschiedet werden. Danach sieht es nun nicht mehr aus. In der kommenden Woche soll es ein weiteres Gespräch der Berichterstatter geben, das allerdings noch nicht terminiert ist; die übernächste Woche ist die letzte Sitzungswoche des Deutschen Bundestages vor der Sommerpause.

Nach der ursprünglichen Planung sollten von der ersten Lesung am 6. Mai 2020 bis zur Beschlussfassung im Bundestag am 19. Juni gerade einmal sechs Wochen vergehen, in denen auch noch der Bundesrat einbezogen wurde.

Johannes Fechner (SPD), Obmann im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, sagte dem Tagesspiegel auf Anfrage: „Die Verwalterbefugnisse wurden im Gesetzentwurf zu weit gefasst, sodass wir sie nun im Außenverhältnis einschränken wollen.“ Der Verwalter dürfte künftig „keine Darlehensverträge ohne Beschlüsse der Eigentümer und ohne Rücksprache mit ihnen“ unterzeichnen. Weiterhin dürfe er ohne Beschluss – anders als bisher geplant – nur Geschäfte von untergeordneter Bedeutung tätigen. „Er darf also keine erheblichen Verpflichtungen für die Wohnungseigentümergemeinschaft eingehen“, sagte Fechner.

Streichen will die SPD aus dem Gesetzentwurf die Möglichkeit der Verhängung von Vertragsstrafen der Eigentümer untereinander. Das sei nicht erforderlich und bringe nur Unfrieden in die WEG, sagte Fechner. Die vorgesehene Regelung im Paragraf 21 Absatz 2, Satz 1 soll nach Fechner gestrichen werden: Nach dem Gesetzesentwurf sollten alle Wohnungseigentümer die Kosten einer baulichen Veränderung nach dem Verhältnis ihrer Anteile tragen, „die der Anpassung an den Zustand dient, der bei Anlagen vergleichbarer Art in der Umgebung üblich ist“. Luxusmodernisierungen auf Kosten nicht zustimmender Eigentümer wolle die SPD nicht, sagte Fechner.

Welche Kontrollrechte haben Eigentümer in Zukunft?

Auseinander liegen Union und SPD noch mit Blick auf den „Sachkundenachweis“ für Verwalter, die bisher ohne Ausbildung in ihrem Beruf tätig sein können. Das Wirtschaftsministerium sei gegen die gesetzliche Einführung eines Sachkundenachweises. Noch keine Übereinstimmung gibt es außerdem beim Thema Pflichtversicherung des Verwalters. Hier möchte die SPD, dass die Summe von 500000 auf eine Million Euro erhöht wird.

Jan-Marco Luczak, rechts- und verbraucherpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, bestätigte Fechners Darstellung des Gesprächs vom Donnerstag. „Als Union haben wir darauf bestanden, dass wir uns die notwendige Zeit nehmen und das Ansinnen des Bundesjustizministeriums zurückweisen, das Gesetz vor der Sommerpause durch den Deutschen Bundestag zu bringen.“ Im Übrigen sei „nichts vereinbart, wenn nicht alles vereinbart ist“.

Auf die Beschränkung der Außenvollmacht habe man sich in der Tat aber geeinigt. Es sei die CDU gewesen, eine Erheblichkeitsschwelle einzuführen, wenn es um die Rechte der Verwalter gehe. Noch nicht geeinigt und noch offen sei die Mehrheitsverteilung in den Eigentümerversammlungen. In jedem Falle gelte es, auch im Innenverhältnis die Eigentümerrechte zu wahren. Hier sei das SPD-geführte Bundesjustizministerium „noch Vorschläge schuldig“, sagte Luczak.

Wohnen im Eigentum: Ein Schritt in die richtige Richtung

Der Verbraucherschutzverband Wohnen im Eigentum (WiE) zeigte sich in einer ersten Stellungnahme erfreut, dass die Koalition Schritte in die richtige Richtung unternimmt. „Blieben sie allerdings in diesem Umfang, dann wären es nur Häppchen“, sagte Vorstand Gabriele Heinrich auf Anfrage: „Wesentliche Verbraucherforderungen, um die vielen festgestellten wesentlichen Risiken aus der Welt zu schaffen, würden damit nicht beseitigt. Zum Beispiel sind bei der Außenvertretung Darlehen nur ein Anwendungsfall, in dem Verwaltern den Eigentümergemeinschaften (WEG) Schäden zufügen können. Dauerschuldverhältnisse (langfristige Verträge) oder bedeutende Aufträge an die Bauwirtschaft könnten Verwalter immer noch ohne Wissen der Wohnungseigentümergemeinschaft vergeben. Wenn Verwalter künftig ohne Beschluss nur Geschäfte von untergeordneter Bedeutung tätigen dürfen, würde das nichts an ihrer Macht ändern, Verträge jeden Umfangs mit Wirkung für die WEG abzuschließen. Die Wohnungseigentümer würden immer erst zahlen müssen."

"Bezüglich der baulichen Veränderungen", so Heinrich weiter, "dachten wir, dass es ein Ergebnis der Anhörung war, dass die gesamten Paragraphen 20 und 21 überarbeitet werden müssen. Denn beide Paragraphen sind noch nicht vollständig durchdekliniert, bringen viele Unklarheiten sowie Risiken und können gerade für Sanierungen kontraproduktiv sein. Diese Probleme und Risiken sind mit der Streichung eines Unterpunktes nicht repariert. Und wo bleiben die Kontroll- und Eingriffsrechte der Wohnungseigentümer?"

Ein Viertel aller Wohnungen in Deutschland sind Eigentumswohnungen

Lothar Blaschke, Vizepräsident des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer e.V., sagte zur Reform auf Anfrage: „Wenn der Verwalter sich in Zukunft selbst beauftragen kann, wird er bei Baumaßnahmen doch keine Vergleichsangebote mehr einholen.“ Die alten Regelungen im Gesetz, die Rechte und Pflichten der Verwalter bestimmen, seien besser als die Neuregelung. Zudem, so Blaschke weiter: „Besser wäre es, gesetzlich einen Verwaltervertrag vorzugeben – damit beide Seiten, Verwalter und Eigentümer, wissen, woran sie sind.“

Der Interessenvertreter wies noch einmal darauf hin, dass es nicht sein könne, „dass zwei Eigentümer Wohl und Wehe von 20 bestimmen, wenn nur drei zur Eigentümerversammlung kommen“. Selbstnutzer könnten völlig ausgesteuert werden, wenn Mehrheitseigentümer ihre Vollmacht zum Beispiel dem Verwalter geben: „Kleine Eigentümer werden so zu Eigentümern zweiter Klasse.“ Die Trägheit von Eigentümern werde ausgenutzt.

Maßgeblich mitgearbeitet an dem Entwurf aus dem Lambrecht-Ministerium hat der Jurist Arnold Lehmann-Richter, Tagesspiegel-Lesern noch als Ratgeber aus der Rubrik „Vier im Recht“ in Erinnerung. „Ich bin selber Selbstnutzer einer Eigentumswohnung und verstehe die ganze Aufregung um die starke Stellung des Verwalters nicht“, sagte er im Gespräch mit dieser Zeitung: „Die Gefahr, dass Verwalter Missbrauch betreiben, die gibt es jetzt auch schon.“

Die Berichterstattung über das bei Eigentümerverbänden umstrittene Gesetz im Tagesspiegel, in der FAZ und in der Süddeutschen Zeitung bezeichnete der Professur für Privates Wirtschaftsrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (hwr) als „tendenziös“. Lehmann-Richter war nach Angaben des Bundesjustizministeriums vom 1. Januar 2019 bis 31. März 2020 im Umfang von fünfzig Prozent seiner Arbeitszeit an das BMJV abgeordnet. „Er hat in dieser Zeit die WEG-Reform mit vorbereitet, in der Bund-Länder-AG zur WEG-Reform mitgewirkt und auch am Gesetzentwurf mitgearbeitet“, teilte ein Sprecher des Justizministeriums auf Anfrage mit. Der Landesbeamte Lehmann-Richter ist seit Jahren regelmäßig vortragener Gast auf Veranstaltungen des Verwalterverbandes DDIV (umbenannt in VDIV), dessen Geschäfte Martin Kaßler führt. Auf dem 27. Deutschen Verwaltertag sollte und wollte Lehmann-Richter im September 2019 im Panel WEG-Recht über „Beschlussvorbereitung und Formulierung“ referieren. Er sagte den Vortrag jedoch wegen möglicher Interessenkollisionen ab. Ein knappes Jahr zuvor hatte ihn Kaßler zum DDIV- und KFW Fachsymposium Wohneigentum eingeladen. Lehmann-Richter berichtete dort über „Aktuelle WEG-Reformbestrebungen von Bund und Ländern: Was erwartet den Verwalter?“

Verwalterverband VDIV auf der Suche nach Einflussmöglichkeiten

Auch Kaßler dürfte sich über die aktuelle Presseberichterstattung über das Gesetzesvorhaben nicht freuen, zumal das Thema nun auch von den öffentlich-rechtlichen Medien entdeckt wird. Immerhin sind zwischen neun rund zehn Millionen Eigentumswohnungen betroffen, die auch von Mietern bewohnt werden. Das entspricht rund 25 Prozent aller Wohnungen in Deutschland. Report München und der Deutschlandfunk nahmen inzwischen Recherchen auf.

Martin Kaßler, Geschäftsführer des Verbandes der Immobilienverwalter Deutschland e. V. (VDIV, vormals DDIV).
Martin Kaßler, Geschäftsführer des Verbandes der Immobilienverwalter Deutschland e. V. (VDIV, vormals DDIV).

© VDIV

Der Bayerische Rundfunk, der am Dienstag  berichten will, plant für den Bericht eine Blitzumfrage unter Eigentümern zu Neuregelungen der Verwalterbefugnisse. „Diese Umfrage wird über den Verband Wohnen im Eigentum – der bekanntermaßen den Neuregelungen sehr ablehnend gegenübersteht und einen Machtmissbrauch befürchtet – breit gestreut“, schrieb Kaßler nach Tagesspiegel-Informationen an einen Landesverband von Haus & Grund.

Der Eigentümerverein ist über kommerzielle Töchter selbst im Verwaltergeschäft aktiv. Kaßler schlägt nun vor, Haus & Grund möchte die Beteiligungsmöglichkeit an der Umfrage des Bayrischen Rundfunks bitte „an „Ihre“ Eigentümer weiter(zu)leiten und sich – falls Sie selbst Eigentümer sind – ebenfalls an der Umfrage (zu) beteiligen“. Außerdem wäre es schön, schreibt Kaßler weiter, „wenn Sie uns die Antworten in Form einer Blindkopie an presse@vdiv.de ebenfalls zusenden könnten, damit wir sie als Argumente in der politischen Diskussion nutzen können.“

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