zum Hauptinhalt
Die Baustelle zum Neubau einer MUF Modulare Unterkunft für Flüchtlinge als Flüchtlingsheim- und Asylunterkunftsgebäude an der Salvador-Allende-Straße in Berlin-Köpenick. Ein Großteil der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kann sich keine teuren Wohnungen leisten. Sie ab dem 1. Juni Anspruch auf die staatliche Grundsicherung. Sie konkurrierten dann mit Hartz IV-Empfängern und anerkannten Asylbewerbern um Sozialwohnungen und Wohnungen im unteren Preissegment.

© picture alliance / ZB/euroluftbild.de/Robert Grahn

Wohnraummangel: Flucht aus den Modulen

Noch kommen viele Ukrainer bei Familie und Freunden unter – der Druck auf den Wohnungsmarkt aber wächst

Die Zahl der in Deutschland ankommenden Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine steigt weiter an – und bewegt sich auf die Zahl 400000 zu. Ein bevorzugtes Ziel, wegen der geografischen Nähe zur Heimat: Berlin. Einmal mehr erlebt die Hauptstadt eine Flüchtlingswelle. 2015 waren es in Deutschland vor allem Syrer, die Schutz suchen. 890000 Menschen registrierte damals das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Ende 2014 hatte es noch mit 400000 Flüchtlingen gerechnet, darunter 20000 in Berlin. Die prognostizierte Zahl wurde dann rasch auf 40000 korrigiert. Berlin meisterte diese Krise mit Mühe – Turnhallen mussten belegt werden, weil nicht ausreichend Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung standen. Und so ist es wieder.

Berlin hat gegen Ende April 2016 die Aufträge zum Bau von Containerdörfern für 15000 Flüchtlinge erteilt. Nach der Ausschreibung seien insgesamt sechs Firmen beauftragt worden, sagte Christian Breitkreutz, der damalige Sprecher der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), seinerzeit. In Staffeln sollten die Quartiere an 30 Standorten aufgebaut werden. An jedem Wohnplatz sollten rund 500 Flüchtlinge leben.

In einem Container können acht Menschen wohnen

Die Mittel in Höhe von 78 Millionen Euro seien damit komplett abgerufen, ergänzte der Sprecher 2016. In einem Container können auf 15 Quadratmetern Grundfläche bis zu acht Menschen wohnen. Geschlafen wird in Stockbetten. Es gibt auch sanitäre Einrichtungen und eine Küchenzeile. Die ersten beiden Quartiere sollten am 23. Juni 2016 an der Zossener Straße in Marzahn-Hellersdorf und am Bahnweg in Treptow-Köpenick eröffnen.

Blick auf ein Erweiterungmodul (MoDus) der Brodowin-Schule am 12. April in Berlin-Hohenschönhausen. Dem erhöhten Bedarf an Unterkunftsplätzen für Flüchtlinge soll auch durch den Bau modularer Wohneinheiten (MoDus) auf landeseigenen Grundstücken Rechnung getragen werden.
Blick auf ein Erweiterungmodul (MoDus) der Brodowin-Schule am 12. April in Berlin-Hohenschönhausen. Dem erhöhten Bedarf an Unterkunftsplätzen für Flüchtlinge soll auch durch den Bau modularer Wohneinheiten (MoDus) auf landeseigenen Grundstücken Rechnung getragen werden.

© Jörg Carstensen/picture alliance / dpa

Fünf neue Quartiere sollten Anfang August 2016 n der Wollenberger Straße in Lichtenberg, Siverstorpstraße und Rosenthaler Weg/Elisabethaue in Pankow, Am Oberhafen in Spandau und Gerlinger Straße/Buckower Damm in Neukölln entstehen.

Weitere Eröffnungen waren vor sechs Jahren Mitte sowie Ende September und Mitte Oktober geplant. Bei der Auswahl der Standorte spielten unter anderem Lärmschutz, Wasser-, Abwasser- und Stromanschlüsse eine Rolle.

Pläne aus den Jahren 2015 und 2016 würden wieder auf den Tisch geholt, wenn Bundestag und Bundesrat Änderungen im Baurecht beschlössen, sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska GIffey (SPD) in einem Interview des Senders rbb nun. Von 60 damaligen Vorhaben seien 27 verwirklicht worden, 33 seien also noch offen.

Viele Grundstücke des Bundes sind seit 2015 in Verhandlung mit dem Land Berlin

Eine Tagesspiegel-Anfrage bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) ergab, dass viele der Grundstücke, die der Bund 2015/16 zum Zweck der Unterbringungen von Flüchtlingen an Berlin verkaufen wollte, immer noch in Verhandlungen stehen.

Die aktuell angeschobenen Unterkünfte sind als Zwischenlösung für maximal drei Jahre gedacht. Hier sollen Menschen wohnen, die bisher in Turnhallen untergebracht sind. Die Quartiere gelten nicht mehr als Notunterkünfte. Die Container sollen in jedem Fall wieder abgebaut werden.

Im Unterschied dazu sollen an weiteren Standorten sogenannte modulare Unterkünfte gebaut werden, die bis zu sechzig Jahre Bestand haben können. Hier sind auch andere Nachnutzungen vorgesehen, zum Beispiel als Studentenwohnungen. Die Module lassen sich anders als Container vergrößern oder verkleinern.

Bei dem Wort „Modulbau“ denken die meisten an klobige und öde Massenware, an eine Art Lego für Erwachsene aus Beton und Stahl. Mit der Realität habe das aber wenig zu tun, sagt das Beratungs-, Planungs- und Projektmanagementunternehmen Drees & Sommer: Zeitgenössische Modulbauten hätten vielfältige Design- und Gestaltungsmöglichkeiten, seien bau- und energietechnisch optimiert und sähen dabei noch gut aus. „Weitere Pluspunkte ergeben sich auch dann, wenn Betreiber expandieren möchten: Durch die effiziente Baulogistik können Gebäude schneller erweitert oder auf einen anderen Standort übertragen werden“, sagt Tobias Golz, Experte für modularen Wohnungsbau.

Die Quadratmeterpreise der Module lagen 2015 bei rund 1500 Euro, wie es in Branchenkreisen hieß. Vergleiche mit Plattenbauten der 1970er und 1980er Jahre wollen die Hersteller nicht gelten lassen – man liefere nahezu komplett ausgebaut und in besserer Qualität.

Gebaut werden zu viele Apartments

Die Frage ist aber, welche Wohnungsgrößen – zum Beispiel – in Berlin angenommen werden. Hier ist der Bedarf an größeren, familientauglichen Wohnungen proportional größer als der an Singleapartments.

Harald Simons, Vorstand beim privaten Forschungsinstitut Empirica und Mitglied im Rat der Immobilienweisen, wies Mitte März in einem Podcast von „Immobiléros“ (Leipzig) darauf hin, dass es bei einer Entspannung des Wohnungsmarktes vor allem die kleinen Wohnungen seien, die in den Leerstand gehen. „Große Wohnungen sind eine Versicherung gegen Leerstand“, sagte er. Ohne die aktuelle Flüchtlingswelle werde mehr gebaut, als eigentlich gebraucht werde. Doch es sind vor allem Ein- und Zweizimmerwohnungen.

Sie erhöhen zwar die „Tonnage“, so Simons, also die Zahl der vom Bauministerium gewünschten Einheiten. Doch der Anteil größerer Wohnungen an den jährlich auf Bundesebene projektierten 400000 Wohnungen bleibt damit dennoch gering. Simons glaubt, dass sich in dieser zweiten Flüchtlingskrise in relativ kurzer Zeit viele Ukrainer auf das Land verteilen. „Der große Unterschied ist der, dass die ukrainischen Flüchtlinge ein Recht auf Arbeit haben“, sagt Simons: „Wir werden viele Doppelverdiener sehen, die schnell auf dem Arbeitsmarkt einen Job finden werden. Sie haben ein bisschen mehr Wahlfreiheit als die 2015er. In Ostdeutschland werden viele bleiben. Ich glaube, dass ein Ukrainer in einem sächsischen Dorf weniger Schwierigkeiten hat als ein Syrer.“ Das Institut Empirica (Berlin) rechnet mit einer Million Ukraineflüchtlingen in Deutschland.

Das private Forschungsinstitut Empirica rechnet mit Doppelverdienern, die sich auch teureren Wohnraum leisten

Simons glaubt nicht an Schockwellen auf dem Wohnungsmarkt durch die Flüchtlingswellen aus dem Osten. „Wir reden von 400000 zusätzlichen Wohnungen. Wir müssen auf dem Wohnungsmarkt keinen Kaltstart machen“, sagt er. Natürlich werde aber nicht jeder ukrainische Flüchtling eine Miete von 14 Euro pro Quadratmeter bezahlen können.

Fertige Hausmodule aus Beton, die der Tieflader liefert – das ist nur ein Lösungsversuch von Großstädten und Ballungsräumen, um die Wohnungsnot in ihren Vierteln zu bekämpfen. Denn dorthin drängt es Menschen aus den Kleinstädten seit Jahren. Und der Flüchtlingsandrang verschärft das Problem: Es sind ein zweites Mal – und noch einmal auch quantitativ mehr – Geringverdiener, die sich um die knappe Ware niedrigpreisigen Wohnraums bemühen. In den Innenstädten werden jedoch meist teurere Wohnungen gebaut. Wie 2015 geht die Preisrallye in die Verlängerung. Denn sobald Flüchtlinge eine Arbeit gefunden haben, verlassen sie die Gemeinschaftsunterkünfte und suchen Wohnungen – wie die Syrer, nachdem sie eine Arbeitserlaubnis erhielten.

Das Modul allein wird es aber nicht richten, meinen Fachleute. Der Bund verstärkt daher die Förderung für Sozialwohnungen. Bis sie gebaut werden, vergehen indes Jahre. So lange sind mit den Modulbauten Nachteile hinzunehmen: innenliegende Bäder, mitunter auch Küchen ohne Fenster, kein Keller, Flachdach, kleinere Fenster.

Die Ankunft von Kriegsflüchtlingen verschärft die Konflikte um preiswerten Wohnraum

Viele ukrainische Kriegsflüchtlinge werden nach Einschätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) auf längere Zeit wohnungslos sein. „Bei der Menge an Flüchtlingen müssen wir damit rechnen, dass nicht alle eine eigene Mietwohnung finden werden“, sagte Geschäftsführerin Werena Rosenke in Berlin. Ein Großteil der Menschen werde noch lange bei Familie und Freunden unterkommen oder in Unterkünften leben müssen, welche die Kommunen für Wohnungslose zur Verfügung stellen. Rosenke betonte, dass sich durch die Ankunft der Kriegsflüchtlinge der ohnehin bestehende Mangel an bezahlbarem Wohnraum in den Großstädten verschärfen werde. „Gerade in beliebten Regionen, in denen schon eine ukrainische Community vorhanden ist, werden günstige Wohnungen knapp werden.“ Als Beispiele nannte sie Berlin, die Rhein-Main-Region, Köln und München.

Der deutsche Mieterbund forderte Ende April angesichts des Zuzugs von Geflüchteten aus der Ukraine von der Bundesregierung verstärkte Anstrengungen bei der Beschaffung von bezahlbarem Wohnraum. Die ohnehin angespannten Wohnungsmärkte benötigten dringend Entlastung, sagte Verbandssprecherin Jutta Hartmann dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. Dafür müsse unter anderem der Anstieg der Mieten effektiv eingedämmt werden. Die Mietpreisbremse müsse verschärft und Mietwucher verhindert werden. (mit dpa und epd)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false