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Das Gebiet Buch – Am Sandhaus erstreckt sich zwischen der Wiltbergstraße und der Bahntrasse mit dem S-Bahnhof Buch im Osten, den landwirtschaftlich genutzten und teilweise unter Landschaftsschutz stehenden ehemaligen Rieselfeldern mit der sogenannten Moorlinse im Süden und der Hobrechtsfelder Chaussee im Nordwesten.

©  Dirk Laubner

Wohnen im Umland: Buch mit sieben Siegeln

Die Deutsche Wohnen entwickelt mit Senator Sebastian Scheel ein neues Stadtviertel auf dem ehemaligen Klinikgelände der Staatssicherheit in Pankow

Es mag einfach an diesem Ort liegen, dass hier im Bucher Forst vieles topsecret ist. An der Hobrechtsfelder Chaussee verrottet seit Jahrzehnten ein durch Bäume abgeschirmter Plattenbau. Hier betrieb die Geheimpolizei seit 1980 exklusiv für Stasi-Mitarbeiter ihr eigenes Krankenhaus. Die Einrichtung war universell ausgestattet und verfügte über knapp 300 Betten. Die Patienten wurden von insgesamt 650 Mitarbeitern betreut. Nur für dieses Krankenhaus standen zehn Krankenwagen zur Verfügung, erinnert die Stasi-Unterlagen-Behörde. Der Siebengeschosser befindet sich in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Regierungskrankenhauses für SED-Größen an der Kreuzung Wiltbergstraße. Seit 2007 stehen beide Gebäude nach dem Auszug der Helios Klinken leer – inzwischen reif für die Abrissbirne, tauglich nur noch als Filmkulisse für Abgründiges, für Mysteryserien.

Johanna Steinke, Sprecherin der Berliner Immobilienmanagement BIM, sagt auf Anfrage zum Stasi-Krankenhaus: „Bezüglich des Abrissgutachtens sind wir noch in der Abstimmung.“ Denkbar, dass EU-Mittel für den Abriss von Bauten beantragt werden, die Berlin verfallen ließ.

Nun soll an dieser Stelle und drumherum ab 2024 ein neues Stadtquartier entstehen, mit 2500 bis 3000 Wohnungen. Es heißt „Buch – Am Sandhaus“. Auf einer Gesamtfläche von rund 57 Hektar ist „ein lebendiges, sozial und städtebaulich gemischtes und mit dem Umfeld vernetztes, autoarmes Stadtquartier geplant“, schreibt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Sie hat die Planung 2020 an sich gezogen, die noch am Anfang steht: In der kommenden Woche startet das städtebauliche Gutachterverfahren. Projektleiterin Susanne Glöckner im Sonderreferat Wohnungsbau – noch neu in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung – würde auf Anfrage dieser Zeitung gerne über „ihr“ Projekt reden, nachdem sich Kollege Martin Kupfer im Referat I B („Flächennutzungsplanung und stadtplanerische Konzepte“) bereits reserviert auf Anfragen des Tagesspiegel-Grafikers nach den Grundstücksgrenzen gezeigt hatte. Sprechen dürfen beide nicht über das Projekt: Die Pressestelle der Senatsverwaltung möchte, dass alle Anfragen an sie gerichtet werden. Warum nur?

Diese Planung der neunziger Jahre reichte bis zur Straße "Am Sandhaus", setzte also den Abriss der unsanierten Platte auf der Südseite und einiger älterer kleinerer Gebäude voraus, nicht aber Abrisse auf der Nordseite, wo heute zwei große sanierte Platten (im Besitz der Howoge) und ein kleines Neubauquartier aus den 90er Jahren steht. Das gesamte Baugebiet der neunziger Jahre war Eigentum Berlins, wurde Ende der 90er Jahre an die GSW verkauft und gelangte von dort ins Eigentum der Deutsche Wohnen (DW). Das Gelände südlich der Straße "Am Sandhaus" ist weiter im Eigentum der DW. Es ist nicht bekannt, ob die DW selbst hier bauen will oder welche Absichten sie verfolgt. Ein großer Teil des nun geplanten Neubauvolumens kann nur auf dem DW-Gelände realisiert werden.
Diese Planung der neunziger Jahre reichte bis zur Straße "Am Sandhaus", setzte also den Abriss der unsanierten Platte auf der Südseite und einiger älterer kleinerer Gebäude voraus, nicht aber Abrisse auf der Nordseite, wo heute zwei große sanierte Platten (im Besitz der Howoge) und ein kleines Neubauquartier aus den 90er Jahren steht. Das gesamte Baugebiet der neunziger Jahre war Eigentum Berlins, wurde Ende der 90er Jahre an die GSW verkauft und gelangte von dort ins Eigentum der Deutsche Wohnen (DW). Das Gelände südlich der Straße "Am Sandhaus" ist weiter im Eigentum der DW. Es ist nicht bekannt, ob die DW selbst hier bauen will oder welche Absichten sie verfolgt. Ein großer Teil des nun geplanten Neubauvolumens kann nur auf dem DW-Gelände realisiert werden.

© Nils Klöpfel/Tagesspiegel

Ein Blick in die alten Planungen zeigt, weshalb. Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Die Linke) muss sich nämlich mit einem der von Enteignungsfantasten und Mietendeckel-Trommlern bestgehassten Unternehmen der Hauptstadt an einen Tisch setzen: Mit der „Deutsche Wohnen“. 2018 hatte sich auf Anregung der Interventionistischen Linken eine Initiative gegründet, um einen Volksentscheid herbeizuführen, dass die Deutsche Wohnen und weitere profitorientierte übergroße Wohnungsunternehmen in Berlin gemäß Artikel 15 des Grundgesetzes enteignet und ihre Wohnungsbestände vergesellschaftet werden sollen. Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ beantragte am 25. Januar die Durchführung der zweiten Stufe ihres Volksbegehrens. Die Deutsche Wohnen hält bundesweit knapp 170000 Wohnungen, davon rund 116000 im Großraum Berlin.

Zwei Wohnblöcke der Howoge stehen Neuplanungen im Wege

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass weder in der Presseerklärung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zum Projektauftakt von Mitte Dezember noch in einer Broschüre Berlins über „Buch – Am Sandhaus“ noch auf der Projekt-Homepage ein Wörtchen über diesen besonderen Verfahrensbeteiligten steht. Verständlich auch, dass darin die kommunale Howoge als Anlieger nicht erwähnt wird: Sie betreibt in der Straße Am Sandhaus – mitten im Planungsgebiet – zwei sanierte (und bewohnte) Plattenbauten. Diese stehen nebst etlichen Bäumen im Forst Neuplanungen im Wege. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen versicherte den besorgten Mietern unterdessen über einen Aushang, der dem Tagesspiegel vorliegt, dass die Blöcke Am Sandhaus 24-38 stehen bleiben sollen. Eine entsprechende Vorgabe wurde nach Angaben einer Sprecherin der federführenden Senatsverwaltung nun in das am 4. Februar gestartete städtebauliche Gutachterverfahren eingearbeitet.

Die große Entwicklungsfläche (Buch V – Moorheide) wurde vom ursprünglichen Eigentümer Berlin 1999 an die GSW verkauft, über deren Verkauf sie 2004 dann in die Hände der Deutsche Wohnen AG gelangte. Auf dieser Fläche war in den 90er Jahren ein Stadtteil mit etwa 3000 Wohnungen und Gemeinbedarfseinrichtungen geplant (siehe dazu die Grafik oben). Ein städtebaulicher Vertrag und weitere Verträge zur Realisierung wurden mit der GSW abgeschlossen und nach 2004 durch ein vereinbartes Moratorium ausgesetzt, aber nicht gekündigt. Inzwischen wurde an dieser Stelle der Flächennutzungsplan geändert und eine Grünfläche festgesetzt – mit der aus Unternehmenssicht unschönen Weiterung, dass die Deutsche Wohnen hier nicht auf einem Bruttobauland von 86 Hektar bauen darf. Sie dürfte im Zuge des neuen Projektes Buch – Am Sandhaus auf Kompensation drängen. Südlich der Straße Am Sandhaus verbleiben ihr immerhin noch Geländegewinne aus dem GSW-Verkauf.

Die Deutsche Wohnen freut sich auf die Zusammenarbeit mit Berlin

Zur Frage der Kompensation möchte sich die Deutsche Wohnen nicht äußern. Aber das Unternehmen freut sich auf Gespräche mit Sebastian Scheel. Der sagte dem „Neuen Deutschland“ zur Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“: „Ich stehe auf der Seite des Gemeinwohls und nicht auf der Seite der kapitalmarktgetriebenen Unternehmen.“ Deutsche-Wohnen-Sprecherin Romy Mothes sagt auf Anfrage: „Wir wollen hier eine große Zahl an Wohnungen bauen und so dazu beitragen, dem Wohnungsmangel in Berlin zu begegnen. Neben dem Land Berlin sowie der Howoge ist die Deutsche Wohnen am gesamten Projekt mit rund einem Viertel des Planungsgebietes beteiligt. Ein partnerschaftlicher Austausch rund um das Projekt Am Sandhaus besteht zwischen der Deutsche Wohnen sowie dem Senat. So wurde beispielsweise für den jetzt gestarteten städtebaulichen Wettbewerb die Deutsche Wohnen als Projektpartner in die Jury berufen.“ Das Unternehmen sieht sich als „maßgeblichen Partner des Projektes“. Das neue Wohnquartier sei verkehrlich über die S-Bahn gut angebunden.

Das Abgeordnetenhaus Berlin hat in seiner Sitzung am 08.03.2018 beschlossen, den Bereich "Buch - Am Sandhaus "als „Neueu Stadtquartier“ planerisch zügig vorzubereiten und mit der Umsetzung schnellstmöglich zu beginnen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen zog die Zuständigkeit für das Verfahren zur Entwicklung der Wohnungsbaupotenziale entlang der Straße Am Sandhaus und des ehemaligen Krankenhauses der Staatssicherheit Anfang 2020 an sich. Im August 2020 begann ein Rahmenplanverfahren für den gesamten Bereich Buch V - Am Sandhaus.
Das Abgeordnetenhaus Berlin hat in seiner Sitzung am 08.03.2018 beschlossen, den Bereich "Buch - Am Sandhaus "als „Neueu Stadtquartier“ planerisch zügig vorzubereiten und mit der Umsetzung schnellstmöglich zu beginnen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen zog die Zuständigkeit für das Verfahren zur Entwicklung der Wohnungsbaupotenziale entlang der Straße Am Sandhaus und des ehemaligen Krankenhauses der Staatssicherheit Anfang 2020 an sich. Im August 2020 begann ein Rahmenplanverfahren für den gesamten Bereich Buch V - Am Sandhaus.

© Nils Klöpfel

Rein technisch gesehen stimmt das. Doch sind die Züge, die heute – eingleisig – aus Bernau kommend in Buch einfahren, spätestens ab Buch voll. Schwer vorstellbar, dass hier Neu–Bucher in Stoßzeiten noch ihren Platz finden könnten. Pankows Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) warb deshalb – vergeblich – im Gespräch mit dem Tagesspiegel schon für Monaten dafür, in Buch einen Regionalbahnhof einzurichten. Pankow gehören, wie dem Land Berlin, ebenfalls Flächenanteile am Projekt Buch – Am Sandhaus. Aktuell möchten sich weder er noch der Bezirk äußern: Entsprechende Anfragen an Dienststellenleiter Tobias Schietzelt lässt die Pressestelle von Bezirksbürgermeister Sören Benn (Die Linke) unbeantwortet. In der Pankower Lokalpolitik gibt es grundsätzliche Widerstände gegen jedes weitere größere Bauprojekt. Indes hat Pankow die größten Entwicklungsreserven der Stadt, sowohl an Flächen wie auch im Flächennutzungsplan (FNP) - man denke nur an die Projekte "Pankower Tor" und "Blankenburger Süden".

Fragen der öffentlichen Personennahverkehrs ungeklärt

„Eine endgültige Entscheidung zum zweigleisigen Ausbau und zur Einführung des 10-Minuten-Takts zwischen Buch und Bernau müsste das Land Brandenburg treffen, das für diesen Streckenabschnitt zuständig ist“, sagt Jan Thomsen, Sprecher der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, auf Anfrage. Ein weiterer Regionalverkehrshalt in Buch – also zwischen Karower Kreuz und Bernau – würde die Reisezeiten für die durchfahrenden Fahrgäste verlängern. In einem möglichen Regionalbahnhof Buch seien lediglich zwei Züge je Stunde im Regionalverkehr realisierbar. Immerhin: Auf der S-Bahn-Linie S2 ist die Erhöhung der Zuglänge der Tageszuggruppe (Buch – Lichtenrade) von 6- auf 8-Wagen-Züge vorgesehen, also eine Kapazitätserweiterung um ein Drittel bei diesen Fahrten.

Von Februar bis zum Sommer werden nun Planungsteams städtebauliche Entwürfe erarbeiten, die in mehreren Phasen mit der Öffentlichkeit, den Eigentümern sowie der Jury, dem sogenannten Gutachtergremium, diskutiert werden.

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