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Das frühere Brauerei-Gelände war Heimat vieler Kreativer. Beim neuen Besitzer klopfen bereits Start-ups an.

© Reinhart Bünger

Willner-Brauerei in Pankow: Mit der Kunst am Ende

Die ehemalige Pankower Willner-Brauerei wird nach der Sanierung wohl nur noch an Unternehmen vermietet.

Die Fußball-Weltmeisterschaft kann starten. Im Biergarten der ehemaligen Willner-Brauerei wurde schon vor geraumer Zeit eine Großleinwand installiert. Sofern das Wetter mitspielt, dürfte hier wochenlang kein Platz frei bleiben. Es sitzt sich ja schön unter den Bäumen und vor der Backstein-Kulisse. Der Geräuschpegel der Bauarbeiten sollte auch nicht stören. Tagsüber werden die Spiele sowieso drinnen gezeigt, schon deshalb, weil es draußen zu hell ist. Und abends geben die Arbeiter ja Ruhe.

Seit Wochen sind die Sanierungs- und Abbrucharbeiten im Gang. Der neue Eigentümer Shaul Shani krempelt alle Gebäude aufwendig um. In zwei bis drei Jahren, so schätzt er, werde alles fertig sein.

Letztes Jahr hatte Shani die ehemalige Weißbier-Brauerei in Pankow dem Vorbesitzer Nicolas Berggruen abgekauft. Bis Ende Dezember konnten alle Künstler und Freiberufler in ihren Domizilen bleiben. Danach war für die meisten Schluss. Nur sechs Leute sind geblieben, sie sind aus den Remisen ins Zollhaus umgezogen. Darunter sind die Fotografinnen und Kuratorinnen Hannah Goldstein und Katja Haustein von „kaetha“. Derzeit zahlen sie die gleiche Miete wie vorher, die sechs teilen sich 450 Euro für rund 45 Quadratmeter Fläche. So richtig glücklich ist Goldstein trotzdem nicht. Erstens fand sie die früheren Räume charmanter. „Jetzt haben wir zwar Wasser und eine Küche“, sagt sie. „Aber wenn ich am Küchenfenster stehe, sehe ich draußen einen Berg Steine, wo vorher ein Haus war.“ Zweitens weiß sie nicht, wie es weitergehen, wie das Areal nach der Sanierung aussehen wird. Goldstein sorgt sich, dass es eine Art „zweite Kulturbrauerei“ werden könnte. Und das wäre ihr dann doch zu glattgebügelt.

Der Ziegelstein bleibt erhalten

„Es wird hier nicht Schickimicki“, versucht Shani die verunsicherten Gemüter zu beruhigen. „Das hier ist nicht der Ort für Luxusimmobilien.“ Dafür sei er selbst zu sehr Künstler, erklärt der frühere Choreograph und Tänzer. Andererseits sagt er, dass er sich die Sanierung eine Menge kosten lassen wird. Zahlen nennt er allerdings nicht. Genauso wenig erklärt er, was genau er unter Luxus versteht beziehungsweise wie das Gebäudeensemble später aussehen wird. Die Planungen seien schließlich noch nicht komplett abgeschlossen. „Es ist noch zu früh.“ Lediglich ein paar Details gibt der Investor bekannt. Klar ist etwa, dass ein Lichtschacht, „eine Art Artrium“ ins Kesselhaus kommen soll, außerdem werden Fenster eingebaut und aufs Dach kommt eine Lichtkuppel. Ebenfalls fest steht, dass der Ziegelstein an der Fassade der Remise erhalten bleibt. Beim Rundgang über das Gelände sind Bauarbeiter gerade dabei, die Steine zu sandstrahlen.

Die wenigsten Änderungen werden am Zollhaus vorgenommen. „Das Zollhaus bleibt wie es ist, der Flair bleibt der gleiche“, verspricht Shani. Ob er recht behält, wird sich zeigen. Immerhin kommen neue Fenster rein. Vor allem aber wird das Gebäude innen saniert, ein zweiter Fluchtweg wird eingerichtet, eine Heizung installiert, die Böden werden gemacht, die Elektrik.

Eine der gravierendsten Neuerungen muss der Eigentümer nicht groß kommunizieren, sie ist offensichtlich: Die beiden von der Berliner Straße aus gesehen vorderen Gebäudeteile der Remise wurden bereits dem Erdboden gleich gemacht. Dort seien aber, so Shani, sowieso nur Toiletten und Abstellräume gewesen.

„Jedes Detail wird mit dem Denkmalschutz abgestimmt“

Man wundert sich ein bisschen, dass abgerissen werden darf, wegen des Denkmalschutzes. Doch Shani erklärt, dass die Gebäudeteile unter Einzeldenkmalschutz stehen. Das heißt: Jene, die abgerissen wurden oder werden, stehen nicht unter Schutz. Bei allen anderen redet das Amt mit. „Jedes Detail wird mit dem Denkmalschutz abgestimmt“, sagt der Eigentümer. Die Behörde habe auch bestimmt, dass keine Wohnungen errichtet werden dürfen. Nach aktuellem Stand sieht es daher so aus, als ob die Brauerei künftig zu 100 Prozent Gewerbetreibende beheimaten wird. Für Künstler wird es hingegen eng. Die Gewerbesiedlungs-Gesellschaft GSG kämpfe zwar dafür, auch Kunstschaffende anzusiedeln. „Die wollen aber niedrige Mieten“, sagt Shani. Und die könne er nur gewähren, wenn der Senat Zuschüsse bewillige. Ob das klappt, steht aber noch in den Sternen.

Viele Fragezeichen stehen noch hinter den Plänen des Investors. Die Behörden geben eine rein gewerbliche Nutzung vor.
Viele Fragezeichen stehen noch hinter den Plänen des Investors. Die Behörden geben eine rein gewerbliche Nutzung vor.

© Reinhart Bünger

Ebenfalls abgerissen wird das Gebäudeteil am südlichen Ende, wo zurzeit noch der „Klub der Republik“ angesiedelt ist. Der Club werde auch keine neue Heimat auf dem Areal finden, sagt Shani. „Das passt nicht mehr.“ Ob die Pizzeria mit Biergarten bleiben wird, steht indes noch nicht fest. „Wir hängen hier zwischen den Stühlen“, sagt Dominique Zuschlag, der beide Lokalitäten betreibt. Bis September sei das Fortbestehen gesichert, was danach passiere, wisse er nicht. Zuschlag kann lediglich Mutmaßungen anstellen. Er glaubt, dass dort, wo jetzt noch der Club ist, ein neues Gebäude errichtet wird. Außerdem geht er davon aus, „dass sich Biergarten und Pizzeria stark verändern werden, sowohl was die Ausrichtung als auch die Größe angeht“. Gut möglich, dass er selbst dann nicht mehr weitermachen wird. Er würde zwar gerne bleiben. Die Frage sei aber, „ob man sich das finanziell noch leisten kann.“ Über die Miethöhen nach der Sanierung besteht nämlich ebenfalls noch keine Gewissheit. Shani lässt auch dies offen. Er sagt nur so viel: „Keine 30 Euro, alles menschlich.“

Ob es nach Fertigstellung für Künstler und Freischaffende wirklich menschlich zugehen wird, bleibt abzuwarten. Und wer braucht Künstler, wenn die Wirtschaft sich um die Flächen reißt? Laut Shani fragen die Unternehmen rege an, seit das Bauschild steht. Eine Rösterei sei interessiert, mehrere Start-ups hätten gefragt, eine Hochschule hätte Interesse bekundet. Noch vertröstet der neue Eigentümer alle. „Es ist noch zu früh“, sagt er. Es ist der Satz des Tages.

Sabine Hölper

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