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In Spindlersfeld ist nach dem Umbau der denkmalgeschützen Industrieruine in ein Wohnquartier mit Quadratmeterpreisen von 4500 Euro und mehr zu rechnen. Das fast dörfliche Flair der Ortslage dürfte dahin sein, wenn hier – etwa ab 2019 – rund 2000 neue Nachbarn einziehen.

© TST Klaus Theo Brenner Architekt

"Wasserstadt Spindlersfeld": Wohnen im VEB Blütenweiß

In Köpenick soll aus den Ruinen einer einstigen Großwäscherei ein Wohnquartier werden. Das Projekt kam viele Jahre lang kaum voran, jetzt stehen die Signale auf grün.

Die Spaziergängerin steht auf dem Pfad am Spreeufer, schaut hinauf ins grüne Blattwerk und lauscht offensichtlich ganz verzückt. „Hören Sie das?“, fragt sie. „Eine Nachtigall!“ Dichtes Gebüsch und hohe Bäume am Ufer, jenseits des Weges ein Bauzaun, dahinter mehr Büsche und Bäume – das Revier des kleinen Sängers. Durch den Gesang verteidigt er sein Territorium. Hinter dem Zaun soll die „Wasserstadt Spindlersfeld“ entstehen. Die Fertigstellung von mehr als 800 Wohneinheiten im Eigentum samt Bootsstegen war bereits für 2015 angekündigt. Doch das Vorhaben stockt weiterhin.

„Ich habe keine Ahnung, warum es nicht voran geht“, sagt die vogelkundige Spaziergängerin, die in der Köpenicker Ortslage Spindlersfeld wohnt. „Manche meiner Nachbarn sagen allerdings, der Boden sei verseucht. Schließlich war das mal eine Färberei.“

Aus dem "VEB Blütenweiß" wurde später Rewatex

Mit „das“ meint sie die imposanten, heute denkmalgeschützten Ruinen eines sogenannten Ringbaus aus rotem Backstein, der ab 1873 vom Unternehmer Wilhelm Spindler errichtet wurde. Der hatte das „Feld“ mit mehr als 11 Hektar Größe erworben, weil er seine „Anstalt zur chemischen Reinigung, Wäscherei und Färberei“ von Mitte an die Oberspree nahe Köpenick verlagern wollte. So entstand der zu seiner Zeit größte deutsche Wäschereibetrieb. Heute gilt er als Vorreiter der chemischen Reinigung in Deutschland. Anfang der 1920er wandelte die Familie das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft um, deren Mehrheit ab 1925 die Schering AG hielt. Zu DDR-Zeiten wurde – nach der Enteignung von Schering – aus dem Betrieb 1953 der VEB Blütenweiß, wenig später VEB Rewatex und nach der Wende die Rewatex AG. Die wiederum fiel der Kölner Larosé Hygiene-Service-GmbH zu – die 1995 den Standort Spindlersfeld dicht machte. Vandalen und Obdachlose waren die neuen Herren. Allein das alte Kutscherhaus und die frühere Poliklinik an der Ernst-Grube-Straße sind saniert worden und seit Jahren bezogen.

Die Fabrikruinen sind nur noch mit großem Aufwand zu retten.
Die Fabrikruinen sind nur noch mit großem Aufwand zu retten.

© imago/Christian Kielmann

Die Pläne für Wohnen auf der riesigen Brache erscheinen auf den ersten Blick zweifelsohne attraktiv. Vor allem die Lage besticht: direkt an der Spree, schräg gegenüber die Köpenicker Altstadt – und nur fünf Minuten Fußweg zur nächsten S-Bahn, mit der in 40 Minuten Berlins Mitte erreicht ist. Durchaus beeindruckend auch die Pläne des Architekturbüros Klaus Theo Brenner, nach denen auf dem Gelände mit einer 550 Meter langen Wasserlinie die „Wasserstadt“ entstehen soll. Mehr als 800 Lofts, Penthouses, Reihen- und Townhouses sind vorgesehen.

„Glanzvolle Industriearchitektur des 19. Jahrhunderts gepaart mit moderner Baukunst des 21. Jahrhunderts ergibt eines der spektakulärsten Bauvorhaben in Berlin“, wirbt der Investor, die Kanton Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH, und verspricht Luxus in allen Spielarten.

Eigentümer hat Bürgschaften vorgelegt

Die Erstellung eines Bebauungsplans braucht halt seine Zeit in Berlin. Denn nicht zuletzt haben auch die Bürger ein Wort mitzureden. Nun gibt es Licht am Ende des Tunnels. Auch wenn dieses Funkeln erst schwach zu sehen ist.

„Derzeit bereitet das Bezirksamt das Inkraftsetzen des Bebauungsplans vor. Nachdem der Projektentwickler nun nach längerer Zeit die im städtebaulichen Vertrag getroffenen Vereinbarungen erfüllt hat – u.a. Übergabe wichtiger Bürgschaften, die als Sicherungsinstrument vereinbart worden waren –, können die förmlichen Beschlüsse jetzt veranlasst werden. Sobald diese vorliegen, gehen alle Unterlagen an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen zur abschließenden Rechtsprüfung“, antwortet Köpenicks Stadtrat Rainer Hölmer (SPD), Leiter der Abteilung Bauen, Stadtentwicklung und öffentliche Ordnung, auf Anfrage. Für die Prüfung habe die Senatsverwaltung dann zwei Monate Zeit. „Sobald sie uns grünes Licht gibt, wird die Bezirksverordnetenversammlung BVV die abschließende Abwägungsentscheidung fällen und – davon gehe ich zumindest aus – den Bebauungsplan als Rechtsverordnung beschließen.“

Die Geduldsprobe für den Investor sowie den Vermarkter, die Metrople Marketing GmbH, wird also anhalten, bis der lange Weg durch die Instanzen beendet ist. Grund für Verzögerungen der Arbeiten war auch das Erstellen diverser Gutachten. Etwa zu Bienen auf dem Areal. Und zum Lärmschutz. Geräusche von der nahe gelegenen Güter- und Regionalbahntrasse in das Baugebiet hinein bescheren den Bewohnern der Neubauten nun Schallschutzfenster. Und weil das Bauvorhaben selbst Lärm nach sich zieht, soll die Zufahrt künftig über Asphalt statt über das alte Kopfsteinpflaster erfolgen. „Auch diese Vorschläge des Gutachtens werden umgesetzt. Der Vorhabenträger wurde mit dem städtebaulichen Vertrag dazu verpflichtet“, heißt es aus dem Bezirksamt.

Neubauten werden niedriger - wegen Verschattung

Zudem wurde von Anwohnern die Gefahr einer „Verschattung“ ihrer Häuser durch Bauten der „Wasserstadt“ befürchtet. Um einen Kompromiss wurde gerungen, die Geschosshöhe zum Teil verringert. Hölmer hält die gefundene Lösung „für sehr tragfähig“. Der Vorhabenträger sei den Nachbarn weit entgegen gekommen.

Da bei Rewatex viel mit Chemie hantiert wurde, ist auch Kontamination ein Problem. „Aufgrund der seit 1832 bestehenden industriellen Vornutzung u. a. als chemische Reinigung, Wäscherei und Färberei kam es zu Verunreinigungen des Bodens, der Bodenluft und des Grundwassers“, heißt es in einer Stellungnahme des Bezirksamts. Seit einem in 2014 erstellten Gutachten gab es bereits eine umfangreiche Sanierung des Grundwassers, „so dass bezüglich der geplanten sensiblen Nachnutzung (Wohnbebauung und Gärten) nach erfolgreichem Abschluss der Sanierungsmaßnahmen keine Bedenken bestehen“. Noch allerdings sind diese Sicherungsarbeiten nicht komplett abgeschlossen und entsprechend dokumentiert.

Zwölf Meter breiter Streifen für den Uferweg

Insgesamt sind also Auflagen zu erfüllen, die jedem Investor mehr als nur Kopfschmerzen bereiten dürften. Und es gibt noch mehr davon. Wie die zitierte Spaziergängerin wünschen sich auch zahlreiche andere Anwohner den Erhalt des grünen Uferweges für jedermann. Die bildlichen Darstellungen des Vermarkters der „Wasserstadt“ machen da nicht jeden froh. Sie zeigen wenig bis gar kein Grün, dafür viele Bootsstege. „Maßgeblich sind nicht die Visualisierungen, die der Vorhabenträger zu Werbezwecken nutzt, sondern allein die künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans und die flankierenden Regelungen im städtebaulichen Vertrag“, rückt Stadtrat Hölmer die Bilder zurecht. Entlang des Ufers enthalte der Bebauungsplan die Festsetzung eines zwölf Meter breiten Streifens, in dem die bestehenden Grünstrukturen zu erhalten sind. „Innerhalb dieser Fläche ist ein drei Meter breiter Geh- und Radweg textlich festgesetzt. Im städtebaulichen Vertrag hat sich der Vorhabenträger zum dauerhaften Unterhalt verpflichtet“, heißt es.

Eigentümer wollen Ärger vermeiden

Und was sagen die Macher der „Wasserstadt“ zu all dem? „Wir möchten keine Stellungnahme dazu abgeben“, sagt Manfred G. Hartwig, Geschäftsführer des Vermarkters Metropole, auf Anfrage. Er spreche damit auch für Sören Schwaar, Geschäftsführer des Investors Kanton. Man wolle im jetzigen „Endstadium des Genehmigungsverfahrens“ weiteren Ärger mit den Behörden vermeiden. Sie rechneten mit einer Baugenehmigung binnen der kommenden sechs Wochen, gibt sich Hartwig optimistisch. Für einen Fertigstellungstermin etwa der beiden „Spindlertowers“ (pro Tower 21 Ein- bis Vier-Zimmer-Wohnungen von 50 bis über 200 Quadratmeter Wohnfläche) hoffe er auf Dezember 2018, realistischer sei jedoch vielleicht doch das erste Quartal 2019.

Kommt es zu weiteren Verzögerungen, so bleibt eine Gewissheit: Die Nachtigall würde wohl so oder so drauf pfeifen.

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