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Ziemlich groß und ziemlich leer. Auf dem Gelände residierte einst das Betonwerk Berlin.

©  Paul F. Duwe

Wasserlage Köpenick: Hier hätte Berlin noch Platz für neue Wohnungen

Ein Areal an der Dahme wäre perfekt für Wohnungsbau. Doch der Bezirk möchte, dass es Gewerbegebiet bleibt.

Im Dreieck zwischen Dahme und Teltowkanal sprießen wilde Wiesen. Hier und da steht ein altes Auto, aus Bauschutthügeln wächst Unkraut. Wie vergessen rosten sandgefüllte Container vor sich hin. Auf dem alten Köpenicker Industriegelände an der Grünauer Straße ist irgendwie die Zeit stehen geblieben. Wäre das nicht ein Platz für neue Wohnungen?

So groß und recht verlassen das 30 Hektar große Gelände auch ist: Die Sache mit dem Wohnungsbau hat einen Haken. Die Fläche ist und bleibt Gewerbegebiet. Auf dem Grundstück residierte das Betonwerk Berlin, das Platten für das städtische Wohnungsbaukombinat produziert hat. Das im naturnahen Köpenick gelegene Areal galt als klassischer Gewerbestandort, lange genutzt zur industriellen Herstellung massiver Fertigteile für die Neubaugebiete Marzahn und Hellersdorf.

An der allgemeinen Zweckbestimmung Gewerbe hält das Bezirksamt Treptow-Köpenick auch nach dem Ende der Produktion eisern fest. Sabrina Kirmse, Sprecherin von Bezirksbürgermeister Oliver Igel, erklärt: „Das Bezirksamt setzt sich für den Erhalt der Gewerbeflächen auf dem ehemaligen Betonwerksgelände an der Grünauer Straße ein.“ Eine Wohnnutzung sei „unter den derzeit geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen dort unzulässig“.

Weiter sagt die Sprecherin: „Die Fläche ist berlinweit eines der wenigen großen zusammenhängenden Gewerbeflächenpotentiale und soll als solches entwickelt werden.“ Im Flächennutzungsplan für das Land Berlin ist das Areal als „gewerbliche Baufläche“ ausgewiesen. „Dem trägt auch die Aktualisierung des Stadtentwicklungsplans Industrie und Gewerbe mit dem Erhalt und der Sicherung der bestehenden Gewerbeflächen in vollem Umfang Rechnung“, so die Stellungnahme.

Wie das Areal aber genutzt werden können, dazu gibt es von Bezirksseite noch keine klare Festsetzung. „Dies wird derzeit in enger Abstimmung mit dem Senat geprüft“, heißt es lapidar. Auch für die Anwohner kommt Wohnungsneubau nicht in Frage. „Das Gelände soll auf jeden Fall Gewerbegebiet bleiben“, sagt Nils-R. Schultze von der AG Ortsgestaltung im Ortsverein Grünau.

Sammelsurium unterschiedlichster Nutzungen

Die einseitige Ausrichtung auf Wohnungsbau bringe lange Fahrstrecken zu den Arbeitsorten und Verkehrsprobleme mit sich. Deshalb sollten Gewerbegebiete innerhalb der Stadt erhalten werden. Auf der Fläche an der Grünauer Straße könnten freizeitnahe Branchen wie Bootsbedarf angesiedelt werden.

Im Moment gleicht die Situation vor Ort einem Sammelsurium unterschiedlichster Nutzungen. An die Herstellung großer Betonteile erinnern massive Träger und Stützen, die in die Höhe ragen. Produziert wird auch noch, jetzt aber unter anderem Stahlzäune. Außerdem auf dem weitläufigen Gelände: Reifendienst, Kfz- Stützpunkt, Malerbetrieb, DHL-Zustellbasis und ein Entsorgungsunternehmen.

Alte Straßenlaternen und kaum noch genutzte Bürogebäude aus Kombinatszeiten stehen unvermittelt im Raum. Nach Westen bildet eine hoch gelegene Bahntrasse die Grenze. Rattert ein Güterzug vorbei, wird es schon mal laut. Vorn an der Grünauer Straße, wo die Straßenbahn zwischen Köpenick und Schmöckwitz pendelt, kann man sperrige Dinge in einem großen Lagerhaus unterbringen.

Ein Wohnquartier am Wasser? Der Bezirk sagt Nein!

Für Schwertransporte mit Sattelschleppern ist der Standort nicht sehr geeignet. Die Grünauer Straße ist schmal und vollständig mit Tramgleisen belegt. Weiter südlich, an der Regattastraße, liegen Wohngebiete mit Tempo-30-Zonen. Dies sind keine guten Voraussetzungen für ein Industriegebiet.

Genau an dieser Problemlage wollte Eigentümer Antonio Samos Sanchez (ASS Consulting) – der entgegen einer früheren Berichterstattung des Tagesspiegels das Grundstück nicht verkaufen will – ansetzen. 2017 stellte er Pläne für 3000 Neubauwohnungen vor, viele davon sollten bezahlbar sein. Statt der nur mäßig genutzten Gewerbefläche wäre ein Wohnquartier am Wasser doch die bessere Variante, sagte er. Schon damals kam vom Bezirk ein klares Nein.

Gebaut wird allerdings in Grünau. Einen Kilometer entfernt an der Regattastraße entsteht das Quartier „52 Grad Nord“. Die österreichische Buwog Group errichtet auf dem früheren Areal von Berlin Chemie am Dahme-Ufer 1000 Wohnungen, meist als Eigentum. An dem architektonisch gemischten Stadtteil wird peu a peu weitergearbeitet, bis 2023. Nach und nach gehen einzelne Gebäude in den Verkauf. Ein alter Industriestandort wird zum Wohnquartier in bester Wasserlage.

Für den Verkehr an der Grünauer Straße bedeutet das eine Mehrbelastung, die schon angespannte Lage durch das Gewerbegebiet verschärft sich, es kommt zu mehr Staus am Bahnhof Grünau. Die Problematik sieht man im Bezirksamt, ohne bisher aber konkrete Lösungsvorschläge anzubieten.

Nils-R. Schultze schlägt eine Art Entlastungsstraße durch das Gewerbegebiet vor, wie sie früher schon gelegentlich provisorisch angelegt worden sei. So könnte der Verkehr auf der Wassersportallee eingedämmt werden, die zuletzt auch durch die Transporte für das Baustoff-Recyclingunternehmen auf dem Industriegelände belastet wurde. Ein Wunsch, den viele Grünauer teilen.

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