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Katrin Lompscher (Die Linke), Berliner Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, stellt Inhalte des Referentenentwurfs zum Mietendeckel vor.

© dpa/Kay Nietfeld

Unkalkulierbare Risiken: Was der Senat beim Mietendeckel nicht bedacht hat

Der Senat will überhöhte Mieten stärker regulieren. Das hat Folgen für Banken, Investoren, Mieter und Eigentümer.

Der rot-rot-grüne Berliner Senat will überhöhte Mieten für fünf Jahre einfrieren und bei Haushalten in finanziellen Notlagen auf Oberwerte senken. Am Donnerstagabend einigten sich die Koalitionäre auf einen abgeschwächten Referentenentwurf, den die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen nun den Verbänden zur Diskussion stellen will.

Die scharf kritisierten „Obergrenzen“ wurden korrigiert: Statt das Jahr 2011 werden nun Mieten aus dem Jahr 2013 zugrunde gelegt, hinzu soll ein Ausgleich kommen, vermutlich in Höhe der Inflationsrate seit dieser Zeit. Auch die Kritik daran, dass der Vorentwurf aus dem Hause Lompscher Kündigungen wegen Eigenbedarfs ausschließen wollte, wurde aufgenommen. Diese Passage ist gestrichen.

Die Debatte über das Vorhaben wird vor allem auf einer ideologischen Ebene geführt; die Fachzeitschrift „Das Grundeigentum“ (Berlin) veröffentlichte vor zwei Wochen ein aus der SPD lanciertes Papier zum geplanten Mietendeckel, das etliche Argumente – angereichert mit viel Verwaltungsinsiderwissen – gegen einen Mietendeckel diskutiert.

Was also spricht auf der sachbezogenen Ebene – nicht nur aus Sicht der SPD – für einen Mietendeckel, was dagegen? Welche Folgen könnte er nach sich ziehen, wenn der vor einer Woche bekannt gewordene Entwurf in dieser oder leicht abgewandelter Form Realität wird?

Folgen für das Umland

Der geplante Berliner Mietendeckel könnte für die Nachbargemeinden eine Herausforderung werden. „Das Umland muss die Folgen tragen“, sagte die Geografin Carolin Wandzik der Deutschen Presse-Agentur. Die Begrenzung der Mieten auf höchstens etwa acht Euro werde dazu führen, dass weniger neue Wohnungen in Berlin gebaut werden, Berliner und Zuzügler würden deshalb verstärkt am Stadtrand in Brandenburg suchen.

„Das wird für die Umlandgemeinden eine wirklich schwierige Aufgabe“, sagte Wandzik, die das private Gewos Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung in Hamburg leitet. Schon jetzt seien am Rand der Hauptstadt mancherorts Straßen und Bahnen voll sowie Schul- und Kitaplätze schwer zu finden.

Folgen für Berlin

Die Attraktivität Berlins für Zuzügler würde zunehmen: Wer lebt nicht gerne in einer Stadt auf dem Weg zur Weltmetropole, die preisgünstige Mieten zu bieten hat? Zugleich würde die Attraktivität Berlins für Investoren abnehmen, so Rainer Schorr, Geschäftsführer PRS Family Trust GmbH: Viele institutionelle Investoren, die ihr Kapital gern in den Bau von Wohnungen in Berlin investieren würden und die bei hinreichender Investitionssicherheit mit einer überschaubaren Verzinsung kalkulieren würden, nehmen ihre Interessen dann an anderen Standorten wahr. Es wird weniger gebaut.

Einar Skjerven, Geschäftsführer Skjerven Group, gibt zu bedenken, dass eine wirtschaftlich gesunde Stadt Investitionen braucht: „Vielleicht erinnern sich noch einige Berliner an die Zeit vor 2006, in der hier wenig investiert wurde, die Mieten niedrig waren und die Menschen trotzdem gingen, weil ohne Investitionen auch keine neuen Jobs entstanden. Die Frage ist doch, ob die Stadt wieder arm, aber sexy oder doch lieber wirtschaftlich gesund und attraktiv sein will.“

Die Werte der Immobilien sinken

Vom Mietendeckel erwartet die Branche erhebliche Auswirkungen auf den Markt und die Immobilienpreise. Hauptproblem seien die vorgesehenen Mietobergrenzen. Wenn die Kaltmiete einer Wohnung bislang bei 12 Euro pro Quadratmeter im Monat lag und künftig deutlich gesenkt werden muss, bedeutet das auch, dass der Wert der Immobilie entsprechend sinkt. Allerdings soll dies nach dem Referentenentwurf nur bei wirtschaftlichen Notlagen der Mieter der Fall sein. Wie viele Fälle das sein werden, wird im Zuge der Verbändeanhörungen geklärt.

Spekulative Investoren werden geschützt

Der Entwurf sieht eine Ausnahme bei „wirtschaftlicher Unterdeckung“ vor. Doch davon profitieren nach Einschätzung von Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der IREBS, Universität Regensburg, vor allem Investoren, die in den letzten Jahren zu hohen Preisen und mit aggressiver Fremdfinanzierung gekauft haben. Hier ist eine Unterdeckung wegen hoher Zins- und Tilgungsleistungen schnell erreicht. Genau die spekulativen Investoren, die man treffen wollte, werden also geschützt.

Probleme für Selbstnutzer und Banken

Negativ betroffen sind von einem Mietendeckel institutionelle Investoren wie Versorgungswerke oder Pensionskassen, da diese üblicherweise nur mit Eigenkapital kaufen. Besonders hart könnten aber Selbstnutzer betroffen sein. Wenn durch den Mietendeckel die Preise in Berlin sinken, sind die Banken auch bei laufenden Finanzierungen berechtigt, zusätzliches Eigenkapital zu fordern – oder den Kredit zu kündigen.

Schlimmstenfalls könnten auch Banken in Schieflage geraten, fürchtet Steffen Sebastian. Besonders gefährlich kann es vor dem Hintergrund werden, dass Deutschland derzeit in eine Rezession geht, die ohnehin eine Gefahr für die Immobilienpreise darstellt. Nun geraten die Preise auch noch gleichzeitig vonseiten der Wohnungspolitik unter Druck.

Weniger Geld für Pensionierte

Pensionskassen, Versicherungen, Versorgungswerke und andere institutionelle Anleger, die in den vergangenen 25 Jahren in Berlin zehntausende neuer Wohnungen gekauft haben, werden massive Abschreibungs- und Ausschüttungsprobleme bekommen, wenn sie statt zwischen zehn und 14 nur beispielsweise noch acht Euro je Quadratmeter bekommen.

„Wenn Versorgungswerke zwischen zwanzig bis fünfzig Prozent Einbußen bei den Einnahmen haben, dürfte dies nicht gerade motivierend sein, die nächsten Wohnungen in Berlin zu kaufen“, gibt Jürgen Leibfried, Vorstand der Bauwert Aktiengesellschaft, zu bedenken: „Das heißt, es wird zu einem massiven Rückgang des Mietwohnungsneubaus in Berlin kommen.“

Altersvorsorge von Eigentümern leidet

Rund ein Viertel aller Berliner Mietwohnungen gehört Privatpersonen, die sie sich als private Altersvorsorge zum Teil mühsam monatlich absparen. Bislang ist hier offensichtlich eine Folgenabschätzung überhaupt nicht erfolgt. Denn Instandsetzungen und Renovierungen werden zurückgefahren. Vermietete Wohnungen sind üblicherweise über Bankkredite finanziert.

Die Miete wird nahezu vollständig von Zins und Tilgung aufgebraucht. „Wenn sich der Mietertrag mit dem Mietendeckel signifikant reduziert, können Eigentümer schlicht und ergreifend ihre Kredite nicht mehr bedienen und haben ein massives Problem, wenn andere Rücklagen fehlen“, sagt auf Anfrage Esfandiar Khorrami, Rechtsanwalt und Partner bei Bottermann Khorrami LLP.

Mietern drohen Nachzahlungen

Der erste Lompscher-Entwurf des Mietendeckels galt für viele als verfassungswidrig, so jedenfalls Reaktionen nach dessen Enthüllung im Tagesspiegel. Falls die Verfassungswidrigkeit festgestellt worden wäre, hätten Mieter die zu wenig gezahlte Miete nachzahlen müssen. Bei einer Ersparnis von drei Euro pro Quadratmeter und Monat hätten das mehrere tausend Euro werden können. Das hätte bedeutet, dass viele Haushalte mit einem Schlag vor finanziellen Problemen gestanden hätten.

Gleichheitsgrundsatz ausgehebelt

Das Lompscher-Papier hätte nach Einschätzung von Juristen gegen den Gleichheitsgrundsatz aus dem Grundgesetz verstoßen. Es behandelt offensichtlich Ungleiches gleich. Kritiker sagen, Lompschers Aufschlag breche mit der bestehenden Systemlogik. Berlin hat seit vielen Jahren einen funktionierenden Mietspiegel, der unterschiedliche Merkmale einer Wohnung wie Alter, Ausstattung oder Größe berücksichtigt.

Mit dem Mietendeckel soll das alles nicht mehr gelten. Lage und Ausstattung der Wohnung vor Ort sollen keine Rolle mehr spielen.

Landesrecht bricht nicht das Bundesrecht

Auch ohne Mietendeckel sieht das Bundesrecht (§ 558 BGB, Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete) verschiedene Schutzmechanismen für Mieter vor, es gestattet jedoch auch Vermietern unter bestimmten Voraussetzungen, den Mietzins anzuheben. Mieterhöhung sind bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete zulässig – dies kann durch Landesrecht nicht ausgehebelt werden: Artikel 31 des Grundgesetzes enthält eine Kollisionsnorm in der föderalen deutschen Rechtsordnung. Danach bricht Bundesrecht das Landesrecht.

Besserverdiener werden bevorzugt

Durch den Mietpreisdeckel könnten mehr Eigentumswohnungen auf den Markt kommen: Die, die nun nur noch wenig Rendite versprechen, und die, deren Eigentümer in finanzielle Schieflage gekommen sind. Leisten können sich diese Wohnungen Besserverdienende, denn attraktive Modelle für den Erwerb von Eigentum werden Gering- und Normalverdienern nicht angeboten.

Die Mittel- und Oberschicht profitiert zudem von sinkenden Mieten, kann besser Rücklagen und Eigenkapital für den Erwerb von Eigentum bilden. Gewollt oder nicht fördert ein Mietendeckel so den Erwerb von Wohneigentum.

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