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Das ehemalige Heeresbekleidungshauptamt in Bernau ist aus unkaputtbarem Stahlbeton gebaut, der mit Backsteinen verklinkert wurde.

©  Reinhart Bünger

Umnutzung von Kasernen in Bernau: Hausputz in den Kleiderkammern des "Führers"

In Bernau werden Kasernen aus der Zeit des Nationalsozialismus in Wohnparks umgebaut. Für die Nebenstelle des Heeresbekleidungshauptamtes beginnt schon die Vermarktung. In ein bis zwei Jahren soll das Hauptamt folgen.

Wenn es neben Potsdam eine Boomstadt im Umland von Berlin gibt, dann ist es meine Stadt.“ Bürgermeister André Stahl ist stolz auf die Entwicklung von Bernau. Nach der Wende Anfang der neunziger Jahre hatte die Stadt rund 19.000 Einwohner. Heute sind es 38.500. Bernau ist nach Falkensee die am stärksten gewachsene Umlandgemeinde in der Hauptstadtregion.

Es wird so weitergehen, da ist sich der Linken-Politiker sicher: „Berlin wird gezwungen sein, den Großteil seines Wachstums an das Land Brandenburg abzugeben.“ Zumal die Stadt Berlin nicht in der Lage sei, „das Problem des Wohnungsneubaus auf ihrem Territorium zu lösen“, so der Bürgermeister. Die Verwaltungsstrukturen der Hauptstadt seien ineffizient, findet Stahl. Da sei die immerhin achtgrößte Stadt Brandenburgs anders aufgestellt. „Wir möchten in den nächsten fünf Jahren 2500 Wohneinheiten neu errichten.“

Es gibt eine Vielzahl von Projekten und damit keine Ausgabe der „Amtlichen Bekanntmachungen“, in denen den Einwohnern Bernaus nicht neue Bebauungspläne, Aufstellungsbeschlüsse für Wohn- und Gewerbegebiete oder Änderungen von Flächennutzungsplänen zur Kenntnis gegeben werden. So auch im Amtsblatt der Stadt Bernau vom 23. Mai. Hier geht es – unter anderem – um die Entwicklung eines Wohngebietes für circa 1500 Wohneinheiten „westlich der Schwanebecker Chaussee, ehemaliges Heeresbekleidungshauptamt“.

Bürgermeister André Stahl
Bürgermeister André Stahl

© promo

Viel Platz für Berliner, die das Weite suchen

„Der gestaltete Raum steht wegen seiner Architektursprache mit einer Kubatur in typischer NS-Form – mit Wasserfläche und zwei Wachhäusern – unter Denkmalschutz“, sagt Sylvia Hirschfeld, Leiterin des Stadtplanungsamtes Bernau. Das Gebiet umfasst 36,3 Hektar. Viel Platz für Berliner, die das Weite suchen.

„Viele Menschen wollen die Vorteile einer Metropole nutzen, ohne in ihr zu wohnen“, sagt Stahl. „Und es gibt Menschen, die dorthin ziehen wollen, wo die Welt noch in Ordnung ist.“ Bernau hat mit fünf Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote im Berliner Umland, es gibt – laut Stahl – keine Schule, die in den vergangenen Jahren nicht auf den neuesten Stand gebracht wurde. Etliche Kitas wurden neu gebaut. Denn pro Jahr werden 200 bis 250 Einfamilienhäuser in Bernau neu errichtet, „im Moment wächst die Stadt um 50 Einwohner monatlich“.

Bernau wird um einen neuen Stadtteil größer

Wenn in ein bis zwei Jahren damit begonnen wird, die unter Denkmalschutz stehenden ehemaligen Nazibauten umzubauen, wird Bernau um einen neuen Stadtteil größer. Denn Investor Gerald Breschke aus Langenhagen bei Hannover möchte hier 2000 Wohneinheiten errichten. Davon sollen ein Drittel in den Bestandsgebäuden, zwei Drittel in Neubauten entstehen.

In die solide Gebäudehülle lassen sich alle nur denkbaren Grundrisse einbauen.
In die solide Gebäudehülle lassen sich alle nur denkbaren Grundrisse einbauen.

© Andre Ullmann/dpa

Es sind vorläufige Zahlen, von denen hier die Rede ist. „Nach Vorstellungen der Stadt wird das überwiegend Geschosswohnungsbau sein“, sagt Breschke auf Anfrage. Man kennt sich aus mit Projekten dieser Art. „Wir sind Sanierungs- und Entwicklungsprofis – das sind unsere Themen“, sagt er. Die Planreife werde bis Ende 2017 angestrebt.

Der Projektentwickler hatte zuletzt der Donnerschwee-Kaserne in Oldenburg neues Leben eingehaucht. Hier exerzierte er auf einem 19 Hektar großen Areal vor, wie zivil Kasernen mit angebauten Balkonen aussehen können.

Das ehemalige Nebenamt ist bereits in der Vermarktung

So sollen die Gebäude der Nebenstelle am Pankebogen nach dem Umbau aussehen.
So sollen die Gebäude der Nebenstelle am Pankebogen nach dem Umbau aussehen.

© Abbildung: Nordland

Während für das Gelände des ehemaligen „Heeresbekleidungshauptamtes“ in Bernau die Planreife noch abgewartet werden muss, ist Breschke einen kurzen Fußmarsch entfernt schon einen Schritt weiter: Das ehemalige Nebenamt ist bereits in der Vermarktung, obwohl Bauarbeiter hier erst ab Herbst strammstehen sollen. Mit der Beräumung des Geländes wurde eben erst begonnen.

„Pankebogen“ heißt das Projekt, es steht nicht unter Denkmalschutz. Dennoch bietet auch diese Projektentwicklung steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten: Sie liegt in einem Sanierungsgebiet. Russischen Streitkräften war hier ein umweltschädliches Malheur passiert: In der Reinigung waren chemische Flüssigkeiten in das Grundwasser gelaufen. Durch die Havarie liefen leicht lösliche chlorierte Kohlenwasserstoffe (LCKW) aus und verseuchten das Grundwasser bis zu einer Tiefe von rund 40 Metern. Einige der Lösungsmittel gelten als krebserregend. Ein Sanierungsfall, an dem seit Jahren gearbeitet wird.

Das zweitgrößte bewohnte Gebäude Deutschlands

„Die Reinigung des Grundwassers läuft sehr erfolgreich“, sagt Breschke und betont, dass die Liegenschaften des „Pankebogens“ davon nicht betroffen seien. Seine „Am Stadtpark Bernau GmbH & Co. KG“ wirbt mit einem Kaufpreis ab 2400 Euro pro Quadratmeter: „Investoren profitieren von einem Preisniveau, das der Markt so nicht bereithält. Investoren kaufen zu unschlagbar günstigen Preisen“, heißt es im Verkaufsflyer. In Berlin werden inzwischen mindestens 3500 Euro im Neubau für den Quadratmeter aufgerufen.

Trautes Heim am Kasernenhof: So idyllisch malt der Projektträger die Zukunft der Gebäude.
Trautes Heim am Kasernenhof: So idyllisch malt der Projektträger die Zukunft der Gebäude.

© Nordland

Der „Pankebogen“ besteht aus acht Einzelgebäuden von jeweils 550 Metern Länge, die in einem Viertelkreis angeordnet sind. „Nach Tempelhof wird das dann das größte bewohnte Gebäude Deutschlands“, sagt Michael Junghans, Vorsitzender des Vorstands des Vereins Panke Park. Die Blöcke des ehemaligen Nebenamtes sind nämlich über einen gemeinsamen Keller miteinander verbunden. Junghans vergleicht den „Pankebogen“ in seinen Dimensionen gerne mit Prora, der Anlage des ehemaligen „KdF-Seebades“ Rügen.

500 Wohnungen rund um den Teufelspfuhl

Junghans habe den Deal mit Breschke eingefädelt, sagt Bürgermeister Stahl. Neben dem Wohnprojekt mit rund 500 Einheiten soll eine Parkanlage mit dem „Teufelspfuhl“ als zentraler Wasserfläche entstehen. Dort liegt auch der Quellstein der Panke. Darauf lässt sich in jeder Hinsicht aufbauen. Doch noch ist hier Angeln und Baden wegen der Grundwasser-Kontamination strengstens verboten.

Das Gelände ist etwa 21 Hektar groß. Die acht ursprünglich militärischen Gewerbebauten bieten eine Fläche von etwa 65 000 Quadratmetern. In den ersten drei Jahren nach dem Krieg hätten die Russen hier das Reparationsgut aus Deutschland gesammelt und schließlich abtransportiert, erzählt Stahl. „Wir warten noch auf die Genehmigung des Flächennutzungsplanes“, sagt Junghans, „das wird ein wunderbares innerstädtisches Wohnquartier. Die Musterwohnung wird in der nächsten Woche fertig.“ Architekt der neuen Wohnanlage ist Goran Markovic aus Augsburg.

Zehn Minuten sind es laut Bürgermeister zu Fuß bis zum S- und Regionalbahnhof Bernau – 18 Minuten dauert die Fahrt von hier aus mit dem „Regio“ zum Hauptbahnhof, 35 Minuten werden es etwa zum Flughafen BER sein. Wer sich richtig taktet, ist schnell in der Hauptstadt.

Chronik des Heeresbekleidungshauptamtes

Was für ein Akt: Unter den Armeeangehörigen waren möglicherweise auch Kubisten.
Was für ein Akt: Unter den Armeeangehörigen waren möglicherweise auch Kubisten.

© Reinhard Bünger

Die Wehrmacht unterhielt von 1938 bis Kriegsende in Bernau ein Heeresbekleidungshauptamt in der Schwanebecker Chaussee und ein Nebenamt im Schönfelder Weg. Rund 1300 Mitarbeiter sollen hier beschäftigt gewesen sein.

Das Nebenamt besteht aus acht im Halbkreis angeordneten Gebäuden mit zirka 65.000 Quadratmetern Nutzfläche. Hier wurden Uniformen und weitere Ausstattungsgegenstände für alle Waffengattungen hergestellt und gelagert.

Nach dem Krieg nutzte die damalige sowjetische Armee (später GSSD) den Komplex als Nachschub- und Versorgungsdepot. Neben der Lagerung von Uniformen und Zubehör wurden eine Näherei und eine chemische Reinigung betrieben.

1965 kam es in der Reinigung zu einer Kontamination von Boden und Grundwasser. Der Schaden war so groß, dass das nahe Wasserwerk geschlossen werden musste. Eine Versuchsanlage soll die Basis für ein Sanierungskonzept liefern.

Nach dem Abzug der sowjetischen Streitkräfte 1991 vom Gebiet der ehemaligen DDR verfiel das als Sperrgebiet ausgezeichnete und bewachte Gelände des Nebenlagers. Eigentümerin war seit 1994 die Brandenburgische Boden Gesellschaft für Grundstücksverwaltung und -Verwertung (Wünsdorf).

Seit 2003 werden mit Förderung des Bundes sowie der Europäischen Union durch Vermittlung des Sozialamtes halbjährlich etwa 20 Arbeitskräfte auf diesem Gelände mit Aufräumarbeiten beschäftigt.

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