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Verdichtung liegt im Trend. In Ballungsräumen muss platzsparend gebaut werden.

© Franziska Koark/dpa

Studie "Wirtschaftsfaktor Immobilien 2017": "Die Kommunen müssen die Baulandvergabe beschleunigen"

Eine neue Studie macht deutlich: Der massive Zuzug wird für viele deutsche Städte zur Belastungsprobe.

Drangvolle Enge: Immer mehr Menschen zieht es zum Arbeiten und Leben in die deutschen Großstädte. Doch der Platz ist knapp. Deshalb wird mancherorts verdichtet bis zum Gehtnichtmehr. Parkplatzmangel, überfüllte Busse und Bahnen, knappe Kitaplätze: Der massive Zuzug wird für viele Städte in Deutschland zur Belastungsprobe. Sie müssen kräftig Wohnraum schaffen und die Infrastruktur rasch ausbauen – und stoßen dabei zusehends an ihre Grenzen. Weil geeignetes Bauland Mangelware ist, wird auf „Nachverdichtung“ gesetzt. Diese Entwicklung wird weiter deutlich an Dynamik zunehmen. Das zeigt eine Studie, die in dieser Woche in Berlin vorgestellt wurde.

Die Studie „Wirtschaftsfaktor Immobilien 2017“, die von der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung (gif) und den großen Immobilienverbänden BID, Haus & Grund und DV am Mittwoch präsentiert wurde, zeigt erstmals Besonderheiten des deutschen Immobilienmarktes im internationalen Vergleich auf.

Die Kluft zwischen angesagten Stadtteilen und städtischen Problemvierteln wächst

Der deutsche Immobilienmarkt sei mit einem Vermögenswert von 11,2 Billionen Euro nicht nur ein Stabilitätsfaktor der deutschen Volkswirtschaft, sondern bilde aufgrund seiner besonderen Struktur zunehmend einen wirtschaftlichen Anker für ganz Europa, sagten die Autoren Michael Voigtländer (IW Köln) und Tobias Just (IRE|BS, Universität Regensburg) in Berlin. Deutschland verfügt über das größte Immobilienvermögen in Europa. Und die Wohneigentumsquote stieg in Deutschland in den vergangenen Jahren – wenn auch nur leicht. Sie liegt aber mit etwa 45,5 Prozent im europäischen Vergleich noch immer am unteren Rand und stagnierte zuletzt, bzw. geht für die jüngeren Altersgruppen unter 45 Jahren seit 2013 sogar leicht zurück.

„Mit Blick auf die Vermögensbildung kann dies einen Nachteil für deutsche Haushalte bedeuten“, warnen die Autoren. Nach Angaben von Haus&Grund- Präsident Kai Warnecke gehen drei Viertel aller Neubauten auf die Initiativen privater Einzeleigentümer zurück. Mit einem Durchschnittswert von 125 000 Euro verfügen deutsche Haushalte im internationalen Vergleich über ein relativ geringes Immobilienvermögen. Es liege im europäischen Vergleich unter dem Durchschnitt, sagte Voigtländer. Besonders stark gewachsen aber ist in Deutschland der Markt für Immobilienaktien. Die höchsten Eigentümerquoten gibt es übrigens in den ehemals sozialistischen Übergangsländern.

„Dynamische und hochpreisige Märkte mit erheblichem Neubaubedarf stehen in Deutschland Schrumpfungsregionen mit Preisverfall, Leerständen und Rückbaubedarf gegenüber“, sagte zur Studie Rolf Buch, Vizepräsident des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung (DV) als Herausgeber der Studie. Mancherorts wachse die Kluft zwischen angesagten Stadtteilen und städtischen Problemvierteln. „Hier wünschen wir uns eine einheitliche Bundespolitik, die den regionalen Ausgleich und die Stabilisierung sozialer Brennpunkte unterstützt", sagte Buch. Der Hintergrund: Oft sind es gerade Projekte für einfache Wohnungen, die bei den Anwohnern auf Ablehnung stoßen. Denn nach der Fertigstellung wird teils auch der Einzug schwieriger Klientel befürchtet. Die Wohnungsunternehmen stellt der nachbarschaftliche Widerstand vor zusätzliche Probleme. Schon seit Jahren klagen sie über hohe Baukosten, Flächenmangel und ausufernde Bauvorschriften.

Wohnungsgenossenschaften werden immer beliebter

Umgekehrt sind auch schicke Luxus-Neubauten und Edel-Sanierungen bei weitem nicht überall willkommen: Alte Bausubstanz kaufen, sanieren und zu deutlich höheren Preisen weiterverkaufen, dieses Vorgehen von Investoren heizt die Gentrifizierung in Bezirken wie Friedrichshain-Kreuzberg oder Pankow seit Jahren an.

Die angesprungene Neubautätigkeit folgt der Nachfrage mit einer erheblichen Wirkungsverzögerung. „Immobilienmärkte reagieren langsam, zäh – hektische Bewegungen sind eher schädlich“, sagte Studienautor Tobias Just mit Blick auf das ordnungspolitische und offenbar vollkommen ungeeignete Instrument der „Mietpreisbremse“. Und so werden zunächst die Leerstände weiter abgebaut, nicht nur in Berlin.

Nach einer Prognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt-, und Raumforschung auf Ebene der kreisfreien Städte und Landkreise (2013) wird die Entwicklung der Wohnflächennachfrage in den Fortzugsregionen weiter schwach ausfallen. Außer in und um Berlin dürfte sie bis in Jahr 2030 im Osten deutlich schwächer wachsen als im Westen. Wie die abgebildete Grafik zeigt, finden sich die dynamischten Regionen in und um die großen Metropolregionen wie München, Hamburg, Rhein- Main, Region Freiburg und eben Berlin.

Menschen mit schmalerem Geldbeutel können da vielerorts nicht mithalten. Um sich gegen den Kostenanstieg zu stemmen, tun sich immer mehr Bewohner in den Großstädten zusammen: Wohnungsgenossenschaften erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Die Anteilseigner wollen sich damit vergleichsweise günstigen Wohnraum sichern und haben zugleich Mitspracherechte, aber auch die Pflicht zur Mitwirkung an gemeinschaftlichen Zielen.

"Die neue Bundesregierung muss Bauen schneller und kostengünstiger machen"

Allerdings ist die Nachfrage bei bereits bestehenden Genossenschaften oft weit größer als das Angebot.

Deshalb macht beispielsweise auch die Frankfurter Wohnungs-Genossenschaft auf ihrer Website wenig Hoffnung: „Momentan könnten leider nur Wohnungssuchende versorgt werden, die schon Mitglied sind oder Fürsprecher in den Reihen der Genossenschaft haben“, heißt es auf der Website. „Wir sind leider hoffnungslos überzeichnet, tragen Frankfurt im Namen und würden gerne so viel mehr Frankfurter versorgen.“

„Was wir deshalb brauchen, ist eine Senkung der Grunderwerbsteuer durch die Länder auf ein bundesweites, investitionsfreundliches Niveau von 3,5 Prozent", forderte der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID), Andreas Ibel, anlässlich der Präsentation der Studie. „Zudem müssen die Kommunen die Baulandvergabe und das Planungsrecht beschleunigen und vereinfachen, ebenso wie die Verfahren im Planungsrecht. Neben Ländern und Kommunen ist hier auch die neue Bundesregierung gefragt, um Bauen in den heterogenen deutschen Immobilienmärkten einfacher, schneller und kostengünstiger zu machen. Wir brauchen eine Rückkehr zur Einfachheit. Wir haben mit 400 000 Einheiten pro Jahr ein klares Ziel – aber ein viel zu komplexes Regelungswerk.“

(mit dpa)

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