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(Ganz) schön schlicht. „2030“, so heißt es in dem Papier zum Beispiel zu Wedding, habe der Bezirk „auf das aufgebaut, was 2014 bestand“.

© Doris Spiekermann-Klaas

Stadtentwicklungskonzept 2030: Visionen für den Wandel

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will in elf „Transformationsräumen“ neue Impulse setzen.

Ein neues Zauberwort der Stadtentwicklung heißt Transformation. Bisher gehörte der für eine Umformung stehende Begriff zum Vokabular der Genetik, der Linguistik und der Soziologie. Jetzt hält er Einzug in die Stadtentwicklung – und soll helfen, Berlin in die erste Liga der Metropolen aufsteigen zu lassen.

Im vergangenen Monat veranstaltete die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt das 4. Stadtforum 2030 und brachte eine Broschüre heraus, in der das Leitbild dieses gewaltigen Unternehmens formuliert wird. Neben riesigen „Baustellen“ wie der sozialen Stadt und der Reaktion auf den demografischen Wandel benennt das Strategiepapier auch elf Gebiete, in denen die Politik besondere Impulse für die städtische Weiterentwicklung setzen will.

Es überrascht nicht, das diese „Transformationsräume“ Mitte, die City West, Neukölln, Wedding und Tempelhof sind, außerdem die Technologie- und Wissenschaftsstandorte Tegel und Schöneweide-Adlershof. Weitere Wachstums- und Innovationsräume sind laut Plan Spandau, Marzahn-Hellersdorf, der Berliner Südwesten und Buch.

Was dagegen schon verwundert ist die Schlichtheit der Visionen für diese Orte. So heißt es über Wedding: „2030 hat Wedding auf das aufgebaut, was 2014 bestand, und ist ein etablierter Ort, der urbanes Wohnen, Dienstleistung, Wissenschaft und Kultur vereint.“ Und die Zukunft eines zweiten Transformationsraumes wird wie folgt beschrieben: „2030 sind Stadtspree und Neukölln internationale Vorzeigeprojekte für die gelungene Integration von Neuem und Altem, Wohnen und Arbeiten, Temporärem und Langfristigem.“

Schaffung bezahlbaren Wohnraums ist das A und O

Der Stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer, Christian Wiesenhütter, sieht in den Transformationsräumen aktuell eher „erste Entwicklungsüberschriften“. Eine erfolgreiche Umwandlung hinge vor allem davon ab, „inwieweit es gelingt, günstige und moderne Wohnungen für die unterschiedlichsten Wohn- und Lebensformen aller Generationen zur Verfügung zu stellen.“ Hier sieht er die Politik gefordert: „Gemischt genutzte Quartiere können nur entstehen, wenn auch öffentliche Grundstücke mobilisiert werden. Eine schnelle, konzeptorientierte Flächenausweisung wäre der nächste Schritt, um Impulse zu geben.“

Momentan wird tatsächlich jedes andere Aufgabenfeld der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung von der Schaffung bezahlbaren Wohnraums überschattet. Mit ihr steht und fällt jede Transformation. Aber schon ein kleines Rechenexempel zeigt, dass die Aufgabe schwer zu lösen ist.

Aktuell wächst die Stadt jährlich um 40 000 Menschen. Die Verwaltung von Senator Michael Müller (SPD) hat im Zuge der Arbeit an dem neuen Stadtentwicklungsplan die Potenziale des nächsten Jahrzehnts ermittelt und sieht Möglichkeiten zum Bau von 221 000 Wohnungen, davon 20 000 in der inneren Stadt und jeweils 100 000 auf Brachflächen und jenseits des S-Bahnrings. Rechnerisch bedeutet das: Eine Wohnung kommt auf zwei Neuberliner. Keine schlechte Quote, sofern alle Pläne in Erfüllung gingen – was in Berlin eine Überraschung wäre.

Private Unternehmen erwarten Renditen

Immerhin tut sich etwas. „In den letzten beiden Jahren haben die städtischen Gesellschaften fast 14 000 Wohnungen hinzuerworben, und aktuell sind knapp 6000 Neubauwohnungen in der Planung oder Bauvorbereitung“, sagt Michael Müller. Allerdings wird nur jede zwanzigste Wohnung in Berlin von den sechs stadteigenen Gesellschaften gebaut. Daher hat die Senatsverwaltung ein Neubauförderungsprogramm mit einem Volumen von 320 Millionen Euro bis 2019 aufgelegt. Investoren erhalten ein zinsloses Darlehen von maximal 64 000 Euro pro erstellter Wohnung oder 1200 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, wenn sie sich verpflichten, 20 Jahre die Mietpreisbindung einzuhalten.

Für Maren Kern, Vorstand beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) ist dieses Angebot nicht attraktiv. Der Grund ist klar: Geld ist billig wie nie, und private Unternehmen erwarten Renditen, die mit einer Mietpreisbindung nicht zu realisieren sind. Der Pressesprecher des Verbandes, David Eberhart, verweist darauf, dass „die Preisuntergrenze für Neubau derzeit bei zehn Euro pro Quadratmeter liegt, die Einstiegsmiete aber bei 6,50 Euro.“ Auch er sieht vor allem die Politik gefordert. „Das Neubauförderungsprogramm ist ein guter erster Schritt. Jetzt sollte auch die Subjektförderung, zum Beispiel durch ein höheres Wohngeld, verbessert werden.“

Die Politik steht vor einer Herkulesaufgabe

Viel Hilfe für Einkommensschwache ist von den Investoren nicht zu erwarten. Die IHK hat in einem Grundsatzpapier formuliert, wie Bauherren die Lage sehen: „Es ist grundsätzlich eine positive Entwicklung, dass es sich für Investoren wieder lohnt, Wohnungen zu bauen. Allerdings gelingt dies in Berlin vornehmlich an Standorten, an denen eine eindeutig zu beziffernde Nachfrage nach Quantität und Qualität gegeben ist. (...) Wohnungsneubau für das untere Preissegment ist unter den derzeitigen wohnungsmarktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und den gebotenen sozialen und ökologischen Standards nicht anzubieten.“ Hier bedürfe es „weiterer marktwirtschaftlich orientierter Anreize“.

Die Vision der neuen Stadt für alle Bevölkerungsschichten umzusetzen, ist also eine Herkulesaufgabe. Seit wenigen Tagen ist das Stadtentwicklungskonzept Berlin 2030 im Netz nachlesbar (www.berlin.de/2030), und die Bevölkerung kann bis zum 31. Mai Wünsche und Vorschläge einbringen. Bezahlbarer Wohnraum wird sicher weit oben auf der Liste stehen.

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