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In Großstädten haben zwischen gut einem Drittel und der Hälfte aller privaten Haushalte grundsätzlich Anspruch auf eine Sozialwohnung. Tatsächlich sind bundesweit allerdings nur sechs Prozent aller Mietwohnungen Sozialwohnungen, heißt es in einer aktuellen Studie des Pestel-Instituts.

©  Foto: epd-bild/Jürgen Blume

Sozialwohnungen: Bau hinkt Bedarf hoffnungslos hinterher

Rund 6500 Sozialwohnungen wurden seit 2014 in Berlin bewilligt - und nur 825 fertiggestellt.

Die Zahl der armutsgefährdeten Berliner hat zugenommen. Knapp ein Drittel aller Personen in Alleinerziehendenhaushalten und Haushalten mit drei und mehr Kindern leben mit einem Armutsrisiko. Sie sind nicht die Einzigen. Zu schaffen machen den Menschen mit geringen Einkommen vor allem die steigenden Mieten, wie die im 4. Regionalen Sozialbericht Berlin und Brandenburg 2017 zusammengetragenen neuesten Zahlen des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg zeigen.

„Die bisher eingeleiteten Maßnahmen des Senats dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass an den zentralen Baustellen bislang nur wenig Besserung in Sicht ist“, sagte der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, in dieser Woche zur Jahrespressekonferenz der Senatorin für Stadtentwicklung, Katrin Lompscher (Linke): „Das Angebot an preisgünstigen Wohnungen sinkt in Berlin weiterhin, daran ändert eine erhöhte Zahl fertiggestellter Sozialwohnungen wenig.“

Tatsächlich ist der Bau von Sozialwohnungen in Berlin erst 2014 wieder angelaufen – zwischen Bewilligung und Bau können viele Jahre liegen.

Unterschriebene Förderverträge gibt es nur für wenige Wohnungen

Wie dramatisch die Lage in diesem Segment aber tatsächlich ist, zeigt ein genauer Blick auf die Zahlen, wenn man sie offiziellen Äußerungen gegenüberstellt. Jürgen Allerkamp, Vorstandsvorsitzender der Investitionsbank Berlin, freute sich in dieser Woche einer Pressemitteilung zufolge, „dass wir die Anzahl der preisgebundenen Wohnungen gegenüber dem Vorjahr um mehr als ein Drittel von 2305 auf 3132 steigern konnten“. Auch Katrin Lompscher konnte hier nur Positives berichten: „Die Fertigstellungen laufen den Bewilligungen hinterher – doch die bewegen sich im vierstelligen Bereich.“ Wirklich?

Wirklich mit einem unterschriebenen Fördervertrag unter Dach und Fach gebracht ist nur ein geringer Teil der Wohnungen, wie IBB und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zugeben müssen: „Ein Fördervertrag mit dem Fördernehmer für ein bewilligtes Bauvorhaben wird von der IBB nach Zustimmung zur Bewilligung des Bauvorhabens im Bewilligungsausschuss abgeschlossen, soweit die Unterlagen von der IBB geprüft sind. Für die im beschleunigten Verfahren bewilligten Vorhaben (…) liegen in der Regel noch keine vollständigen Unterlagen vor bzw. sind diese noch nicht von der IBB abschließend geprüft“, schreibt die Pressestelle Katrin Lompschers auf Anfrage des Tagesspiegels: „Hier erfolgt der Abschluss des Fördervertrages erst nach abschließender Prüfung der Unterlagen durch die IBB.“

Weiß die IBB vielleicht, für wie viele der 3132 auf der Lompscher-Jahrespressekonferenz genannten und 2017 angeblich bewilligten Wohnungen inzwischen mit einem Fördervertrag ausgestattet sind, der nach dem Wohnraumförderungsgesetz wenigstens so etwas wie einen Bauvorbescheid oder eine Baugenehmigung voraussetzt? „Ich bitte Sie um Verständnis, dass wir nicht zu jeder einzelnen Phase eines Neubauvorhaben Auskunft geben können. Wir konzentrieren uns hier auf die Bewilligung und Fertigstellung. Alles weitere wäre schlichtweg zu aufwendig“, schreibt auf Anfrage Jens Holtkamp, Leiter Unternehmenskommunikation der Investitionsbank Berlin. Nichts Genaues also weiß man nicht. „Zum Zeitpunkt der Bewilligung durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung muss die Planung offengelegt werden“, ergänzt IBB-Sprecher Uwe Sachs, „Baurecht muss noch nicht bestehen.“

"Die Instrumente sind da, doch sie werden nicht angewendet"

Zu den einzureichenden Planungsunterlagen gehören Listen mit der Größe der geplanten Wohnungen, Grundbuchauszüge, Lageplan, Grundstücks- und Projektbeschreibungen sowie Grundrisse.

Die für 2017 (und die Vorjahre) vorgetragenen Zahlen sind vor diesem Hintergrund sehr mit Vorsicht zu genießen: Nicht jede Bauplanung wird realisiert.

„Bezirk und Senat müssen verstärkt mit den Instrumenten des Bebauungsplans für mehr sozialen Wohnungsbau sorgen“, fordert Mieterlobbyist Reiner Wild. „Die Instrumente sind da, doch sie werden aus politischen Gründen häufig nicht angewendet“, sagt er. Beim Bau des „Alexander“-Hochhauses nahm Lompscher zum Beispiel das freiwillige Angebot des Investors nicht an, Sozialwohnungen in den Turm einzubauen, wenn im Gegenzug insgesamt mehr Wohnfläche bewilligt worden wäre.

Und wie viele der roundabout seit 2014 „bewilligten“ 6500 Sozialwohnungen sind bis 2018 nun tatsächlich fertiggestellt worden? IBB-Pressesprecher Uwe Sachs hat die Zahl parat: 825.

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