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Das frühere Seniorenheim „Dr. Peter Bloch“ in Steglitz gehört heute einem privaten Eigentümer. Dieser tut – nichts.

© Thilo Rückeis

Seniorenwohnanlage in Steglitz: Erst ausknautschen, dann abstoßen

Zwei verfallene Seniorenheime zeugen von der fragwürdigen Politik früherer Senate.

In Kreuzkölln werden Häuser kurzerhand mal besetzt, um auf Leerstand aufmerksam zu machen. In Steglitz-Zehlendorf hingegen rottet ungenutzter Wohnraum vor sich hin, ohne dass etwas passiert. Schon gar nicht den jeweiligen Eigentümern. Ein eklatantes Beispiel aus dem „grünen Bezirk“, das auch als exemplarisch dafür gelten darf, wie Landesregierungen vergangener Jahre mit ihren Immobilien umgegangen sind: ein ehemals städtisches, 2011 an privat verkauftes und seitdem leer stehendes Seniorenwohnheim am Ostpreußendamm.

Klamme Landeskassen hatten offenbar dazu geführt, dass im „Seniorenheim Dr. Peter Bloch“ über Jahrzehnte ein gewaltiger Sanierungsstau entstehen konnte. Der Namenspatron des Heims war von 1959 bis 1965 CDU-Bezirksbürgermeister von Steglitz und würde sich mutmaßlich in seinem Grab auf dem Waldfriedhof Zehlendorf umdrehen, wenn er davon erführe. Eher nüchtern sieht es offenbar seine Parteifreundin und heutige Amtsinhaberin Cerstin Richter-Kotowski. Sie antwortete auf Kleine Anfragen des Bezirksverordneten Michael McLaughlin (CDU) kurz und schlicht: Die ehemalige Seniorenwohnanlage befinde sich „in einem verwahrlosten Zustand“. Der Eigentümer trage sich mit dem Gedanken, das Gebäude durch ein neues Wohnheim zu ersetzen. Diesen Prozess würde das Bezirksamt selbstverständlich begleiten.

Das Wohnheim mit 47 Einheiten war nicht das erste Mal Gegenstand einer Kleinen Anfrage. Bereits 2004 hatte eine FDP-Verordnete mehr über den Leerstand in Seniorenheimen im Bezirk wissen wollen. Die Frage beantwortete der damals zuständige Sozialstadtrat Stefan Wöpke (CDU) in Bezug auf die Anlage Dr. Peter Bloch wie folgt: „… die (1-Zimmer-)Wohnungen am Ostpreußendamm 31 sind grundsätzlich schwer zu vermieten, sie sind mit durchschnittlich 26 qm sehr klein, aufgrund der Bauweise ... sind sie dunkel und – soweit zur Straße hin gelegen – laut; darüber hinaus verfügt das Haus nur über Gemeinschaftsbäder.“

Ausknautschen bis zum Geht-nicht-mehr

Die von Bürgermeisterin Richter-Kotowski formulierte Erkenntnis des Bezirksamts, „der bauliche und allgemeine Zustand des Seniorenwohnhauses Dr. Peter Bloch entsprach seinerzeit (gemeint ist 2011, Anm. d. Redaktion) nicht mehr den Kriterien für eine Vermietung an Senioren“, lässt nach den Einsichten von 2004 tief blicken. „Für eine grundlegende Sanierung waren die benötigten Mittel nicht vorhanden, sodass zur Vermeidung weiterer Kosten entschieden wurde, das Grundstück zu veräußern“, erklärt die CDU-Politikerin weiter. Diese Art des Umgangs mit bestimmten landeseigenen Immobilien hatte offenbar System: Das Bezirksamt konnte so lange keine Sanierung und Modernisierung vornehmen, bis die Zustände tatsächlich keinem Bewohner mehr zuzumuten und die dann fälligen Kosten einfach nicht zu bezahlen waren. Aus der Bezirkskasse schon gar nicht. Sodann die praktische Empfehlung des Senats: Verkauf, verbunden mit dem angenehmen Effekt, dass Geld in die (Landes-)Kasse kam. Auf eine Kurzformel gebracht lautete zumindest seinerzeit die Maxime: ausknautschen bis zum Geht-nicht-mehr, dann abstoßen. Ganz gleich, ob etwa dabei betagte Mieter entwurzelt werden.

Auf Anfrage nahm Richter-Kotowski noch mal Stellung zum Seniorenheim am Ostpreußendamm. Den Namen des Eigentümers dürfe sie nicht nennen, doch habe man in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit ihm gemacht. Die Bauaufsicht habe ihn erst kürzlich erneut aufgefordert, seine Pläne offenzulegen. „Schließlich haben auch wir kein Interesse daran, Schandflecke dieser Art im Bezirk zu sehen. Aber eines steht fest: Ich kann den Eigentümer zu nichts zwingen.“ So will es das Gesetz.

Der Umgang mit Liegenschaften wirft Fragern auf

Das Zweckentfremdungsverbot greift in diesem Fall nicht. Wie die Senatsbauverwaltung mitteilt, handelt es sich bei Seniorenwohnheimen um eine „Sonderwohnform“. Zwar seien diese planungsrechtlich in allgemeinen Wohngebieten zulässig, stehen jedoch nicht unter dem gleichen Schutz wie normale Wohnungen. Rechtlich liegt die Zuständigkeit bei dieser Wohnform beim Bund, Berliner Landesbehörden sind hier die Hände gebunden, selbst wenn es den Willen zu einer Änderung gäbe.

Niemand wird die Missstände in Heimen des Bezirks – die übrigens inzwischen alle verkauft sind – der jetzigen Bürgermeisterin anlasten können, die erst seit 2016 im Amt ist (Mitglied des Bezirksamts jedoch seit 2006). Sie führt allerdings in einem Teil ihrer Antwort an den Verordneten McLaughlin auch einen Sachverhalt an, der weitere Fragen zum Umgang früherer Senate mit Liegenschaften aufwirft: Das Bezirksamt habe „… sich zusammen mit der Bezirksverordnetenversammlung – um nur ein Beispiel zu nennen – dafür eingesetzt, dass die Seniorenwohnhäuser Mudrastraße 1, 5, 9 und 11 an die Berliner Immobilienmanagement GmbH mit dem Ziel der Veräußerung an eine städtische Wohnungsbaugesellschaft abgegeben wurden“. Was war in der Lankwitzer Mudrastraße los?

Nur nichts investieren

Der Tagesspiegel berichtete im April 2015, „man muss wissen, dass ein Großteil der Wohnungen nicht vermietet ist und dass sich die Gebäude in einem schlechten baulichen Zustand befinden“. In der BVV seien zwei Anträge abgelehnt worden, die freien Wohnungen zu vermieten und alle Wohnungen bei Erhaltung günstiger Mieten Schritt für Schritt zu sanieren. Die zehn Millionen Euro, um den aufgelaufenen Sanierungsstau zu beseitigen, habe der Bezirk nicht, ließ Norbert Schmidt (CDU) wissen, seinerzeit Bezirksstadtrat für Soziales. Auch hier galt also: nur nichts investieren.

Dazu bezieht die Bürgermeisterin klar Stellung: „Was die fehlende Instandhaltung betrifft: Das waren andere Zeiten. Denken Sie nur drei, vier Jahre zurück. Da gab es kein Geld vom Senat für Sanierung. Die Bezirke konnten nur das Allerallernötigste, etwa in Schulen, machen. Ich sehe die Folgen dieser Politik noch täglich hier im Rathaus.“

Seit dem 1. Januar dieses Jahres befinden sich nun die 113 sehr schlichten Seniorenwohnungen der Mudrastraße im Eigentum der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Degewo. Nur noch 20 Einheiten sind vermietet. Nicht ganz unerwartet teilt das Unternehmen mit, eine Sanierung sei weder aus technischen noch aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll. „Der Abriss ist ab September geplant, der Neubau von 185 Mietwohnungen unmittelbar danach, Fertigstellung im Dezember 2020“, sagt Degewo-Sprecherin Isabella Canisius. Mindestens 113 Apartments seien wieder für Senioren vorgesehen, versichert sie. Die vom Abriss betroffenen Mieter „wurden/werden anderweitig mit Wohnraum versorgt und sehr eng von der Degewo betreut“, heißt es.

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