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Immobilien: "Politische Ohnmacht"

Braucht Berlin mehr Eigenheime? Mit Sicherheit, sagen Bauverwaltung und Wohnungswirtschaft.

Braucht Berlin mehr Eigenheime? Mit Sicherheit, sagen Bauverwaltung und Wohnungswirtschaft.Doch die Grundstücke sind knapp, es dauert lange bis Baurecht hergestellt ist, und auch die Nachfrage ist derzeit überschaubar.Wie lebt die Wohnungswirtschaft mit den geänderten Rahmenbedingungen? Christof Hardebusch sprach mit Werner Upmeier, geschäftsführender Gesellschafter eines Wohnungsunternehmens und Vorstandsmitglied im Bundesverband Freier Wohnungsunternehmen.

TAGESSPIEGEL: Gut verdienende Familien, die ihre eigenen vier Wände im Grünen wollen, Bonner, die nichts anderes gewohnt sind: Sie alle wollen Eigenheime.Ist der Bedarf wirklich so groß, wie er scheint?

UPMEIER: Der Bedarf ist da, aber man darf ihn nicht überschätzen.Eingeschränkt wird er durch den realen Verlust an verfügbaren Einkommen.1989 waren in Berlin 1,7 Mill.Menschen erwerbstätig, 1997 nur noch 1,4 Mill.Außerdem sind die Mieten sehr niedrig.Sie entsprechen denen westdeutscher Kleinstädte, und nicht denen von Ballungsräumen.Das reizt nicht unbedingt zum Erwerb eines Hauses oder einer Wohnung mit entsprechend höheren finanziellen Belastungen.Nun dürfte die Nachfrage durch den Regierungsumzug zwar zunehmen, aber dieser Personenkreis ist nicht allzu groß und trifft auf ein großes Angebot leer stehender Wohnungen.Außerdem geht ein Strukturwandel von Mietbestand in Eigentum sehr langsam vonstatten.Mehr als 5000 Wohneinheiten jährlich sind unseres Erachtens im Großraum Berlin nicht zu erwarten.

TAGESSPIEGEL: Andere behaupten, die Nachfrage sei so groß, daß sie ihre Reihenhäuser verlosen ...

UPMEIER: In der Regel wird verschwiegen, daß die Käufer Kapitalanleger sind.Sie wollten in den Genuß der auslaufenden Sonderabschreibungen kommen.Richtig ist allerdings, daß sich Reihenhäuser, Doppelhäuser und freistehende Einfamilienhäuser besser verkaufen als Eigentumswohnungen.Dabei wird derzeit ein Nachholbedarf befriedigt.Weil die Mieten vor 1989 günstig waren und aufgrund der politischen Großwetterlage waren die Berliner in der Mauerstadt wenig am Hauskauf interessiert.Die Bewohner des Ostteils Berlin konnten ein Eigenheim nur unter besonderen Umständen erwerben.Deshalb ist die Eigentumsquote heute mit acht Prozent sehr niedrig.

TAGESSPIEGEL: In Buchholz-Ost plant Ihre Gesellschaft dennoch die Errichtung von 250 Wohnungen und Häuser.

UPMEIER: Berlin hat nicht allzu viele Flächen, die auch planungsrechtlich kurzfristig bebaubar sind.Angesichts der schwachen Nachfrage ist die Lage, also ein gewachsenes Umfeld, sowie gute Verkehrsanbindungen.All dies trifft auf Pankow-Buchholz zu.

TAGESSPIEGEL: Eines Ihrer Projekte gehört auch zur Bauausstellung, die das Wohneigentum in Berlin voranbringen will.Wie ist die Resonanz?

UPMEIER: Positiv, sowohl von seiten der Fachöffentlichkeit als auch von Kaufinteressierten.

TAGESSPIEGEL: Sind Sie mit der Grundstückspolitik Berlins zufrieden?

UPMEIER: Bauland entsteht nicht nach den Regeln von Angebot und Nachfrage, sondern durch gezieltes politisches Handeln, also indem die Verwaltungen auf Geheiß der Regierenden Bebauungspläne erstellen.In Berlin wird sehr entschieden in diese Richtung gearbeitet, die Instrumente der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme und des städtebaulichen Vertrags werden konsequent eingesetzt.Aber das große Berliner Problem bleibt: Vier Verwaltungen sind an der Bereitstellung von Flächen beteiligt.Zwei von ihnen, die Bauverwaltung und die Finanzverwaltung, befinden sich in offenem Dissens über das weitere Vorgehen.Wenn sich das nicht ändert, wird Berlin den nach dem Regierungsumzug anstehenden Aufgaben nicht gewachsen sein.

TAGESSPIEGEL: Kann die Berliner Landesentwicklungsgesellschaft (Bleg) Abhilfe schaffen, indem sie die Bereitstellung von Bauland beschleunigt?

UPMEIER: Die Bleg gibt es ja nicht erst seit heute.Außerdem ist sie unternehmerisch kastriert, weil auch sie von den Entscheidungen der vier beteiligten Verwaltungen abhängt.Sie spiegelt die Ohnmacht dieser Situation wider.

TAGESSPIEGEL: Die Finanzverwaltung hat unlängst sämtliche Mittel für den geförderten Wohnungsbau gestrichen.War diese Entscheidung richtig?

UPMEIER: Da spielen viele Kriterien eine Rolle, ich möchte mir kein Werturteil anmaßen.Seit 1914 wird der Wohnungsbau in Berlin reglementiert, und die politisch Verantwortlichen haben dies immer als sinnvoll erachtet.Förderungen sind natürlich auch in meinem unternehmerischen Interesse.Zur Zeit spricht aber vieles gegen den geförderten Mietwohnungsbau: der Überhang an Mietwohnungen, die Finanzprobleme der Stadt, das Auslaufen der entsprechenden Sonderabschreibung.Berlin gilt außerdem als gut versorgt und ist unter den Großstädten in Sachen Wohnraumversorgung mit durchschnittlich 37 Quadratmetern pro Kopf ohnehin Weltspitze.Während die Bundesbürger im Schnitt 25 bis 35 Prozent ihres Einkommens für Wohnraum ausgeben müssen, sind es bei uns nur 17 Prozent.Die Berliner geben mehr für Fernreisen aus als für ihre Wohnung.Warum soll es uns aber besser gehen als anderen, zumal Dritte zum Beispiel über den Länderfinanzausgleich einen Teil unserer schlechteren Haushaltslage mittragen müssen.Deshalb ist die Kürzung der Zuschüsse für den Mietwohnungsbau richtig.

TAGESSPIEGEL: Seit 20 Jahren bauen Sie in Berlin, zunächst frei finanzierte, nach Mauerfall vor allem geförderte Mietwohnungen.Nun konzentrieren Sie sich auf Eigentumsmaßnahmen.Wie verkraftet ein Wohnungsunternehmen solche Kurswechsel?

UPMEIER: Mit viel Mühe! Aber das ist ein normaler marktwirtschaftlicher Vorgang: Mietwohnungsbau rentiert sich derzeit nicht, die objektiven Daten deuten stattdessen auf verstärkte Absatzmöglichkeiten für Wohneigentum hin.Dem müssen auch wir uns unternehmerisch stellen.

CHRISTOF HARDEBUSCH

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