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Das Neubauprojekt "Ulmengärten" in Hohen Neuendorf.

© Kitty Kleist-Heinrich

Pendeln zwischen Berlin und Brandenburg: Der große Sprung ins Umland beginnt Ende 2022

Erweiterung des Siedlungssterns, neue Bahnlinien: Brandenburgs Ministerin Schneider und Berlins Bausenatorin Lompscher über Pläne für die wachsende Metropolregion.

Die Berliner Bevölkerung wächst und wächst. Weil der Wohnungsneubau damit nicht Schritt hält,  Immobilienpreise und Mieten infolgedessen steigen, weichen Zuzügler aus dem In- und Ausland, junge Familien aber auch Hauskäufer, denen Berlin schlicht zu teuer geworden ist, auf das Umland aus. Hier sehen sie sich ein ums andere Mal mit Pendelverkehren, zu den Hauptverkehrszeiten teilweise überfüllten S-Bahn-Zügen und Staus auf den Straßen nach Berlin konfrontiert.

Inzwischen steigen auch im „Speckgürtel“ die Grundstückspreise, investieren große Projektentwickler in den Wohnungsneubau auf dem Acker. Lässt sich dieses Wachstum in Bahnen lenken, wie lässt sich Berlin entlasten? Darüber sprachen wir mit Brandenburgs Ministerin für Infrastruktur und Landesplanung, Kathrin Schneider (SPD), und Berlins Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher (Die Linke).

Saudi Arabien will in der Wüste eine neue Stadt bauen. NEOM City soll sie heißen. Warum versucht Berlin so etwas nicht in Brandenburg?

Katrin Lompscher: Der Vergleich hinkt leider etwas. Brandenburg ist ja keine Wüste, die sich rund um Berlin erstreckt, sondern ein eigenständiges Bundesland, so wie Berlin ein eigenständiger Stadtstaat ist. Die Frage muss daher lauten, was können wir tun, um die Entwicklung gemeinsam sinnvoll zu gestalten?

Wie viele Menschen pendeln nach Ihren Erkenntnissen täglich nach Berlin hinein und wie viele nach Brandenburg hinaus – und mit welchen Verkehrsmitteln passiert das? Haben Sie für uns den Überblick und eine Prognose, was in den nächsten Jahren zu erwarten ist?

Kathrin Schneider: Wir haben im Moment Pendlerzahlen von insgesamt 280.000; 200.000 Brandenburger pendeln nach Berlin; 80.000 Berliner pendeln nach Brandenburg. Die Zahlen steigen in beide Richtungen. Dabei ist es nicht statistisch ermittelbar, welche Fortbewegungsmittel die Menschen benutzen – ob sie das Fahrrad, das Auto oder den ÖPNV benutzen. Aber wir haben einen guten Index, um auch das noch mal mit Plausibilität zu unterlegen. Die Benutzerzahlen steigen seit Jahren im Regionalverkehr des VBB, und zwar stärker als im Bundesdurchschnitt. Wir sind bei über fünf Prozent und das ist ganz oben an der Spitze.

Sie haben dazu vor einer Woche eine Pressekonferenz zum Landesnahverkehrsplan gegeben, wo die Taktzeiten der Regionalbahn verstärkt werden sollen, Züge, teilweise auch Bahnsteige verlängert werden sollen. Von dem S-Bahn-Verkehr war da nicht die Rede.

Schneider: Zusammenfassend kann man sagen, dass wir auf die zusätzlichen Anforderungen mit zusätzlichen Linien, mit mehr Zügen, mit größeren Zügen und mit besserer Infrastruktur reagieren. Das ist die Herausforderung, die wir beide, Berlin und Brandenburg, haben. Und natürlich spielt auch die S-Bahn eine Rolle, da in dem Landesnahverkehrsplan das Thema der S-Bahn-Verlängerung ebenfalls enthalten ist.

Wie schnell können Sie denn da etwas ändern? Denn der Verkehrsträger braucht ja auch Waggons und Züge. Man hört, dass das fahrende Material nicht so zur Verfügung steht.

Schneider: Wir sind zunächst an die Laufzeiten der Verkehrsverträge gebunden. Den großen Verkehrsvertrag „Netz Elbe-Spree“, das ist das ehemalige Stadtbahnnetz, schreiben wir mit Berlin in Kürze aus. Er enthält ungefähr 60 Prozent unserer Verkehrsleistung und wird zum Fahrplanwechsel Dezember 2022 wirksam. Dann wird es die neuen Linien und auch die Taktverdichtungen und damit „den größeren Sprung“ geben. Wir brauchen vier bis fünf Jahre Vorlauf, um den Unternehmen überhaupt die Gelegenheit zu geben, sich darauf einzustellen und die Züge zu beschaffen.

Soll das für die Fahrgäste der S 2, die um 7 Uhr 50 in Zepernick in Richtung Pankow zusteigen, bedeuten, dass sie zum Beispiel bis zum Anhalter Bahnhof bis ins Jahr 2022 weiterhin 50 Minuten stehen müssen?

Schneider: Wir sind mit den Verkehrsunternehmen im Gespräch, um zu eruieren, wie wir in der Zwischenzeit Verbesserungen hinbekommen können. Wir haben die Eisenbahnverkehrsunternehmen angeschrieben und haben die Frage gestellt, wie wir auf Basis der bestehenden Verträge Verbesserungen für die Pendler, für unsere Kunden erreichen können. Ich habe die Hoffnung, dass wir bis Jahresende Ergebnisse bekommen können; aber die Gespräche sind noch nicht abgeschlossen.

Lompscher: Im Zuge der Planung neuer Stadtquartiere, die wir für den größeren Wohnraumbedarf vorsehen, und vor dem Hintergrund, dass die Entwicklung schienengebundener Verkehrsinfrastruktur in der Regel einen längeren Vorlauf hat als andere Erschließungen, spielen natürlich auch andere Überlegungen eine Rolle. So wäre z. B. der Ausbau von Ringbuslinien denkbar. An Stellen, an denen geringere Entfernungen zu überwinden sind, spielt die Optimierung des Radverkehrs eine Rolle. Der Stadtentwicklungsplan Verkehr wird derzeitig in der Verantwortung der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz aktualisiert. Integrierte Stadtentwicklungsplanung wird immer parallel zur Siedlungsentwicklung und zur Verkehrsentwicklung fortgeschrieben. Dass hier große Herausforderungen auf uns warten, steht außer Zweifel. Wenn der limitierende Faktor jedoch das fahrende Material ist, sind die Unternehmen gefragt, die eine vorausschauende und langfristige Planung entwickeln müssen.

Das alles muss auch finanziert werden. Nehmen Sie EU-Fördermittel in Anspruch, die sich auf Logistik und Verkehre beziehen, oder bestreiten Sie alles aus Landesmitteln?

Schneider: Für die Bestellung der Verkehre nicht. Diese finanzieren wir aus den sogenannten Regionalisierungsmitteln. Wobei wir natürlich in Zukunft darauf achten müssen, dass wir diese dann Schritt für Schritt mehr in den Schienenverkehr geben. Wir stoßen bei den Bestellungen ja permanent an die Schranken der Infrastruktur. Gerade deswegen brauchen wir auch eine bessere Infrastruktur. Zusammen mit meiner Berliner Kollegin Regine Günther und dem Vorstand von DB Netz, Ronald Pofalla, habe ich deswegen am 4. Oktober eine Vereinbarung zum Ausbau der Infrastruktur unterschrieben. Mit dem Projekt 2030 wollen wir ein Investitionsprogramm für die Bahnkorridore anschieben. Neben den berlinnahen Korridoren geht es aber auch um den Ausbau der Strecken von Berlin nach Stettin oder von Berlin nach Breslau, das heißt, wir müssen über die Grenzen hinweg denken. Dann werden europäische Finanzierungsmöglichkeiten interessant, wie z.B. die Connected European Facility, kurz CEF. Im Anschluss an unser Interview reden wir auf unserer Scandria-Konferenz mit den Korridorkoordinatoren über die transeuropäischen Verkehrsnetze, um genau diese Themen zu konkretisieren.

Wandlitz und Werneuchen rücken in den Fokus

Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke).
Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke).

© dpa

Die Hauptstadtregion verzeichnet eine dynamische Entwicklung, wenn es um Zuzug, mangelnden Wohnraum, steigende Mieten und Preise für Wohneigentum geht. Sie aber halten an dem zweistufigen „STEP Wohnen 2030“ fest und wollen ihn „voraussichtlich Ende 2018“ beschließen. Ist dieses Planungsinstrument überhaupt geeignet, die Entwicklung rechtzeitig in den Griff zu bekommen?

Lompscher: Die Erarbeitung des Stadtentwicklungsplans Wohnen 2030 läuft parallel zur Umsetzung konkreter Projekte. Es kommt dadurch zu keinen Verzögerungen bei aktuellen Bauvorhaben. Die Aufstellung eines solchen Plans braucht Zeit, gerade wenn man die Fachöffentlichkeit und die Stadtgesellschaft in die Diskussion mit einbezieht. Es ist unser Anspruch, die inhaltliche Ausgestaltung des „STEP Wohnen 2030“ stadtgesellschaftlich konsentierend zu erarbeiten. Dem voran ging die Aktualisierung der Bevölkerungsprognose. Auf dieser Grundlage steigen wir nun in die zweite Arbeitsphase ein. Diese beinhaltet unter anderem, dass wir uns gemeinsam mit den Bezirken über die Ziele zum Wohnungsneubau verständigen. Diese Vereinbarungen fließen in die weitere Planung des STEP mit ein. In der zweiten Arbeitsphase des STEP beschäftigen wir uns auch mit der Identifizierung und Aktivierung von Potenzialflächen und erarbeiten strategische Empfehlungen für die Bestandentwicklung. Am 20.11. veranstalten wir außerdem ein Stadtforum zum Thema Wohnen, bei dem wir den aktuellen Arbeitsstand vor- und zur Diskussion stellen wollen, um den Input der Bürgerinnen und Bürger in die weitere Planung miteinzubeziehen.

Wohnungsbauprognose und -potenziale sind gute Stichworte: Sie gehen in Ihrem STEP Wohnen von einem Bevölkerungsrückgang ab 2020 aus. Ist das realistisch?

Lompscher: Nicht von einem Bevölkerungsrückgang, sondern von einem langsamer voranschreitenden Wachstum.

Worauf gründet sich diese Annahme?

Lompscher: Der Großteil des Zuzugs nach Berlin erfolgt nahräumlich. Es ist schon heute ersichtlich, dass bestimmte Gebiete keinen weiteren Zuzug mehr produzieren werden. Zudem sind die innerstädtischen Leerstandsreserven in den letzten fünf Jahren nahezu aufgebraucht worden, auch das hat logische Konsequenzen auf die künftige Entwicklung. Experten gehen davon aus, dass sich der massive Zuzug der letzten Jahre in den kommenden abflachen wird. Aber selbstverständlich aktualisieren wir die Bevölkerungsprognose alle drei Jahre, um uns auf die aktuellen Entwicklungen einstellen zu können.

Wenn sich die Annahmen nicht realisieren, ziehen die Zuzügler dann alle zu Ihnen in den Speckgürtel, Frau Schneider?

Schneider: Wir haben einen gemeinsamen strategischen Plan, das ist der gemeinsame Landesentwicklungsplan für die Hauptstadtregion (LEP HR). Das ist unser gemeinsamer strategischer Ansatz, wie wir die Themen „Entwicklung im Raum“, „Siedlung und Wohnen“ und „Gewerbeansiedlung“ gemeinsam bewältigen wollen. Dabei geht es um zwei Wege, die wir bei der gemeinsamen Planungskonferenz am 6. November mit dem überarbeiteten Entwurf des LEP HR vorstellen wollen. Wir schlagen zum einen vor, dass der Siedlungsstern um zwei Achsen erweitert wird – das betrifft die Achse Wandlitz und die Achse Werneuchen. Beide neue Siedlungsachsen verfügen über Bahnanschlüsse. Außerdem soll auch die vorhandene Siedlungsachse im Bereich Oberkrämer etwas länger und größer werden. Das ist ein wichtiger Punkt, um die Potenziale, die wir in Berlin und im unmittelbaren Umland haben, gemeinsam zu entwickeln.

Das sind die Potenziale von denen Sie, Frau Lompscher, sprachen?

Lompscher: Nein, die landesplanerischen Potenziale gehen weit darüber hinaus.

Schneider: Das ist zunächst ein großräumiges Potenzial, ein Maximum an Entwicklungsmöglichkeiten – unabhängig von der Verfügbarkeit der Flächen. Diese wird erst auf den nachfolgenden Planungsebenen geprüft. Weil die Praxis aber jetzt schon zeigt, dass die Verfügbarkeit von Flächen eingeschränkt ist, gehen wir einen zweiten Weg. Und der zweite Weg heißt für uns, das Wachstum ins gesamte Land Brandenburg zu tragen. Wir bezeichnen das als „Sprung in die zweite Reihe“. Wir konzentrieren uns hierbei auf die Städte, die mit guten Verkehrsverbindungen unter einer Stunde an die wichtigen Umsteigepunkte in Berlin angebunden werden können. Das sind z.B. Eberswalde, Fürstenwalde, Luckenwalde oder Ludwigsfelde. Aber auch Lübben - von Lübben bin ich in 50 Minuten am Alexanderplatz und in einer Stunde am Zoo. Von Ludwigsfelde bis zum Potsdamer Platz braucht man 25 Minuten. Das ist bei vielen gar nicht im Kopf. Das müssen wir aber in die Köpfe bringen.

Der Tagesspiegel steht sicherlich auch gerne in diesem Falle für Werbemaßnahmen zur Verfügung, um diese Orte zu „promoten“. Die Entwicklung geht ja bisher vor allen in den Süden Berlins.

Lompscher: Es gibt einen Zusammenhang zwischen räumlicher Entwicklung und wirtschaftlicher Dynamik. Die übergeordnete Planung schafft hierfür den strategischen Rahmen. Und wenn wir feststellen, dass sich im strategischen Rahmen dieses LEP HR ein Potenzial von 500.000 zusätzlichen Wohnungen befindet, dann ist das natürlich enorm. Wir wissen jedoch, dass wir dieses Potential nur schrittweise und vor allem nicht in allen Regionen gleichermaßen erschließen können. Natürlich gibt es auch Diskrepanzen zwischen den landesplanerischen Annahmen und der tatsächlichen Situation. Das heißt, dass es zwar theoretische Potenziale gibt, aber immer auch die Frage beantwortet werden muss, ob man diese auch praktisch aktivieren kann und wenn ja, in welchem Zeitraum.

Mehr Sozialwohnungen - aber wie?

Brandenburgs Ministerin für Infrastruktur und Landesplanung Kathrin Schneider (SPD)
Brandenburgs Ministerin für Infrastruktur und Landesplanung Kathrin Schneider (SPD)

© DPA

Es gibt aktuell Handlungsbedarf. Zu Wohnungsbesichtigungen in Berlin kommen mitunter 200 Menschen und mehr, Brandenburg hat Bauland im Überfluss: Wie kann Brandenburg Berlin konkret im Hier und Jetzt helfen? Welche Angebote liegen auf beiden Seiten vor? Potsdams Oberbürgermeister Jakobs findet, Brandenburg sollte von der Situation profitieren und forderte im Tagesspiegel, Brandenburg müsse eine Strategie entwickeln. Gibt es eine Strategie?

Schneider: Ja, das ist der Landesentwicklungsplan für die Hauptstadtregion mit den zwei Wegen: Erhalt des Siedlungssterns und Sprung in die zweite Reihe.

Lompscher: In Ergänzung dazu möchte ich festhalten, dass wir sowohl in Berlin als auch in Brandenburg eine hohe Bautätigkeit beobachten können, welche diesen planerischen Rahmenbedingungen folgt. Jeder Bebauungsplan wird von der Gemeinsamen Landesplanung dahingehend überprüft, ob er mit den Zielen übereinstimmt. Wir haben im Bereich der Stadt-Umland-Kooperation schon seit langer Zeit über das kommunale Nachbarschaftsforum einen guten Austausch. Dieses Forum ist in vier sektoralen, regionalen Gruppen organisiert. Neben Radwegen und Regionalparks wird dort jetzt vermehrt über Wohnungsbaupotenzialanalysen und kooperative Entwicklungen, sowohl in Berlin als auch in Brandenburg, gesprochen. Ein Teil der Berliner Wohnungsbaupotenziale liegt ja unmittelbar an der Stadtgrenze, z. B. die Buckower Felder, da ist es naheliegend, dass die benachbarten Kommunen – hier der Berliner Bezirk und Großziethen – sich intensiv austauschen.

Sind die Kommunen überhaupt willens und in der Lage, Zuzügler aus Berlin aufzunehmen?

Schneider: Es geht nicht nur um Berliner, es geht um alle. Wir haben das große Glück, in einer sehr dynamischen Region zu leben. Vom Grunde her gibt es verschiedene Möglichkeiten, damit umzugehen – man kann zurückhaltend reagieren, wenn einem die Entwicklung zu schnell voranschreitet und bremsend auf die Entwicklung einwirken. Dann wird die Entwicklung ungesteuert über einen hereinfallen. Die zweite Strategie, die ich persönlich besser finde, ist, sich aktiv mit der Entwicklung auseinanderzusetzen und steuernd einzugreifen. Wir haben jetzt die Möglichkeit, ich hoffe, es bleibt so, wenn die Jamaika-Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind, dass wir mit der Städtebauförderung auch Unterstützung geben können. Mit dem neuen Stadtumbauprogramm können wir sowohl das Thema Schrumpfung weiter begleiten als auch das Thema Wachstum, indem wir Konversionsflächen, innerstädtische Bereiche, soziale Einrichtungen verstärkt unterstützen können, die in dem ganzen Kontext immer mitgedacht werden müssen. Die Debatten, die sie angesprochen haben, müssen vor Ort geführt werden. Die im Landesnahverkehrsplan neu geplante Linie von Potsdam über den Wissenschaftsstandort Golm, Elstal und Spandau bis Gesundbrunnen ist ein konkretes Beispiel, welches für beide Länder zusammen wichtig ist. Mit dem Technologieprojekt „Bahncampus“ ist Elstal für Berlin und Brandenburg ein wichtiger Standort, um das Thema Bahntechnologie in der Region innovativ weiter zu befördern.

Lompscher: Der Siedlungsstern ist ja keine neue Erfindung, sondern ein historisches Geschenk. Er wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt, als Antwort auf die zunehmende Prosperität der Region. Von diesen Anlagen profitieren wir bis heute.

Richten wir den Blick ins Hier und Jetzt - einige Investoren weichen zunehmend ins Umland aus und bauen in zunehmendem Maß Wohnungen in Brandenburg, weil Bauland in der Hauptstadt Mangelware ist. Perspektivisch werden die Preise steigen, was sich auf die Mietpreise auch im Umland auswirkt. Ist das ein Problem, Frau Schneider, das Sie angehen müssen?

Schneider: Ich würde nicht sagen, dass die Unternehmen ausweichen, sondern genau die Chancen nutzen, die wir ihnen mit unserer Strategie bieten. Denn die Strategie bezieht sich nicht nur auf Berlin oder nur auf Brandenburg, sondern ist eine gemeinsame Strategie. Und dann ist es erfreulich, wenn alle diese Angebote nutzen.

Also gut und teuer ist eigentlich okay?

Schneider: Wir brauchen für die Umsetzung unserer Ziele alle drei Bereiche: die privaten Investoren, die kommunalen Wohnungsgesellschaften und die Genossenschaften und natürlich auch den privaten „Häuslebauer“. Diese drei Segmente brauchen wir, um das Ziel zu erreichen, mehr neue Wohnungen in der gesamten Region zu bauen und somit dämpfend auf die Preisentwicklung zu wirken. Das ist unser Ziel. Wir haben die begleitenden Instrumente, die wir auch anwenden. Aber letztlich wird der Markt nur gedämpft werden, wenn genügend gebaut wird. Und dass das passiert, zeigen die Statistiken. Die Zahlen der Genehmigungen und der Fertigstellungen gehen alle nach oben. Bei der Realisierung kommt verstärkt der Neubau hinzu. Ebenso wichtig sind die Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen, denn es geht insgesamt um mehr Qualität. Auch wir sind daran interessiert, die Möglichkeiten zu nutzen, die eine Durchmischung der Quartiere garantiert. Das tun wir mit der Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Wir haben dazu ein 100-Millionen-Euro-Programm aufgelegt. Die Bewilligungszahlen steigen: 2015 waren wir bei ca. 24 Millionen Euro. 2016 haben wir das Bewilligungsvolumen auf 56 Millionen steigern können und ich hoffe, dass wir in diesem Jahr bei 75 bis 80 Millionen Euro ankommen werden. Eins muss man sich dabei aber auch deutlich machen: Wenn es eine dynamische Entwicklung gibt, die für den Markt eine derart gute Baulage bringt wie jetzt, dann steigen auch die Preise. Das wird man nicht komplett verhindern können, aber man hat die Möglichkeit, diese Preisentwicklung zu dämpfen und sozial auszugestalten.

Umso wichtiger wäre ja der Bau neuer Sozialwohnungen. Schaut man sich die Zahlen an, hat Berlin von 2014 bis 2016 rund 3000 Sozialbauwohnungen gebaut/gefördert.

Lompscher: Erst 2014 wurde in Berlin wieder ein Sozialwohnungsbauprogramm aufgelegt. Das Programmvolumen steigt stetig, in diesem Jahr sind wir bei knapp 200 Millionen Euro für 3000 Wohnungen. Wir wollen 2019 das Programmvolumen auf über 300 Millionen Euro anheben, um 5000 Wohnungen zu erreichen. Mit dieser Zahl wollen wir den Verlust der Wohnungen kompensieren, die aus der Bindung fallen. Das heißt, dass wir ab nächstem Jahr eine Stabilisierung des Sozialwohnungsbestands bei ca. 110.000 Wohnungen erreichen. Das ist aber nicht genug. Wir brauchen neben den städtischen Wohnungsunternehmen noch weitere Akteure, die am preisgedämpften Bestand mitbauen. Wie Genossenschaften, die schon aufgrund ihrer Unternehmensphilosophie einen entsprechenden Beitrag leisten. Für sie wird es künftig extra Förderprogramme geben. Ebenso wichtig sind Initiativen, die die Senkung von Baukosten unterstützen, wie zum Beispiel Wettbewerbe für Typenbebauung, die unsere Wohnungsbaugesellschaften durchführen.

Neben dem Neubau gibt es den Bestand, der im Sinken begriffen ist und den Sie ausgleichen müssen und wollen. Viele Mieter in sozialen Wohnungsbauten erfüllen zwischenzeitlich nicht mehr die Belegungsbedingung. Wäre es ein denkbares Modell, in Zukunft die Mietpreisbindung so flexibel zu gestalten, dass „nicht-berechtigte“ Mieter aufgrund der langen Wohndauer eine Zusatzabgabe leisten, um damit neuen Wohnraum zu schaffen?

Lompscher: Eine Möglichkeit besteht darin, dass Bindungen von einer auf eine andere Wohnung übertragen werden können. Konkret hieße das, dass die Wohnung von Menschen, die aufgrund eines gestiegenen Einkommens kein Anrecht mehr auf einen WBS haben, den Status als Sozialwohnung verliert. Dafür würde im Gegenzug eine andere Wohnung in die Bindung aufgenommen. Ich glaube, das ist ein sinnvolleres Modell, als mit einer Fehlbelegungsabgabe zu operieren. Eine flexible Quotenregelung halte ich für deutlich zukunftsfähiger.

Ein Blick in die Zukunft: Wird sich denn die Investitionsbank Berlin (IBB) in Zukunft in ihren Wohnungsmarktberichten auch mit dem Umland beschäftigen oder werden wir weiterhin nur von Berlin lesen?

Lompscher: Alle unsere Einrichtungen kooperieren miteinander. Insofern ist das Thema gemeinsame Wohnungsmarktbeobachtung eines, das für uns immer aktuell ist. Der Befürchtung, dass nicht über den Tellerrand geschaut wird, kann ich hier deutlich entgegentreten.

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