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Mittes Stadtrat Ephraim Gothe freut sich über die Gasse zwischen Alexanderplatz und Alexanderstraße als „grüne Visitenkarte“. 

©  Sauerbruch Hutton

Neues Hochhaus mitten in Berlin: Ein Zwillingsturm für den Alexanderplatz

Der Turm des Entwicklers Covivio direkt neben dem Park Inn wird nach den Plänen von Sauerbruch Hutton errichtet. 2023 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein.

Die Jury hat am Donnerstag entschieden, die Entscheidung wurde einen Tag später bekannt gegeben: Das Unternehmen Covivio wird nach den Plänen von Sauerbruch Hutton (Berlin) ein gemischt genutztes Hochhaus mit 60 000 Quadratmetern Flächen auf dem Alexanderplatz entwickeln, das zirka 26 570 Quadratmetern Büros, 21 900 Quadratmetern Einzelhandel und 11 400 Quadratmeter Wohnfläche bietet.

Die Jury um die Fachpreisrichter Markus Allmann, Julia Bolles-Wilson, Armand Grüntuch und Jórunn Ragnasdóttir bedankte sich bei allen Teilnehmern, insbesondere bei Diener & Diener Architects (Basel) und Jean-Paul Viguier & Associés (Paris), die im Wettbewerb auf den Plätzen 2 und 3 lagen. Die voraussichtliche Fertigstellung des Vorhabens ist für das Jahr 2023 geplant.

„Wir freuen uns sehr, dass ein zweiter Hochhausentwurf aus unserem Büro in Berlin umgesetzt werden soll“, sagte auf Anfrage Matthias Sauerbruch: „Beide Bauten haben Pioniercharakter. Bei der GSW ging es um ökologisches Bauen in der Stadt und am Alexanderplatz ist der öffentliche Raum das Thema. Das neue Gebäude wird den Platzraum schließen und mit dem entsprechenden Einzelhandels- und Gastronomieangebot beleben. Zum ersten Mal – direkt am Alex – werden in diesem Haus aber auch zirka 500 Menschen wohnen. Coworking und Büroflächen schaffen zusätzlich Arbeitsplätze, sodass in einem Haus beinahe eine kleine Stadt untergebracht ist. Auf dem Dach des Sockelbaus wird es einen halböffentlichen „Garden Club“ geben, der das interne Zentrum für die Hausgemeinschaft und ihre Gäste sein wird.“

Die durchlaufende rote Linie zeigt Position des Neubaus.
Die durchlaufende rote Linie zeigt Position des Neubaus.

© Tsp

Der Entwurf für das Baufeld D3 am Alexanderplatz besteht aus einer Verbindung zweier eigenständiger, aber auch verwandter Bauten: einem Sockelbau, der in seinem Volumen, seiner Materialität und Fassadenstruktur mit den Nachbargebäuden (Kaufhof etc.) korrespondiert und einem Hochhaus, das auf die bereits bestehende und geplante Bebauung an der Alexanderstraße reagiert.

Das Gebäude soll einen Teil seines Strombedarfs selbst produzieren

Beide Bauteile sind nach Angaben des Architektenbüros in einer Kombination von Kunststein/Architekturbeton und Glas gehalten. Im Flachbau fasst ein „steinernes Gerüst“ – das sich in Farbigkeit und Proportionalität an den Nachbarn orientiert – die unterschiedlichen Funktionen zusammen, die in diesem Bauteil untergebracht sind: Auf sechs Geschossen werden Wohnungen in Größen zwischen zwanzig und 95 Quadratmetern angeboten, die drei unteren Geschosse sind dem Einzelhandel und der Gastronomie gewidmet, im zweiten Obergeschoss werden zusätzlich Coworking-Flächen vorgesehen. Vor den großzügigen Fensterflächen der Nutzbereiche befinden sich luftige textile Sonnenschutzbehänge, die dem Haus eine sommerliche Leichtigkeit verleihen sollen – und wohl auch eine präventive Maßnahme gegen heiße Sommer infolge des Klimawandels sein sollen. Auf den Hochhausetagen sind vorwiegend Büroflächen untergebracht, wobei jede Etage in bis zu drei Einheiten von zirka 300 Quadratmetern aufgeteilt werden kann. Eine Besonderheit soll der sogenannte „Garden Club“ im achten Obergeschoss darstellen, ein teil-öffentliches Angebot an die Nutzer der Büro- und Coworking-Flächen: Auf dem Dach des Sockelbaus wird ein Dachgarten angelegt, der mit verschiedenen Angeboten zum Aufenthalt einlädt. Im Hof des Wohnteils befindet sich ein großzügiger Garten, der den Bewohnern zur Verfügung steht.

Die Fassade ist geprägt durch vertikale Lisenen. Das sind flach hervortretende, pfeilerartige Mauerstreifen zur Gliederung der Außenwände.
Die Fassade ist geprägt durch vertikale Lisenen. Das sind flach hervortretende, pfeilerartige Mauerstreifen zur Gliederung der Außenwände.

© Sauerbruch Hutton

Die Fassade des Hochhauses soll mit Photovoltaikeinheiten bestückt werden, sodass das Gebäude einen Teil seines eigenen Strombedarfs selbst produzieren wird. Mit Hilfe einer Kastenfensterkonstruktion wird es darüber hinaus ermöglicht, das Hochhaus auch natürlich zu belüften. Die Nutzung von Geothermie und Grauwasserwärme sollen das Konzept zur Energieeinsparung und CO2- Vermeidung komplettieren.

Das Projekt löst kritische Stimmen aus

Über dem Alex flanieren. Das wäre ein neues Lebensgefühl.
Über dem Alex flanieren. Das wäre ein neues Lebensgefühl.

© Sauerbruch Hutton/Luxigon

„Die Kombination aus Wohnen, Arbeiten und Einzelhandel als traditionelle Typologie der europäischen Stadt wird in diesem Gebäude in innovativer Weise wieder aufgelegt und neu interpretiert“, teilte das Büro Sauerbruch Hutton mit: „Der Alexanderplatz wird als metropolitaner Ort in der Stadt gestärkt. Die Symbolik des Hauses reflektiert die Wichtigkeit des Ortes in der jüngsten Geschichte. Die aktive Fassade weist in die Zukunft des Bauens.“

Diese Einschätzung wird – kaum erstaunlich – nicht von allen Architekten in der Stadt geteilt. Klaus Theo Brenner, einer der wichtigsten Protagonisten seiner Zunft in Berlin, sagte dem Tagesspiegel auf Anfrage: „Das Wettbewerbsergebnis und der Entwurf des Gewinners illustriert eigentlich nur die Schwächen des aktuellen Masterplans. Im Gegensatz zu allen historischen Masterplänen – bis zum Kollhoff-Plan von 1993 – fehlt diesem jede stadträumliche Stringenz im Sinne der Beziehung zwischen Block und Turm, und zwar bezogen auf den wichtigsten öffentlichen Raum – den Alexanderplatz. Alles wirkt irgendwie beliebig und unverbindlich – die Blockkonturen und Blockhöhen genauso, wie die Position und Gestalt der Turmhäuser, die sozusagen „neben ihren Blöcken stehen“! Die Alternative dazu wäre, die einzelnen Blöcke als dreidimensional, sich individuell und vielseitig in die Höhe entwickelnde, fast expressionistisch anmutende Solitäre zu betrachten – um den Alexanderplatz herum. Wir kennen diese Entwurfshaltung von den Architekten der Frühmoderne in Berlin. Der aktuelle Gewinnerentwurf – großer Block mit eingespannten Turm wirkt schematisch und ohne jede stadträumliche Dynamik und Prägnanz. Ganz zu schweigen von der Langeweile auf dem Alexanderplatz.“

Senatsbaudirektorin Lüscher lobt die Juryentscheidung

Covivio, Eigentümer des großen Baugrundstücks, zu dem auch das Park Inn gehört, sagte über seinen Deutschlandchef Marcus Bartenstein (Head of Investments and Development): „Am Ende werden wir einen echten vertikalen Campus schaffen, der mit der besten Infrastruktur im Herzen der Stadt verbunden ist. Dieser Ort, der zu einem neuen Ziel für die Menschen in Berlin wird, spiegelt unsere Sichtweise auf das zukünftige urbane Leben wieder. Das bedeutet Arbeiten, Entspannen, Wohnen, Einkaufen, Essen und Sport an einem Ort.“

„Das Projekt überzeugt sehr durch den prägnanten Doppelturm und durch Wohnungen in sechs Geschossen“, meinte Mittes Stadtrat für Stadtentwicklung, Soziales und Gesundheit, Ephraim Gothe, zum Projekt: „Urbanität durch Nutzungsvielfalt ist Programm: Neben Einzelhandel, Wohnen und Office sind ein Club und ein kleiner Kindergarten vorgesehen. Besonders bedeutend ist die Erdgeschossnutzung, die neben den Antritten für großflächigen Einzelhandel eine Juice Bar, ein Restaurant, ein Cafe und eine Buchhandlung vorschlägt.“ Senatsbaudirektorin Regula Lüscher ist mit der Juryentscheidung einverstanden: „Es entsteht ein Stück vertikale Stadt, ein wohlproportionierter Turm in einem eleganten Kleid. Der Alexanderplatz wird damit nicht nur um ein neues Hochhaus, sondern um eine weitere prominente Adresse reicher.“

Covivio ist ein französisches Immobilienunternehmen, das am 1. Juni 2018 aus den Unternehmen Immeo und der Foncière des Régions zusammengeschlossen wurde.

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