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Eine Stadt dehnt sich aus. In Schönefeld könnten in einigen Jahren 35 000 Menschen leben.

© Ralf Hirschberger/dpa

Neue Wohnsiedlungen im Umland: Der Bauboom in Neu-Schönefeld hat gerade erst begonnen

Zwischen der Berliner Stadtgrenze und dem Flughafen Schönefeld entstehen neue Wohnquartiere für Tausende von Bewohnern – die Nachfrage ist riesig.

Wer aus der Vogelperspektive auf die Gemeinde Schönefeld nördlich des Flughafens blickt, der kann bis heute problemlos den Grenzverlauf zum Bezirk Neukölln erkennen. Jenseits der einstigen Mauer ist auf dem Berliner Stadtgelände alles eng bebaut, diesseits der heutigen Landesgrenze zwischen Berlin und Brandenburg aber sind unschwer großflächige Wiesen und Brachflächen erkennbar. Allerdings ändert sich dieser Zustand derzeit rapide: „Wenn die Bautätigkeit in unserer Gemeinde in dem Tempo weitergeht wie aktuell“, sagt Udo Haase, Bürgermeister von Schönefeld, „dann wird man im Jahr 2030 den Übergang zwischen Rudow und Schönefeld aus der Luft nur noch erahnen können.“

Schon jetzt drehen sich in Neu-Schönefeld unablässig die Baukräne. Im Herbst vergangenen Jahres wurde der Grundstein gelegt für die Theodor-Fontane-Höfe im sogenannten Dichterviertel, das bis an die Rudower Chaussee reicht. Die Deutsche Immobilien Entwicklungs AG (DIE AG) errichtet hier zwölf Mehrfamilienhäuser mit 334 Mietwohnungen, die insgesamt eine Wohnfläche von zirka 22 400 Quadratmetern haben werden. In der kommenden Woche steht bereits der nächste Spatenstich bevor: Im Sternenviertel, westlich des Holiday Inn Hotels, erfolgt am Mittwoch der feierliche Baustart für die Sonnenhöfe. Für dieses Projekt hat sich die DIE AG als Bauherr in einem Joint Venture mit der Eyemaxx Real Estate AG zusammengeschlossen. Bis Ende 2021 werden auf dem Areal rund 560 Wohnungen und Büroflächen mit etwa 11 400 Quadratmetern Nutzfläche entstehen.

„Die Nachfrage nach Wohnraum in Schönefeld ist riesengroß“, sagt Walter Hagemann, Unternehmenssprecher der DIE AG. „Kaum haben wir die Bautafeln für unsere Projekte aufgestellt, erreichen uns die ersten Anrufe, wann man in die Wohnungen einziehen kann.“ Die zu erwartenden Mietpreise von etwa 10,50 Euro pro Quadratmeter schrecken dabei kaum einen der Interessenten ab. Natürlich habe dieser Boom ursächlich mit dem Flughafen BER zu tun, so Hagemann. Auch die immer wieder verschobene Eröffnung des Airports habe daran nichts geändert: Wer perspektivisch die Nähe zum BER suche, insbesondere aus beruflichen Gründen, für den sei der Standort Neu-Schönefeld ideal. Zumal die Neubauflächen außerhalb der Lärmkorridore des Flughafens lägen. Auf dem Planungsgebiet zwischen der Berliner Stadtgrenze im Norden und der S-Bahn-Trasse im Süden, zwischen dem Gewerbegebiet „Airpark“ im Westen und der Waltersdorfer Chaussee im Osten leben aktuell in Altbauten und bereits errichteten Neubauten wenig mehr als 1000 Menschen. Hagemann ist sicher: „In zehn Jahren werden es 25 000 Bewohner sein.“

Schönefeld ist wegen seiner guten Infrastruktur attraktiv

Als eines der ersten großen Wohnraumprojekte in Neu-Schönefeld hat Ende vergangenen Jahres die Entwicklungsgesellschaft Bonava 96 Wohnungen an der Bertolt-Brecht-Allee übergeben. In den kommenden Jahren sollen rund 1000 weitere Zwei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen zwischen 48 und 90 Quadratmetern folgen, zu einem Mietpreis von etwa 10,40 Euro pro Quadratmeter. Wie schon bei einer zuvor fertig gestellten Reihenhaussiedlung bestand auch für die Mietwohnungen eine große Nachfrage, berichtet Helmut Kunze, Regionsleiter der Bonava. „Vor allem Familien mit Kindern, denen es in Berlin zu eng wird, ziehen hier heraus an den unmittelbaren Stadtrand“, sagt Kunze. „Wir engagieren uns schon seit einiger Zeit in Schönefeld, nicht wegen des BER, sondern wegen der Rahmenbedingungen, auf die wir angewiesen sind. Und die sind in Schönefeld besonders gut: Es gibt ausreichend Baurecht, Kitas und Schulen. Deshalb ist das für uns ein toller Wohnstandort.“

Denn Schönefeld ist nicht nur wegen der kurzen Wege zum Flughafen für neue Bürger attraktiv. Sondern auch wegen seiner guten Infrastruktur. Im neuen Ortskern ist an der Hans-Grade-Allee vis-à-vis zum Rathaus eine moderne Grundschule mit Sporthalle und Sportplatz entstanden, auf der anderen Seite der Rudower Chaussee steht ein schmuckes neues Schwimmbad. Die Pläne für ein zweites Gymnasium sind fertig, der Bau soll in einem Jahr stehen.

„Wir haben in den zurückliegenden Jahren sehr viel gearbeitet und vorbereitet“, sagt Bürgermeister Haase nicht ohne Stolz, „jetzt setzen wird nur noch um.“ Das rasche Tempo bei der Realisierung von Infrastrukturprojekten sei deshalb möglich, weil im Gemeinderat und in der Verwaltung alle an einem Strang zögen. Und auch das Rathaus funktioniere, fügt Haase noch hinzu: „Wer bei uns einen neuen Pass braucht, der muss nicht lange auf einen Termin warten.“

„Die Verlängerung der U7 ist ein Muss“

Das entscheidende Projekt für die erfolgreiche Entwicklung von Neu-Schönefeld im kommenden Jahrzehnt ist und bleibt für Haase aber die Verlängerung der U-Bahn-Linie 7 von Rudow zumindest bis zum S-Bahnhof Schönefeld. Für dieses Projekt habe er gemeinsam mit der bisherigen Bezirksbürgermeisterin von Neukölln, Franziska Giffey, unermüdlich geworben. Für die Anbindung von Neu-Schönefeld an den Süden Berlins sei eine Erschließung durch die U-Bahn unerlässlich, so Haase. Trotz bestehender Vorbehalte seitens des Berliner Senats gegen die Verlängerung der Linie hält es der Schönefelder Bürgermeister für möglich, dass ein Weiterbau der Strecke bis Mitte der 2020er Jahre abgeschossen sein kann. „Die Verlängerung der U7 ist aus meiner Sicht ein Muss“, so Haase.

Der Flughafen BER wird Schätzungen zufolge 40 000 bis 50 000 Arbeitsplätze schaffen. Ein Großteil der Menschen, die im oder am Airport Beschäftigung finden, werden mittelfristig versuchen, ihren Weg zur Arbeitsstelle zu minimieren. Bürgermeister Haase erreichen ständig Anfragen von Menschen, die jetzt noch in Tegel arbeiten, nach Wohnraum in seiner Gemeinde. „Viele graut die Vorstellung, täglich kostbare Lebenszeit im Nahverkehr oder im Auto zu vergeuden, um zum Flughafen herauszukommen.“ Auch Haase schätzt, dass die Einwohnerzahl von Schönefeld von derzeit etwa 15 000 Einwohnern auf mehr als 35 000 bis zum Jahr 2030 steigen wird. Die besonders günstig gelegenen Baufelder bis zur Berliner Stadtgrenze werden bis dahin bebaut sein. Was aber geschieht dann, wenn die Nachfrage nicht nachlassen sollte?

Um solche Fragen dreht sich die Studie „Wohnen im BER-Umfeld“, die am kommenden Dienstag von der bulwiengesa, einem der großen unabhängigen Analyseunternehmen der Immobilienbranche in Europa, vorgestellt wird. Darin geht es neben Standortbedingungen um soziodemografische und immobilienwirtschaftliche Parameter von 18 Brandenburger Gemeinden und Städten sowie von vier Berliner Bezirken.

Die Studie im Auftrag diverser Projektentwicklungs- und Baugesellschaften soll wichtige Grundlagen liefern für die Arbeit der Gemeinsamen Landesplanung Berlin-Brandenburg. So viel steht schon vor der Veröffentlichung fest: Die Studie wird Empfehlungen für die Errichtung von Neubauprojekten aussprechen. Der Bauboom im näheren und weiteren Umkreis von Schönefeld hat demnach gerade erst begonnen.

Klaus Grimberg

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