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Bodenplatte gemacht. Die Decken sind vorgefertigt; eine rechteckige Aussparung zeigt, an welcher Stelle die Versorgungsleitungen durch den Bau laufen.

© Reinhart Bünger

Neue Studentenapartments: Lichtenbergs Leuchtturm

Die Berlinovo errichtet an der Storkower Straße in Modulbauweise ein Apartmenthaus für Studenten.

An der Storkower Straße 205 a geht es Schlag auf Schlag: Im Juni 2016 war der erste Spatenstich für den geplanten Sechsgeschosser mit 129 Studentenapartments. Der Rohbau wurde erst am 23. Januar dieses Jahres begonnen. Nun fehlt nur noch die letzte Etage; in einer Woche soll der Rohbau fertig sein. „Das geht alles extrem schnell und ist ökologisch – die Decken sind aus Stahlbeton vorgefertigt,“ sagt André Haßmann, Projektleiter der Berlinovo.

„Die tragenden Außenwände sind aus Holz und mit Fenstern ebenfalls vormontiert.“ Der Holz-Hybridbau muss nur noch gedämmt werden. Die komplett vorgefertigten Nasszellen stehen schon auf den Stockwerken parat und müssen nur noch in die Apartments geschoben und an die Versorgungsleitungen angeschlossen werden. Schon im Sommer soll das Gebäude bezugsfertig sein. Für das landeseigene Immobilienunternehmen ist der Bau in Lichtenberg in dieser Bauweise in zweifacher Weise ein Pilotprojekt. Denn Bauplanung und -fortschritt werden nach einem Verfahren überwacht, das für die Zukunft des Bauens steht.

„BIM wird in zehn bis 15 Jahren Standard in Deutschland sein“, sagt Jens Bredehorn, Geschäftsführer bei vrame consult GmbH, die Unternehmen bei der Implementierung der BIM-Methode berät und begleitet. Kurz gefasst geht es dabei um das Planen und Bauen mithilfe eines digitalisierten 3-D-Modells.

In der BIM-Methode werden Zeichnungen von einem digitalen 3-D-Modell ersetzt

BIM ist die Abkürzung für „Building Information Modeling“ und bezeichnet die digitalisierte Planung und Umsetzung von Bauvorhaben sowie deren späteren Betrieb. Anders gesagt: BIM ist eine Methode des Informationsaustauschs, in deren Zentrum ein digitales 3-D-Modell steht, auf das alle am Bauprojekt Beteiligten jederzeit und von überall Zugriff haben können. Somit kann der Planer, der Architekt, der Bauherr – wie natürlich auch der Ingenieur – das Bauwerk immer in seinem aktuellen Zustand und im Gesamten überblicken. Die während der Planungs- und Ausführungsphase gesammelten und digital gespeicherten Informationen können dann auch bei der Gebäudebewirtschaftung und bei einem Rückbau verwendet werden.

„Bisher werden Bauvorhaben noch oft konventionell mit technischen Zeichnungen in 2-D geplant und auf deren Grundlage ausgeführt“, sagt André Borrmann, der Leiter des Lehrstuhls für computergestützte Modellierung und Simulation der Technischen Universität München. In der BIM-Methode werden diese Zeichnungen von einem digitalen 3-D-Modell ersetzt. Die Folgen: mehr Transparenz über den Planungs- und Bauprozess, Planungsgenauigkeit, Kostensicherheit und die Einhaltung des Zeitplans. So lautet die einstimmige Meinung unter Experten.

Der schließt sich Berlinovo-Ingenieur André Haßmann uneingeschränkt an, wenn er zunächst in seinen Computer und dann auf seine Baustelle schaut: „Das ist ein fantastisches Instrument – man sieht, ob die Deckenplatten schon liegen und ob die Rauchmelder bereits hängen.“

BIM-basiertes Arbeiten hilft, Planungsfehler zu reduzieren

Einer der Klassikerfehler in der herkömmlichen Planungsweise ist der des falschen Durchbruchs: An einer falschen Stelle in einem Bauwerk wurde ein Durchbruch gemacht, der an der richtigen Stelle noch fehlt – nachträglich muss dann ein Loch in den Beton geschnitten werden. Die Kosten steigen, der Zeitplan platzt. „Ein solcher Planungsfehler wäre bei BIM-basiertem Arbeiten nicht passiert“, sagt Gunther Wölfle, Geschäftsführer des Unternehmens BuildingSMART, dessen Ziel die Verbreitung von BIM im deutschsprachigen Raum ist. „Fehler wie diese passieren, weil man sich nicht ordentlich abgestimmt hat“, sagt Wölfle, „so etwas kommt vor, schließlich ist Bauen eine komplexe Angelegenheit.“ Und BIM ist ein vielversprechendes Mittel dagegen.

Bei der Vorbereitung des Berlinovo-Baus hat man darauf geachtet, dass die Öffnungen für die Versorgungsschächte bereits in den Bodenplatten berücksichtigt wurden. Nun muss der Kranführer sie nur noch richtig herum auf das entsprechende Rohbau-Stockwerk hieven.

In Fachkreisen ist BIM kein neuer Begriff

Zell(en)teilung. Das 3-D-Programm zum Apartmenthaus zeigt stets den aktuellen Ausbaufortschritt.
Zell(en)teilung. Das 3-D-Programm zum Apartmenthaus zeigt stets den aktuellen Ausbaufortschritt.

©  Berlinovo

„Beim BIM-basierten Arbeiten lassen sich die einzelnen Fachplanungen sehr viel besser koordinieren“, sagt Borrmann von der TU München. So würden die Planungen beispielsweise von Klimatechnik, Architektur und Brandschutz mit der BIM-Methode vernetzt, sodass Probleme frühzeitig erkannt und behoben werden können. Hierbei können auch Planungsabläufe simuliert und vorhergesagt und Änderungen unmittelbar in die Planung integriert werden. Außerdem ist es möglich, die Einhaltung von Normen und Richtlinien zu überprüfen und Berechnungen der Planung zu erstellen, was Kosten zuverlässiger und genauer zu ermitteln hilft. Nicht zuletzt lassen sich Planungen in digitaler Form besser visualisieren, was für Transparenz auch für die Öffentlichkeit sorgt.

Haßmann muss in seinem Computer-3-D-Modell Details nur etwas näher heranzoomen, um zu sehen, ob zum Beispiel die richtigen Schrauben verbaut wurden und die Stärke der aufgebrachten Dämmschicht der Norm entspricht.

Ein neuer Begriff ist BIM in Fachkreisen nicht. „An Universitäten und Hochschulen gab es in den letzten Jahren einen enormen Zuwachs an Angeboten von BIM-Seminaren“, sagt Borrmann, der sich selbst seit 2003 wissenschaftlich mit der digitalen Methode auseinandersetzt. Und Wölfle weiß von unzähligen Firmen, die BIM bereits einsetzen. „Es gibt viele, die kein Aufheben machen, aber schon seit zehn, 15 Jahren mit BIM arbeiten.“ Belastbare Zahlen über die tatsächliche Verbreitung von BIM können weder er noch Borrmann nennen.

Bundesbauministerium hat die Methode aufgegriffen

Bei öffentlich finanzierten Bauvorhaben schreiben Länder wie Großbritannien, die Niederlande, Dänemark, Finnland und Norwegen die Nutzung von BIM anders als Deutschland bereits vor. Zudem gibt es EU-Vergaberichtlinien, die es Auftraggebern erlauben, den Einsatz digitaler Technologien einzusetzen – mit BIM arbeitende Unternehmen haben einen deutlichen Wettbewerbsvorteil.

Und wie sieht es hierzulande aus? Sowohl das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit als auch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) haben die Methode aufgegriffen. Das Bundesbauministerium hat Mitte Januar dieses Jahres einen Runderlass an seine 16 Bauverwaltungen geschickt, der dem Tagesspiegel vorliegt. Darin werden die Verwaltungen in den Ländern „gebeten“, bei „neuen zivilen Baumaßnahmen über 5 Millionen Euro Einzelbaukosten ab sofort“ den Bauträger zu beraten, ob für ihn eine „digitale Unterstützung (BIM) sachdienlich sein könnte“.

Beim BMVI läuft seit 2015 ein „Stufenplan Digitales Planen und Bauen“, der vorsieht, BIM bis 2020 zum Standard für Verkehrsinfrastrukturprojekte des Ministeriums zu machen. Spätestens – und wohl erst dann – dürfte auch Berlins Großflughafen BER auf den richtigen Weg gebracht werden.

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