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Kilometerlang nichts als graue Fassade. In Prora wollten die Nazis ein Seebad für 20 000 Urlauber errichten. Fertig wurde der Bau nie. Zu DDR-Zeiten zog die NVA ein, nach der Wende wurde der Komplex unter Denkmalschutz gestellt und privatisiert. In einem Teilabschnitt wurde eine Jugendherberge eröffnet – der Rest steht leer und verfällt. Foto: Stefan Sauer/dpa

© dpa

Immobilien: Neue Spekulationen um den Koloss auf Rügen

Seit der Bund die gigantische Nazi-Anlage in Prora verkauft hat, gab es viele Pläne für das Areal – passiert ist kaum etwas. Nun steht der 500 Meter lange Block I erneut zur Versteigerung. Kritiker sehen das Verkaufskonzept des Bundes als gescheitert an.

Auf der Ostseeinsel Rügen planten die Nazis einst ein Seebad der Superlative. Fertig wurde die gigantische Anlage in Prora nie. Nach jahrzehntelanger militärischer Nutzung gab es seit der Wende viele teils hochtrabende Pläne – die sich zumeist in Luft auflösten. Als Spekulationsobjekt scheint der mehrere hundert Meter lange „Koloss von Rügen“ in bester Strandlage, in dem Platz für 20 000 Urlauber sein sollte, jedoch zu taugen. Der Bund veräußerte ihn an private Investoren. Doch nun dreht sich das Verkaufskarussell erneut.

Am 31. März wird der 500 Meter lange Block I der Megaimmobilie über ein Berliner Auktionshaus versteigert. Historiker und Architekten sehen im Weiterverkauf der weitgehend verwahrlosten Anlage auf dem freien Markt einen Beleg für das Scheitern der Privatisierung durch den Bund. „Prora verkommt zu einem Spekulationsobjekt“, warnt der Leiter des Dokumentationszentrums Prora, Jürgen Rostock. „Die kulturell-historische Dimension fand bei den Verkäufen keine Beachtung.“ Jetzt gehe es nur darum, möglichst effizient viele Ferienwohnungen und Hotelbetten zu errichten oder das Objekt gewinnbringend weiterzuverkaufen.

Prora wurde von den Nazis als 4,5 Kilometer langes Seebad geplant. Wegen des Kriegsausbruchs 1939 ging der Bau als NS-Ferienanlage nie in Betrieb, zu DDR-Zeiten zog die Nationale Volksarmee ein. Nach der Wende ging der gigantische Gebäudekomplex nahe dem mondänen Badeort Binz an den Bund über und wurde unter Denkmalschutz gestellt. 2004 begann die Privatisierung. Doch obwohl inzwischen vollständig vom Bund verkauft, steht die Anlage bis heute weitgehend leer. Nur in einen 200 Meter langen Abschnitt wurde ordentlich investiert: Mit Landes-, Bundes- und EU-Mitteln entstand dort eine Jugendherberge.

Das Mindestgebot für den nun zum Verkauf stehenden Block, in dem sich zu DDR-Zeiten das NVA-Ferienheim „Walter Ulbricht“ befand, liegt bei 798 000 Euro und damit knapp über dem Dreifachen des 2006 vom Bund erzielten Preises. Auktionator Mark Karhausen ist optimistisch, dass der Komplex nebst Grundstück Ende März einen neuen Besitzer finden wird. „Es gibt dort eine Menge zu investieren, aber auch eine Menge zu verdienen“, sagt Karhausen und verweist auf die unmittelbare Nähe zum Ostseestrand. Investoren könnten auf den sechs Etagen Wohnungen und ein Hotel einrichten. Zum Strand hin ist laut Auktionshaus der Anbau von Balkonen möglich.

2006 hatte Ulrich Busch – Sohn des Sängers und Schauspielers Ernst Busch – die baugleichen Blöcke I und II für insgesamt 455 000 Euro vom Bund erworben, um ein Hotel und Wohnungen zu errichten. Busch verkaufte später den Block I an einen österreichischen Investor. Trotz mehrfacher Ankündigungen kam es bisher nicht zum Baubeginn. Nun trennt sich der österreichische Partner von seinem Teil – „aus persönlichen Gründen“, wie er sagt.

Kritiker sehen sich angesichts des Immobilien-Monopolys in ihren Zweifeln am Verkaufskonzept des Bundes bestätigt. Nach Ansicht von Michael Bräuer, Vizedirektor der Abteilung Baukunst der Akademie der Künste, zeigt die Preisentwicklung, dass der Bund die Anlage deutlich unter Wert verkauft habe. „Der Bund hat sich billig aus der Verantwortung gezogen. Das ist skandalös“, kritisiert der Architekt.

Insgesamt erzielte der Bund 3,45 Millionen Euro – und weist die Kritik zurück. „Wir sind mit dem wirtschaftlichen Ergebnis der Veräußerung zufrieden“, sagt Raymund Karg von der Rostocker Niederlassung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA). Den Preissprung nach dem Bundesverkauf im Jahr 2006 führt die BIMA auf Wertschöpfungseffekte infolge der Erteilung des Baurechtes zurück.

Was die Kritiker auch weiter beschäftigt, ist die Frage, ob der Bund sich nun aller Möglichkeiten beraubt hat, auf die Entwicklung der historisch vielschichtigen Immobilie Einfluss zu nehmen. Trotz entsprechender Festlegungen in den Verträgen zwischen Bund und Käufern bangen die Museen wie das Dokumentationszentrum Jahr für Jahr um ihre Existenz. „Wir merken im Nachhinein, dass die Festlegungen in den Verträgen nicht ausreichen“, sagt der Vorsitzende des Bundestags-Petitionsausschusses, Günter Baumann (CDU). Erst im Oktober 2011 musste sich der Ausschuss einschalten, um zwischen dem Eigentümer und den Museumsbetreibern einen Kompromiss zu erzielen.

Historiker sehen eine weitere Gefahr: Bei einer Privatauktion sei nicht mehr auszuschließen, dass sich rechtsextremistische Gruppierungen über harmlos erscheinende Treuhändergesellschaften in die Immobilie einkauften. „Wer will das später kontrollieren?“, fragt Museumschef Rostock. (dpa)

Martina Rathke

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