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Neubau: Luxuswohnungen machen noch keine Großstadt

Berlins Baupolitik muss mit wachsender Internationalität neue Formen annehmen. Gebraucht werden Initiativen, Investoren und Projektentwickler, die Berlins soziale Mischung erhalten und andererseits die Eigentumsquote erhöhen.

Richtfeste haben immer etwas Erhabenes. So wie kürzlich beim Palais Varnhagen in der Französischen Straße. Das von Architekt David Chipperfield entworfene Wohnhaus entspricht nicht ganz der für Berlin typischen Blockrandbebauung, sondern knüpft architektonisch an die Typologie des Hotel Particulier an, dem im 17. und 18. Jahrhundert vom französischen Adel und Klerus bevorzugten Stadthaus in U-Form.

Ein repräsentativer Bau in einer repräsentativen Straße. Das passt, könnte man sagen. Zumal die Quadratmeterpreise zwischen 6500 Euro und fast 13.000 Euro pro Quadratmeter lagen.

„Das größte Penthouse hat 6,6 Millionen Euro gekostet“, verrät Michael Sodar, Sprecher des Projektentwicklers Artprojekt. Alle Wohnungen seien vor der Rohbaufertigstellung verkauft worden. Und im Gegensatz zu anderen Luxusprojekten sind ausgerechnet die drei Penthäuser, die zwischen 220 und 560 Quadratmeter groß sind, an deutsche Unternehmer verkauft worden. „Alles sehr nette Menschen, die überlegen, nicht nur zeitweise hier zu wohnen, sondern ganzjährig“, sagt Thomas Hölzel, Chef der Artprojekt Unternehmensgruppe. Ein Käufer überlege sogar, sein Unternehmen aus Süddeutschland nach Berlin zu verlegen.

Eine Nachricht, die Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer freuen dürfte und die These von Stadtentwicklern und Analysten wie Rosemary Feenen stützt. Sie sagt, dass Architektur für die Attraktivität eines Wirtschaftsstandorts entscheidend sein kann. So sei die Immobilienwirtschaft heute ein Treiber für wirtschaftliche Entwicklung in urbanen Ballungsräumen.

Aber Luxusentwicklungen und Bürogebäude allein sorgen nicht für wirtschaftliches Wachstum. Auch reicht es nicht, wie derzeit in Berlin, den sogenannten bezahlbaren Mietwohnungsbau mit Maßnahmen wie dem kooperativen Baulandmodell oder durch öffentliche Förderung für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften anzukurbeln. Auch hilft eine Mietpreisbremse nicht, wenn sie am Ende nicht wirkt.

Die Eigentumsquote in der deutschen Hauptstadt liegt bei nur 15 Prozent

Ein Kaskadeneffekt von Eigentumswohnungsneubau, der Mietwohnungen frei werden lässt, findet derzeit nicht statt. Denn im Eigentumssegment fehlen Optionen für Bauherren und potenzielle Wohnungskäufer, die nicht über das nötige Eigenkapital verfügen und im Schnitt 3625 Euro pro Quadratmeter bezahlen können. Lediglich das im Juli 2015 eingeführte Familienbaudarlehen der IBB bietet Familien und Alleinerziehenden, die über ein Einkommen von nicht mehr als 180 Prozent der im Wohnraumförderungsgesetz festgelegten Obergrenzen verfügen, ein zinsgünstiges Darlehen zur Eigenheimfinanzierung.

Eine dreiköpfige Familie darf demnach nur ein Jahresnettoeinkommen von rund 40.000 Euro erwirtschaften und muss gleichzeitig 15 Prozent der Baukosten als Eigenkapital vorrätig haben. Aber bislang zeigt diese neue Maßnahme noch nicht das Potenzial, die Eigentumsquote in der deutschen Hauptstadt deutlich über 15 Prozent zu heben. Denn das jährliche Programmvolumen von fünf Millionen Euro ist recht überschaubar und würde bei einem avisierten Förderumfang von 100.000 Euro pro Baufamilie jedes Jahr nur 50 Familien zu Eigentum verhelfen.

Insofern werden Initiativen, Investoren und Projektentwickler gesucht, die einerseits Berlins soziale Mischung erhalten oder gar fördern und andererseits die Eigentumsquote erhöhen. „Architekten allein können keine Projekte ins Leben rufen“, sagt Architekt Daniel Libeskind, der nicht nur ein renommierter Künstler ist, sondern auch ein Planer und Visionär, der das Phänomen Stadt im Kern begreift.

„Die Vitalität einer Stadt kommt von den Menschen, die in ihr leben“, sagt er. Insofern denkt er seine Häuser immer von Innen nach Außen. Auch Ästhetik spiele eine zentrale Rolle, vor allem im öffentlichen Raum. Städte, ihre Plätze und Straßen müssen demnach schön sein, ansprechend und einladend.

Es geht nicht um den Superarchitekten mit der Superidee

Das gilt gerade jetzt, da immer mehr Menschen in Städte ziehen – auch nach Berlin. Jährlich nimmt die Bevölkerung hier um die Zahl einer mittelgroßen Stadt zu. Viele davon suchen im günstigen Segment nach Wohnraum und würden, wenn sie könnten, vielleicht auch Eigentum kaufen. Nicht zum Spekulieren wie Investoren oder sogar am Ende manche Baugruppen, die plötzlich das große Geld riechen, sondern zur Selbstnutzung, zum Hierbleiben und Heimischwerden. Dazu zählen Studenten, Young Professionals, Familien und Flüchtlinge.

„Man muss Zuwanderer so in die Städte integrieren, dass sie nicht im Abseits stehen. Es geht nicht darum, den Superarchitekten mit der Superidee zu finden. Die Unterbringung von Zuwanderern hat auch nicht mit möglichst vielen Quadratmetern in optimalen Modulbauten zu tun, sondern mit sozialen Aspekten, mit der Anbindung an den öffentlichen Raum“, hat Libeskind unlängst gesagt. Wenn er diese Vision für ein urbanes Grundstück in Berlin zu bezahlbaren Preisen realisieren kann, wie er es sich immer wieder gewünscht hat, dann könnte das der erste Schritt zum Umdenken sein.

Denn günstiges Wohneigentum muss nicht billig oder hässlich sein – auch nicht in Zeiten steigender Baukosten und zunehmender Flächeneffizienz.

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