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Arbeiten haben begonnen. Ein Bagger gräbt bereits das Erdreich an der Uhlandstraße 187 um.

©  Gerd W. Seidemann

Neubau in der City West: Investor plant Mikroapartments am Bahnviadukt in Charlottenburg

Vor einem bekannten Wandbild in der Uhlandstraße 187 soll gebaut werden. Das Kunstwerk droht zu verschwinden.

Marx und Engels schauen aus ihrem Wolkenheim entsetzt drein ob des Geschehens, das sich in der Stadt abspielt: Ein Krake, der die Schlüsselindustrien fest im Griff hält; an Fäden manipulierte Politiker, die palavernd im Parlament sitzen; einfache Bürger, die angesichts immer neuer Gesetze und finanzieller Lasten verzweifeln. Das 2004 entstandene Triptychon in Charlottenburg hat wenig an Aktualität eingebüßt – und wird doch weitgehend verschwinden. Nach einem mehr als zehn Jahre dauernden Hin- und Hergeschiebe zwischen diversen Eigentümern, Investoren und Projektentwicklern soll nun tatsächlich auf dem Grundstück Uhlandstraße 187, unmittelbar am vielbefahrenen Bahnviadukt, ein Neubau hochgezogen werden. Und der wird zwei der drei riesigen Wandgemälde verdecken.

Hotel, Büros, Wohnungen – alles mögliche hatten Planer und Investoren bereits am Charlottenburger Bahndamm wachsen sehen. Auf dem Papier. Zwischen 2008 und 2013 hatte das Büro Becker Architekten für die Eigentümerin Concept Pro Immobilien GmbH einen Bau mit etwa 60 Wohnungen entworfen. Baukosten: neun Millionen Euro. Doch daraus wurde nichts. Schließlich entwickelte das Immobilienunternehmen Pantera AG aus Köln das Konzept eines Apartmenthauses für das Grundstück und verkaufte die Pläne fix und fertig bereits vor anderthalb Jahren an die AOC Immobilien AG aus Magdeburg. Dieses Konzept sah „64 vollständig und hochwertig eingerichtete Serviced Apartments auf einer Gesamtfläche von rund 3300 Quadratmetern vor“, wie es seinerzeit hieß. Pantera hatte dabei Wohnungsgrößen bis zu 90 Quadratmeter vorgesehen und war von 20 Millionen Euro Investitionssumme ausgegangen.

Für Anleger sind die prekären Standorte kein Problem

Jetzt sollen nach den Vorstellungen von AOC Immobilien sogenannte Mikroapartments entstehen, offenbar in Berlin das Geschäftsmodell der Stunde, das optimalen Gewinn verspricht. Zumindest wenn es ums Bauen auf Grundstücken geht, die für Wohnungen auf den ersten und zweiten Blick nicht besonders attraktiv erscheinen. Für Projektentwickler hingegen sind Geländestreifen an Bahngleisen oder Autobahnen allem Anschein nach ideal, um Kurzzeit-Berliner vorübergehend mit vier Wänden zur Miete zu versorgen. Für Anleger, die für diese Projekte das Geld geben, Steuern sparen und solide Renditen einfahren, sind die prekären Standorte auch kein Problem, weil sie nicht selbst in ihr Eigentum einziehen wollen, ja, gar nicht dürfen, da das Steuersparmodell die Eigennutzung ausschließt.

Der Projektentwickler möchte zwischen Bahnschienen und Wandbild Dutzende Mikroapartments bauen.
Der Projektentwickler möchte zwischen Bahnschienen und Wandbild Dutzende Mikroapartments bauen.

©  AOC Immobilien

AOC sieht als Zielgruppe „insbesondere Business-Pendler und Singles“, wie es etwas unpräzise auf der Internetseite des Unternehmens heißt. Präzisieren mochte AOC-Mitinhaberin Babette Schmidt diese Angaben nicht, Fragen dieser Zeitung beantworten schon gar nicht. In jedem Fall sind gemäß Online-Darstellung von AOC 64 Wohneinheiten mit Flächen zwischen 33 und 65 Quadratmetern vorgesehen. „Alle Apartments werden hochwertig möbliert ausgestattet und vermietet“, gibt das Magdeburger Unternehmen auf seiner Homepage an. Keine Angaben gibt es hingegen zu Kauf- beziehungsweise späteren Mietpreisen. Wie zwei ebenerdig gelegene Gewerbeeinheiten genutzt werden sollen, ist noch offen.

Für die Mikroapartments liegt noch keine Baugenehmigung vor

Die vorliegende Visualisierung des Neubaus auf dem knapp 1400 Quadratmeter großen Grundstück zeigt sieben Geschosse. Ab dem zweiten Obergeschoss kragt der Neubau dann zu den Gleisen hin ein Stück vor. So wird Fußgängern entlang der derzeit noch ungenutzten Bahngewölbe Schutz geboten. Wie schon bei Plänen des Büros Becker Architekten, das 2008 ein „normales“ Wohnhaus gezeichnet hatte, dient die Nordseite ausschließlich der Erschließung des Gebäudes; Treppen und Flure sollen einen Schutzwall vor den vorbeirauschenden Zügen bilden.

Während ein Bagger bereits unter den Augen von Engels und Marx auf dem Baugrund gräbt und Erdreich bewegt, ist noch die Frage nach der Baugenehmigung von Interesse, die es für die von der Pantera AG geplanten Wohnungen bereits gab. Charlottenburgs Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) befindet sich derzeit in Urlaub, doch für ihn springt Stadtrat Arne Herz (CDU) ein: „Auf dem genannten Grundstück wurde eine Bebauung genehmigt, die offensichtlich nicht zur Ausführung kommen wird. Derzeit ist ein veränderter Antrag in Bearbeitung, der noch nicht veröffentlicht werden kann“, heißt es auf Anfrage. Das bedeutet: Für die „Mikroapartments“ von AOC Immobilien liegt noch keine Baugenehmigung vor. So könnte sich für die Wandmalereien noch unverhofft eine Galgenfrist ergeben.

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