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Kevin Kühnert ist stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD und seit Anfang 2020 Verantwortlicher des SPD-Vorstands für den Bereich Immobilien, Bauen und Wohnen. Zuletzt hatte er Roger Akelius, den Gründer der Wohnungsfirma Akelius, nach dessen Kritik am Mietendeckel und der rot-rot-grünen Koalition in Berlin scharf angegriffen.

© Michael Kappeler/ picture alliance/dpa

Mietrecht: Wie Kevin Kühnert Vermieter zur Kasse bitten will

SPD will Warmmiete zur Grundlage der Mietgesetzgebung machen. Modernisierungsumlage soll weiter sinken

Nun ist es heraus: Vermieter sollen künftig die Hälfte der Kosten für den seit 1. Januar geltenden CO2-Preisaufschlag auf Öl und Gas tragen. Das geht aus einem Beschluss hervor, den die Bundesregierung am Mittwoch begleitend zum geänderten Klimaschutzgesetz gefasst hat. Der CO2-Preis auf Öl und Gas gilt als eines der wichtigsten Lenkungsinstrumente zur Reduktion von Treibhausgasemissionen. Derzeit liegt der Preis bei 25 Euro pro Tonne CO2. Er wird seit 1. Januar 2021 etwa beim Tanken oder Heizen fällig. Die bisherigen Pläne der Bundesregierung sehen vor, ihn schrittweise bis 2025 auf 55 Euro steigen zu lassen.

Was aber heißt das konkret für die (Neben-)Kostenverteilung zwischen Vermietern und Mietern? Der CO2-Preisaufschlag darf nicht vollumfänglich über die Betriebs- oder Heizkosten auf die Mieter:innen umgelegt werden, sondern maximal zu fünfzig Prozent. „Sie haben keinen unmittelbaren Einfluss auf die Heizungsart ihrer Wohnungen und können durch eigene Verhaltensänderung nur in einem gewissen Umfang zum Energie- und Kostensparen beitragen“, schreibt Kevin Kühnert, stellvertretender SPD-Parteivorsitzender und seit Anfang 2020 Verantwortlicher des SPD-Vorstands für den Bereich Immobilien, Bauen und Wohnen in einem Beitrag für das aktuelle Jahrbuch „Klimagerechtes Planen & Bauen 2021/2022“ des Bundes Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure e.V.

Damit nicht genug. „Perspektivisch wollen wir zudem die Warmmiete zur Grundlage der Mietgesetzgebung machen und MieterInnen darüber hinaus stärker an der Wertschöpfung erneuerbarer Energien durch einen verstärkten Ausbau des Mieterstroms beteiligen“, schreibt Kühnert zum Thema „Soziale und ökologische Nachhaltigkeit“ weiter. Die Umstellung der gesetzlichen Mietgesetzgebung auf die Warmmiete würde weitere Spielräume eröffnen, glaubt der ehemalige Juso-Vorsitzende: „Energieeinsparungen könnten zur Finanzierung der erforderlichen Investitionen dienen und den Druck auf die Mieten verringern.“ Das Kalkül dahinter: Vermieter, die ihren Gebäudebestand nicht energetisch ertüchtigen, könnten sich durch eine Deckelung der Warmmieten über Preisspiegel über kurz oder lang dazu gezwungen sehen. Das Umlegen derartiger Modernisierungen soll weiter eingeschränkt werden, wenn es nach der SPD geht. „Wir bekennen uns, die Modernisierungsumlage weiter absenken zu wollen“, schreibt Kühnert. In der laufenden Legislaturperiode wurde die Modernisierungsumlage bereits von 11 auf acht Prozent verringert und eine Kappungsgrenze für Mieterhöhungen nach Modernisierung eingeführt.

Das Bundesumweltministerium geht davon aus, dass sich durch eine Teil-Kostenübernahme vonseiten der Vermieter eine deutliche Entlastung von Mietern ergeben wird. In Beispielrechnungen zeigt das Ministerium auf, dass sich die Gesamtkosten etwa für eine zur Miete lebende Familie mit einem Kind und ohne Auto um die Hälfte verringern, wenn Vermieter 50 Prozent des CO2-Preises übernehmen. Eine allein lebende Rentnerin auf dem Land, die zur Miete wohnt und ein Auto besitzt, würde demnach beim Heizen 45,20 Euro sparen, wenn CO2-Preis-Zusatzkosten von 121,30 Euro zugrunde gelegt werden.

Immobilienwirtschaft reagiert bestürzt auf Kostenverteilung beim Klimaschutz

Vertreter von Immobilienwirtschaft und Eigentümern reagierten bestürzt auf die ersten bekannt gewordenen Details der Sanierungsoffensive. „Dass Vermieter nun 50 Prozent der von den Mietern verursachten CO2-Kosten tragen müssen, ist nicht akzeptabel“, sagt Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke zum Beschluss der Bundesregierung. Der Vermieter habe keinen Einfluss darauf, wie viel der Mieter heizt oder wie viel Warmwasser er verbrauche. Klimaschutzpolitisch sei dieser Beschluss daher kontraproduktiv, sagte Warnecke. Er kündigte an, diese Regelung verfassungsrechtlich prüfen zu lassen. „Der Regierungsbeschluss wird zu einer tieferen Spaltung der Gesellschaft führen. Die Bundesregierung möchte offensichtlich die großen Lasten der Energiewende im Gebäudebestand auf die 3,9 Millionen privaten Vermieter abwälzen. Gleichzeitig wird ihnen durch überzogene Mietregulierungen die finanzielle Grundlage entzogen. Am Ende der Kanzlerschaft Angela Merkels ist das vermietete Privateigentum in akuter Gefahr“, sagte Warnecke. Kühnerts Idee, die Warmmiete zum Maß aller Dinge zu machen, bezeichnete Warneckes Kollege Gerold Happ auf Anfrage des Tagesspiegels als risikoreich. „Dreht der Mieter alle Heizkörper auf und alle Kosten landen dann beim Vermieter, entsteht ein unkalkulierbares Risiko.“ Stattdessen müsse der Mieter ein finanzielles Interesse daran haben, die Verbrauchskosten zu senken, sagte Happ, der bei Haus & Grund Geschäftsführer Immobilien- und Umweltrecht sowie Mitglied der Bundesgeschäftsführung ist. Wie auf der Grundlage von Kühnerts Überlegungen finanzieller Druck von der Miete genommen werden könne, sei unklar.

Je heller, desto größer der Energieverlust. Eine Thermografie-Aufnahme zeigt, wo die Wärme ungenutzt entweicht.
Je heller, desto größer der Energieverlust. Eine Thermografie-Aufnahme zeigt, wo die Wärme ungenutzt entweicht.

© innogy/txn

Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen wertete den Beschluss als Anreiz- und Investitionskiller für weitere Klimaschutzmaßnahmen. So hätten viele Vermieter in Ostdeutschland aufgrund der Marktsituation vor Ort keine Möglichkeiten, die Miete entsprechend anzupassen. „Der von der Bundesregierung gefasste Beschluss zur Kostenteilung beim CO2-Preis wird zur Investitionsbremse für viele Vermieter“, sagte auch BFW-Präsident Andreas Ibel. „Eigentümer und Investoren sind nicht für den individuellen Strom- und Wärmeverbrauch von Mietern verantwortlich. Wer im Winter den ganzen Tag das Fenster auf Kipp und die Heizung auf volle Leistung gedreht hat, pustet das CO2 regelrecht zum Fenster raus. Deshalb macht es keinen Sinn, Vermieter an der verbrauchsabhängigen CO2-Umlage zu beteiligen“, sagte Ibel für den GdW. „Statt Kosten für Vermieter zu erhöhen, muss die Politik durch das Förderrecht gezielte Investitionsanreize schaffen.“

Investitionen in Energieeinsparungen rechnen sich bisher nicht

Dafür plädiert auch Wolfgang Maennig, der an der Universität Hamburg Volkswirtschaft lehrt und selbst als Immobilienunternehmer in Berlin aktiv ist. „Natürlich gibt es viele Mieter, die aus Rücksicht auf die Natur dennoch sparsam heizen würden. Eine zusätzlich verbrauchte Kilowattstunde Energie kostet den Mieter jedoch im Kühnert-Vorschlag nichts mehr. Das führt nach aller Erfahrung und Empirie insgesamt zu erhöhtem Energie-Verbrauch. Der Umwelt wäre damit sicherlich nicht geholfen“, sagt Maennig. Allerdings sei Kühnerts Analyse in einem Punkt richtig: „Bei den derzeitigen Preisrelationen lohnen Investitionen in Energieeinsparungen zu oft nicht.“ Daran hätten die bisherigen Maßnahmen – wie Zuschüsse und die Pflicht zum Energie-Ausweis – wenig geändert. „Das heißt aber nicht, dass die Maßnahmen sinnlos sind, sondern nur, dass sie zu schwach ausgestaltet sind“, sagt Maennig: „Eine (deutlich) erhöhte CO2-Abgabe würde die Sensitivität der Nutzer steigern. Und statt nur auf (zu schwache) Zuschüsse zu setzen, könnte man den Eigentümern Prämien zahlen, sodass sie an Energiesparmaßnahmen gar verdienen würden. Aber bitte keine Prämien, die an den Kosten orientiert sind, sondern Prämien, die an den Einsparergebnissen orientiert sind.“

Die Immobilienwirtschaft sei gefragt, ob nicht die Umlage auf längere Amortisationszeiträume, z.B. angelehnt an die Abschreibungsdauer für die Investition, angepasst und als Zuschlag auf den variablen gesetzlichen Basiszins berechnet werden sollte, findet Immobilienrechtler Jan Kehrberg (Kanzlei GSK Stockmann). „Vier Prozent plus Basiszins führen auch noch nicht zu vollkommen unwirtschaftlichen Rechnungen“, sagte er zum SPD-Vorschlag einer weiteren Absenkung der Modernisierungsumlage.

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