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Seit knapp einem Jahr gilt das Berliner Mietendeckel-Gesetz. Seitdem sind in der Stadt die Mieten für rund eineinhalb Millionen Wohnungen auf dem Stand von Juni 2019 eingefroren. Die zweite Stufe des MietenWoG trat zum 23. November in Kraft. Vermieter müssen ihre Mieten senken, soweit diese mehr als 20 Prozent über den vom Senat festgelegten Obergrenzen liegen. Das umstrittene Vorhaben wird vom Bundesverfassungsgericht auf seine Zulässigkeit überprüft.

© Fabian Sommer/dpa

Mietendeckel: Verfahrene Umsetzung

Seit knapp einem Jahr gilt in Berlin das neue Gesetz zur Begrenzung der Miethöhen. Senatsverwaltung und Bezirken fehlt immer noch Personal.

Für viele Berliner ist der Mietendeckel ein Segen. Am 23. Februar 2020 – vor fast einem Jahr – trat er in Kraft. Doch was tun, wenn sich das Prozedere hinzieht und es nicht so leicht zur erwünschten Mietsenkung kommt? Das Ausmaß der Bürokratie wirke abschreckend, klagte ein Mieter gegenüber dem Tagesspiegel. Wie gehen die Bezirke mit Anfragen um, was geht bei den Mitarbeitern und was geht ein an Anzeigen? Die Resonanz ist zwiespältig: Die Bandbreite reicht von schneller Bearbeitung von Anzeigen bis zu weitgehender Funkstille bei den Behörden, Personalmangel und technischen Problemen.

Der Leser hatte sich schon im April vergangenen Jahres an sein zuständiges Wohnungsamt gewandt und um Überprüfung seiner Miete nach § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln gebeten. Ende Januar 2021 kam der förmliche Bescheid. Tatsächlich war seine Miete nach dem gesetzlich festgelegten Stichtag (18. Juni 2019) unerlaubterweise erhöht worden. Dies wurde inzwischen rückgängig gemacht. Nach dem Inkrafttreten des sogenannten Mietendeckels nach § 5 des MietenWoG Bln am 23. November 2020 ermittelte der Mieter nach dem im Internet von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen angebotenen Mietendeckelrechner seine preisrechtlich zulässige Miete, teilte dies seinem Vermieter mit und kürzte den Überweisungsbetrag.

So weit, so gut. Dennoch findet der Leser die geltenden Regelungen sehr komplex und unüberschaubar: „Ich kenne einige Mieter, die auch Anspruch auf Absenkung der Miete hätten, aber nicht wissen, wie sie das gegenüber unwilligen Vermietern durchsetzen sollen. Der Mietendeckel ist nach meinem Eindruck ein Bürokratiemonster, das selbst für engagierte und informierte Mieter kaum zähmbar ist.“

Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sind im Bereich Kappung von 120 Stellen derzeit 16 besetzt

Tatsächlich ist zu beachten, dass sowohl die Wohnungsämter der Bezirke für den Teil des Mietenstopps zum Stichtag 18. Juni 2019 wie auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen für die Absenkung einer überhöhten Miete ab 23. November 2020 eingebunden sind. Mit Stand 1. Februar 2021 sind bei der zuständigen Senatsverwaltung rund 1400 Anzeigen wegen überhöhter Miete nach § 5 MietenWoG Bln eingegangen, die von 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bearbeitet werden. Den zwölf Berliner Bezirksämtern wurden nach Angaben von Wenke Christoph (Linke), Staatssekretärin für Wohnen, bislang insgesamt 2800 Verstöße gegen das Gesetz zu den Akten gegeben. Christoph antwortete dem FDP-Fraktionsvorsitzenden im Berliner Abgeordnetenhaus, Sebastian Czaja, auf ein entsprechende Anfrage am 3. Februar, dass "derzeit 30,5 von den vorgesehenen 48 Stellen auf Bezirksebene" besetzt "oder zur Besetzung vorgesehen" sind. Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen sind "von den vorgesehenen 120 Beschäftigten im Bereich Sachbearbeitung Kappung (...) derzeit 16 Stellen besetzt". In der Abteilung Widerspruchsbearbeitung sind sechs von zehn vorgesehenen Stellen besetzt. "Wann der Einstellungsprozess abgeschlossen sein wird, kann derzeit noch nicht vorhergesehen werden (...)", schreibt Staatssekretärin Christoph für die Senatsverwaltung. Der Personalmangel trifft auch Vermieter, die Härtefallanträge auf Genehmigung einer höheren Miete gestellt haben. Nach Christophs Angaben hängen hier aktuell 235 Anträge, die bei der Investitionsbank IBB gestellt wurden, in der Schwebe: "Die Bescheidung von bereits in Bearbeitung befindlichen Härtefallanträgen sowie der Bearbeitungsbeginn noch nicht in Bearbeitung befindlicher Härtefallanträge ist derzeit verzögert, da künftig Mieterinnen und Mieter in das Verwaltungsverfahren mit einbezogen werden."

Michael Karnetzki, der für das Wohnungsamt in Steglitz-Zehlendorf zuständige Bezirksstadtrat, verzeichnet bisher 173 Bürgeranfragen: „In vielen Fällen richten sich die Anfragen auf die versäumte Auskunft des Vermieters gemäß § 6 Abs. 4 MietenWoG Bln zu den Voraussetzungen der Mietenbestimmung. Diese hätte spätestens zwei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes am 23. Februar 2020 erteilt werden müssen.“ Bei einem Versäumnis könne das Bezirksamt ein Bußgeld verhängen. Dies werde aber berlinweit „nur in wenigen Fällen“ so gehandhabt, „da der ganz überwiegende Teil der Vermieter seiner gesetzlichen Verpflichtung spätestens nach der Erinnerung durch das Bezirksamt nachkommt“, sagt Karnetzki. Anträge zur Absenkung einer überhöhten Miete müssten aber stets von der Senatsverwaltung bearbeitet werden. Im Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf stellt sich ein Mitarbeiter den Aufgaben des Mietendeckel-Gesetzes.

Im Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf stehen dafür viereinhalb Planstellen bereit. Nach Angaben des zuständigen Stadtrats Arne Herz (CDU) sind bisher rund 400 Anträge von Mietern eingegangen, darunter 290 auf Überprüfung von Mieterhöhungen und Neuvermietungen ab dem Stichtag 18. Juni 2019. Etwa in jedem fünften Fall wurden überhöhte Mieten festgestellt. Zur Bearbeitungszeit eines Antrages sagt Herz: „Das ist sehr unterschiedlich und kann noch nicht eingeschätzt werden, da das Personal mehrheitlich erst ab dem 1. Oktober 2020 zur Verfügung stand. Darüber hinaus hängt die Feststellung der überhöhten Miete auch von der Auskunft aller Parteien und der Vollständigkeit der Unterlagen ab.“

Berlin größter Bezirk beschäftigt drei Mitarbeiter zur Kontrolle des Mietendeckels

In Treptow-Köpenick lagen bisher 75 Anzeigen zur Überprüfung der Miethöhe am Stichtag 18. Juni 2019 vor. In 17 Fällen war die Miete überhöht. In drei Fällen weigerten sich Vermieter, die Regelungen des Mietendeckels umzusetzen. Hier drohen Zwangsgeldverfahren, wie die Bezirksamtssprecherin Marie Penke erläutert.

Im Bezirk Pankow haben mit Stand Jahresende 2020 genau 322 Mieter Auskunftswünsche an die Behörde gerichtet, die von drei Mitarbeitern bearbeitet werden. Eine statistische Auswertung war aber bisher nicht möglich. „Das Bezirksamt verfügt in der derzeitigen Version der verwendeten Fachanwendung über keine eigene Statistikfunktion“, sagt Nicole Holtz, Referentin des zuständigen Baustadtrats Vollrad Kuhn (Grüne).

Ähnliche Probleme gibt es auch in Tempelhof-Schöneberg. Stadträtin Christiane Heiß teilt dazu mit: „Die für die Bearbeitung der BürgerInnenhinweise eingesetzte Software befindet sich noch in der Erarbeitung und bietet derzeit nur eingeschränkte Funktionalitäten.“ Bis Ende Januar 2021 sind im Rathaus am Tempelhofer Damm 192 Anfragen aufgelaufen. Ein Großteil beträfe überhöhte Bestandsmieten. Es wurde auf die Zuständigkeit der Senatsbehörde hingewiesen. Immerhin sind in Tempelhof-Schöneberg sechs Beschäftigte zur Prüfung von Anträgen und Anfragen abgestellt. „Wenn alle Daten vorliegen, erfolgt die Prüfung in der Regel innerhalb von zehn Arbeitstagen“, sagt die Stadträtin.

Im Bezirksamt Lichtenberg muss man länger warten. Christoph Keller, Referent von Stadträtin Katrin Framke (parteilos für die Linke), teilt mit: „Für die Antragsaufnahme bis zur abschließenden Mitteilung der Überprüfung dauert es bei einfachen Sachverhalten in der Regel drei Monate.“ Derzeit ist aber auch nur eine Stelle für Aufgaben in Verbindung mit dem Mietendeckel besetzt.

In Mitte und Neukölln wurden bisher 220 beziehungsweise 194 Anzeigen zum Mietenstopp registriert. In Mitte sind derzeit zwei, demnächst aber noch drei weitere Planstellen für die Bearbeitung vorgesehen. In Neukölln kümmern sich vier Mitarbeiter um das Thema.

55 Anfragen in Spandau - aber keine Antwort

Im Spandauer Rathaus sind bisher 55 Anfragen eingegangen. Dort war eine Bearbeitung aber noch nicht möglich, da es trotz mehrerer Ausschreibungsverfahren bisher nicht gelungen sei, die vorhandenen Stellen zu besetzen, wie aus dem Büro von Bezirksstadtrat Stephan Machulik (SPD) verlautet. Auch in Marzahn-Hellersdorf gibt es Probleme. „Unter den gegenwärtigen Bedingungen“ sei eine angemessene Beantwortung der Anfrage zum Mietendeckel nicht möglich, schreibt Pressesprecher Frank Petersen. Die Anfrage an das Bezirksamt Friedrichshain- Kreuzberg blieb unbeantwortet.

Im Haus von Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) ist man mit der Umsetzung der umstrittenen Regelung zufrieden: „Die Vermieter halten sich überwiegend an die Vorgaben des Gesetzes.“ Neben den 18 bisher eingesetzten Kräften „wurden bereits weitere 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Bearbeitung von Anzeigen nach § 5 MietenWoG Bln ausgewählt. Es ist geplant, noch weitere Stellen auszuschreiben.“

Reiner Wild, Geschäftsführer beim Berliner Mieterverein, ist mit dem bisherigen Umgang mit der Mietendeckel-Regelung zufrieden. Er hätte sich mehr Klarheit bei der Formulierung des Gesetzes gewünscht. So mangele es an „einheitlichen Regelungen und Verfahrensweisen der Bezirksämter, wenn Vermieter trotz des Mietendeckels Zustimmungen zu Mieterhöhungen vom Mieter erzielen wollen“.

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