zum Hauptinhalt
Sommerurlaub auf der Kippe. Wann auf Mallorca der Betrieb wieder hochgefahren werden kann, dürfte laut Reiseveranstalter TUI vor allem auch von der Umsetzung neuer Hygiene-, Abstands- und Catering-Konzepte in den Hotels abhängen.

© AFP/Jaime Reina

Mallorca in der Corona-Krise: Welle, Delle, Ausfälle

Die Immobilienpreise auf den Balearen stiegen jahrelang. Plötzlich ist alles anders.

Die Stille fällt auf. Kein Klappern von Tassen aus den Cafés, kein vielsprachiges Gemurmel auf den sonst an jeder Ecke installierten Terrassen von Mallorcas Hauptstadt. Die Straßen und Plätze der Altstadt von Palma sind wie ausgestorben. Die sechswöchige Ausgangssperre, die bis Ende vergangener Woche in Spanien herrschte, hat nicht nur dem Treiben der Einheimischen ein vorübergehendes Ende gesetzt. Lange schon sind auch die letzten Touristen, die bei der Ausrufung des Notstandes hier ihre Ferien verbrachten, abgereist.

Rückblende. Friedrich A. Panizza ist Eigentümer eines schönen Natursteinhauses mit fünf Zimmern, Dachterrasse, Kamin sowie Pool mit Gegenstromanlage. Das rustikale Domizil befindet sich in Villafranca im Herzen von Mallorca. Vor mehr als 30 Jahren hat er es gekauft, um der südlichen Sonne näher zu sein. Drei Millionen Peseten hat er für die rund 90 Quadratmeter Wohnfläche bezahlt. Der 66-Jährige ist so freundlich, die Summe in die aktuelle Währung umzurechnen: 15000 Euro. In der Zwischenzeit hat Panizza das Haus erweitert, es bietet nun doppelt so viel Platz. Jetzt will er seine Immobilie verkaufen. Er veranschlagt knapp eine halbe Million Euro. Doch wann er dieses wohl letzte große Geschäft seines Lebens machen wird, das steht dahin.

Vielleicht kommt es zu einer schubweisen Öffnung

„Anders als in industriellen Wirtschaftsräumen wird es hier deutlich länger dauern, bis die Wirtschaft wieder in Gang kommt: Es muss ja zuerst wieder Nachfrage herrschen“, erklärt Ökonom Antoni Riera der Deutschen Presse-Agentur. Und gerade diese Nachfrage sieht er nicht so schnell wiederkommen. Er befürchtet eine lang anhaltende Angst der Urlauber vor Reisen mit dem Flugzeug, zudem prophezeit er eine größere Sparsamkeit der Verbraucher, die sich vor allem auf das Reisebudget auswirken werde. Mallorca ist für viele, insbesondere für Deutsche, die Urlaubsdestination schlechthin. Die Insel ist in etwa 2,5 Flugstunden erreichbar. Das Klima ist mediterran mild, ringsum lädt das Meer zum Baden ein, in der Inselmitte ist es gebirgig, (in den nicht allzu heißen Monaten) grün, und damit ideal zum Wandern.

Doch Mallorca ist auch ein gigantischer Immobilienmarkt. Vor allem ein Ferien-Immobilienmarkt: Einheimische, noch mehr aber Ausländer kaufen Häuser und Wohnungen. Die einen leben selbst darin, und sei es nur für wenige Wochen oder Monate im Jahr, die anderen vermieten an Gäste, betrachten ihr Investment als Kapitalanlage. Letztere spekulieren nicht nur auf die jährlichen Einnahmen durch die Touristen, sondern ferner auf die Wertsteigerung. Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie ist diese Rechnung in der Regel aufgegangen.

Man muss sich nur die Entwicklung von Panizzas Haus ansehen: plus 320 Prozent in dreißig Jahren. Das ergibt ein jährliches Wachstum von mehr als zehn Prozent. Okay, das Haus ist noch nicht an den Mann gebracht, der Verkaufspreis noch nicht gesichert. Aber: Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis er einen Käufer findet. Außerdem: Sein Haus liegt im Inneren der Baleareninsel, der günstigsten Region. Wer an der Küste Eigentum besitzt, kann weitaus höhere Summen aufrufen. Mehrere Millionen (Euro) sind keine Seltenheit mehr. „Die Immobilienpreise auf Mallorca sind jenseits von Gut und Böse“, sagt der Inselkenner Panizza. „Das sind keine Preise mehr, sondern nur noch Zahlen.“ Dennoch fänden auch die hochpreisigsten Objekte immer Abnehmer. Seine Beobachtung: „Jeden Tag steht wieder einer auf, der sagt: Ist mir doch wurst, was es kostet. Ich kaufe.“

Spanien, Palma de Mallorca: Der Strand von Es Molinar ist menschenleer zu sehen. Im Kampf gegen die Corona-Pandemie macht Spanien weiter Fortschritte.
Spanien, Palma de Mallorca: Der Strand von Es Molinar ist menschenleer zu sehen. Im Kampf gegen die Corona-Pandemie macht Spanien weiter Fortschritte.

© dpa/Clara Margais

Wer es sich leisten kann, jeden Preis zu zahlen, hat immerhin: recht viel Auswahl. Er schlage zum Beispiel das aktuelle Prospekt von „Porta Mallorquina“ auf. Der auf die Baleareninsel spezialisierte Makler zeigt auf fast 150 Seiten schöne Fotos von Traumhäusern. Je luxuriöser das Haus und das Anwesen sind, je fantastischer die Aussicht ist, desto höher sind die Preise. Eine wahllos im Katalog aufgeschlagene Seite zeigt drei Objekte: Das günstigste kostet gut drei Millionen Euro, das mittlere knapp neun, das teuerste 14 Millionen Euro. Zugegeben: Es werden auch preiswertere Immobilien angeboten. Das sind dann aber entweder keine Häuser, sondern Wohnungen. Oder aber sie genügen nur mittleren Ansprüchen. Fakt ist: Normalverdiener können sich Mallorca nur noch dann leisten, wenn sie Abstriche machen. Anders als ein Friedrich A. Panizza, der sich Ende der 80er Jahre quasi aus der Portokasse heraus den Traum vom Leben im Süden verwirklichen konnte. Aber vielleicht dreht sich der Wind wieder. Möglicherweise ist die Goldgräberstimmung vorbei. Eine aktuelle Studie zeigt, dass nichts ewig währt, auch kein Immobilienboom: 2019 sind die Immobilienpreise auf Mallorca eingebrochen.

Es war Mitte/Ende Februar, vor Corona. Vertreter mallorquinischer und deutscher Medien sitzen in einem kühlen Raum in Santa Maria del Camí. Am Marktplatz des kleinen Städtchens hat Porta Mallorquina ein Verkaufsbüro. Wie jedes Jahr zum Ende des Winters lädt es zur Pressekonferenz ein, Thema ist die Immobilienpreisentwicklung auf der Insel. Geschäftsführer Joachim Semrau und weitere Mitarbeiter sitzen vorm Beamer. Was sie verkünden, gefällt ihnen nicht: Das vergangene Jahr war ein Desaster. Über die gesamte Insel hinweg brachen die Preise um zwei Prozent ein. Besonders stark waren die Rückgänge im Umland von Palma mit minus 18 Prozent sowie im Süden mit minus 14 Prozent. In allen anderen Regionen fiel der Rückgang moderater aus, zwischen ein und drei Prozent. Im äußersten Südwesten stagnierten die Preise. Lediglich in der Hauptstadt Palma kletterten die Preise um zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

2019 brachen die Preise im Umland von Palma ein

Die Minen sind ernst, aber es blitzt Hoffnung auf. Das liegt nicht an den gereichten Erdbeeren und Gummibärchen. Es liegt daran, dass alle überzeugt sind, dass die Delle nur eine vorübergehende ist. Noch 2018 stand am Ende ein dickes Plus, inselweit verteuerten sich die Ferienimmobilien um acht Prozent. In einigen Gegenden war der Anstieg sogar zweistellig, im Südwesten lag das Plus bei 16 Prozent, im Süden sogar bei 20 Prozent. Seit 2015, seit das Unternehmen gemeinsam mit dem Center for Real Estate Studies (CRES) in Freiburg Studien zur Immobilienpreisentwicklung erhebt, sind die Preise um rund 30 Prozent in die Höhe geschossen. Während der Durchschnittspreis Anfang 2015 bei rund 4050 Euro pro Quadratmeter lag, betrug er Ende 2018 knapp 5430 Euro. „Vor allem 2017 war ein totaler Boom“, sagt Semrau. „Alles, was eine Tür hatte, wurde verkauft.“ Der aktuelle Rückgang sei lediglich eine Bereinigung.

Außerdem: Nur mager war das vergangene Jahr dann ja doch nicht. Es gab nach wie vor positive Trends, zum Beispiel hat sich der Neubausektor von der allgemeinen Entwicklung abgekoppelt: Wer in Neubauten investiert hat, konnte auch 2019 Zugewinne verbuchen. Im Vergleich zu Bestandsobjekten sind sie fast 40 Prozent mehr wert. Im Jahr davor waren es erst 34 Prozent. Hier zeigt sich, wo noch Rendite zu holen ist. Das gilt insbesondere für die begehrten Lagen in Palma oder südwestlich der Hauptstadt, wo die Neubau-Quadratmeterpreise im Schnitt bei aktuell mehr als 8000 Euro liegen.

Zweitwohnungsbesitzer dürfen nicht auf die Insel

Aber die größte Zuversicht liegt in der Zukunftsprognose. Diese zeigte, kaum war das Jahr sieben Wochen alt, Positives: Die Zahl der Transaktionen, auch diese war zuvor eingebrochen, ging laut Semrau wieder nach oben, Gleiches galt für das Verkaufsvolumen und die Umsatzerlöse. Bezüglich der Preisentwicklung war es für eine seriöse Einschätzung noch zu früh. Die Marktakteure erwarteten aber auch dahingehend ein erneutes Anziehen. Die Nachfrage jedenfalls, so Semrau, sei ungebrochen hoch. Dann kam die Pandemie.

Verkäufer wie Panizza könnten vom erneuten Aufschwung profitieren, wenn die dunklen Wolken weitergezogen sind. Der gebürtige Wiener will nach wie vor auf Mallorca bleiben. Aber mit mehr Bargeld in der Tasche. Für noch mehr Freiheit und Lebensqualität im „letzten Drittel“.

Die Zentralregierung in Madrid warnte, der Tourismus werde im ganzen Land wohl allerfrühestens Ende des Jahres wieder in Gang kommen. Die Regionalpräsidentin der Balearen, Francina Armengol, spricht von einer schubweisen Öffnung Mallorcas in den Sommermonaten, vorwiegend aber nur für Festlandspanier. Sie wies die Forderung deutscher Immobilienbesitzer zurück, trotz der Corona-Einschränkungen auf die spanische Insel gelassen zu werden. Die derzeit in Spanien geltenden Regeln, die unter anderem das Aufsuchen des Zweitwohnsitzes untersagen, müssten für alle Bürger unabhängig von ihrer Nationalität gelten, betonte sie. mit dpa

Sabine Hölper

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false