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Ein Baugerüst steht an einem Rohbau für Neubau-Wohnungen in Schöneberg.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Exklusiv

Kommt der Wohnungsbau zum Erliegen?: Mietenbremse des Bundes wird auch für Neubauten gelten

Die Bundesregierung will Neubauten nur zeitlich begrenzt von der Mietpreisbremse ausnehmen. Die Baubranche schlägt Alarm.

Während in Berlin gerätselt wird, ab wann der geplante „Mietendeckel“ gelten wird und ob ein Gesetzgebungsverfahren des Landes überhaupt zulässig ist, stellt sich heraus, dass das geplante Gesetz des Bundes gegen Mietwucher auch den Neubau erfassen wird. Projektentwickler befürchten, dass der – ohnehin unzureichende – Mietwohnungsneubau in den Großstädten zum Erliegen kommt, weil er sich vor dem Hintergrund steigender Bau- und Bodenpreise nicht mehr refinanzieren lässt.

Die scheidende Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hatte in der zweiten Maihälfte einen Referentenentwurf vorgelegt, um Mietwucher einen Riegel vorzuschieben. Zwar hieß es stets, dass in dem „Entwurf eines Gesetzes zur Zusammenführung und Verbesserung der Vorschriften über die zulässige Miethöhe bei Wohnraummangel“ der Neubau ausgeklammert werde. Doch dies ist nur eingeschränkt der Fall.

Zum Paragraphen 556h („Verbot der Entgeltüberhöhung“) steht zwar, dass Neubauwohnungen, wenn sie erstmals vermietet werden, nicht den Vorschriften zur Entgeltüberhöhung unterliegen. Nach fünf Jahren aber fallen sie bei einer Neuvermietung auf die ortsübliche Miete zurück – plus zwanzig Prozent.

Die Wuchergrenze liegt bei 50 Prozent

Allein bei der Erstvermietung von Wohnraum nach Neubau „wird eine privilegierende Sonderregelung eingeführt“, heißt es zum wesentlichen Inhalt des Entwurfs: „Mieten für Wohnraum, der nach Neubau erstmals genutzt und vermietet wird, sollen nicht als unangemessen hoch gelten. Daneben sollen Vermieter wie bisher (…) die zur Kostendeckung erforderliche Miete auch dann verlangen können, wenn dadurch die 20 Prozent-Grenze überschritten wird.“

Als absolute Grenze wird im Falle der Erstvermietung das Bestehen eines auffälligen Missverhältnisses zwischen der Leistung des Vermieters und den vereinbarten Entgelten verankert – wenn die Miete also die ortsübliche Miete um mehr als fünfzig Prozent überschreitet (Wuchergrenze).

Im Klartext: In den ersten fünf Jahren kann der Vermieter zwar „Kasse machen“ – bis maximal fünfzig Prozent über der ortsüblichen Miete. Doch nach Ablauf der fünf Jahre muss sich der Vermieter an der ortsüblichen Lage orientieren und kann maximal zwanzig Prozent aufschlagen. Erfolgt eine Wiedervermietung im Anschluss an die Fünf-Jahres-Frist, muss sich der Vermieter an den neuen Mietendeckel halten.

„Kein privater oder institutioneller Investor würde Mietwohnungen bauen können, die heute auf Basis von zum Beispiel 13 Euro pro Quadratmeter vermietet werden, wenn nach fünf Jahren die Gefahr besteht, dass die Anschlussvermietung nur noch auf Basis eines Mietwertes von zum Beispiel 6,50 Euro pro Quadratmeter plus 20 Prozent, ist gleich 7,80 Euro pro Quadratmeter erfolgen kann“, schreibt Projektentwickler Jürgen Leibfried (Vorstand Bauwert AG) in einer Beispielrechnung an den Tagesspiegel.

Leibfrieds Unternehmen ist seit 35 Jahren auf dem Sektor des höherpreisigen Mietwohnungsbaus tätig. Das Unternehmen errichtet nach eigenen Angaben in Berlin sowie im Umland mehr als 1500 Wohnungen. Zu den Kunden zählen große Versorgungswerke wie zum Beispiel Versicherungen. „Keiner dieser Investoren würde auf Basis der oben genannten Regelung Neubaumietwohnungen erwerben wollen“, schreibt Leibfried.

CDU und CSU blockieren

Derzeit liegt Barleys Referentenentwurf noch auf Eis. SPD-Fraktionsvize Eva Högl warf den unionsgeführten Ministerien vor, wichtige Änderungen an der Mietpreisbremse zu torpedieren. „Die Ressorts von CDU und CSU blockieren die dringend notwendigen Gesetzentwürfe zum Mietrecht“, sagte die Justizpolitikerin.

Barley (SPD) will unter anderem regeln, dass Vermieter bei Verstößen gegen die Mietpreisbremse künftig zu viel erhaltene Miete rückwirkend zurückzahlen müssen. Vier unionsgeführte Ministerien und das Kanzleramt hätten aber ohne Angabe von Gründen abgelehnt, dass Barleys Entwürfe an die beteiligten Kreise und Länder weitergegeben werden. „Das zeigt einmal mehr, dass die Union die Mieterinnen und Mietern im Regen stehen lässt und sich lieber auf die Seite der Vermieter schlägt“, kritisierte Högl.

Für Mieterorganisationen, die Vermieter für zu hohe Forderungen abmahnen wollen, bedeuten die im Entwurf genannten Ausnahmen ein Risiko. Denn sie könnten nicht wissen, welche Beträge in eine Wohnung investiert wurden. Sie riskieren, dass sie im Fall einer Niederlage vor Gericht auf den Kosten sitzen blieben.

Der Vermieter soll nämlich künftig eine höhere Miete verlangen dürfen, wenn dies zur Kostendeckung – etwa bei Investitionen in die Wohnung – nötig sei.

Neben der Regelung zur Mietpreisüberhöhung plant Barley eine Verschärfung der Mietpreisbremse.

„Die Beweislast liegt beim Vermieter“

Der Berliner Makler Jürgen Michael Schick schreibt in einem Newsletter zum Entwurf des geplanten Gesetzes: „Auf die Tatsache, dass es sich bei der Wohnung um einen Neubau im Sinne der Ausnahme von der Mietpreisbremse handelt (Paragraf 556f BGB), kann sich der Vermieter zwar berufen. Das nützt ihm jedoch nichts, wenn die Miete nach der parallel laufenden Regelung überhöht ist.“ Auch eine höhere Vormiete gewähre keinen Bestandsschutz.

„Zwar gibt es eine Ausnahme in der Form, dass eine höhere Miete zulässig wäre, wenn die Miete zur Deckung der laufenden Aufwendungen erforderlich ist“, sagt Schick: „Die Beweislast liegt jedoch beim Vermieter. Im Kern ist es also so: Sollten die Pläne aus dem Justizministerium tatsächlich umgesetzt werden, gilt die 120-Prozent-Grenze für Neubauimmobilien nach fünf Jahren.“ Schick glaubt, dass sich Projektentwickler aus dem Mietwohnungsbau nach einer kurzen Boomphase wieder zurückziehen müssen und „notgedrungen nur noch Eigentumswohnungen oder eben Gewerbeimmobilien bauen“.

Der kommissarische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel sprach sich unterdessen für eine Gesamtstrategie für bezahlbares Wohnen in Deutschland aus. Schäfer-Gümbel, der bereits einen bundesweiten Mietendeckel gefordert hatte, wies Kritik, dies würde den Wohnungsbau hemmen, als „Quatsch“ zurück. „Es geht um fünf Jahre Mietenstopp auf der Höhe der Inflationsrate“, sagte der Politiker. „Damit gewinnen wir Zeit, in denen bezahlbare Wohnungen gebaut werden können.“ Diese entstünden nicht per Zauberspruch.

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