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Abflug? Die Schwarmfinanzierung von Bauvorhaben ist gefährdet.

© Pixabay

Kleinanlegerschutzgesetz: Bundesregierung schwärmt nicht für den Schwarm

Die Überprüfung des Kleinanlegerschutzgesetzes bedroht Crowdfinanzierungen von Immobilien.

Wie das Damoklesschwert hängt ein Vorhaben der Bundesregierung über der Immobilienbranche: Die Schwarmfinanzierung von Bauprojekten soll nach dem Willen von CDU- und SPD-Politikern nicht mehr von Vorschriften des Kleinanlegerschutzgesetzes befreit sein. Damit droht der jungen Branche der Crowdfinanzierungs-Plattformen für Immobilien das Aus. Auch Projektentwickler und Baufirmen wären betroffen, denen ein innovativer und schneller Zugang zu Kapital versperrt werden würde. Damit nicht genug: Eine Gesetzesänderung würde zehntausende Kleinanleger, die in den vergangenen drei bis vier Jahren mit Summen ab 500 Euro am Immobilienboom mitverdienen konnten, von diesem attraktiven Segment ausschließen.

Das Kleinanlegerschutzgesetz setzt seit 2015 enge Grenzen, wie viel Geld Unternehmen von Anlegern einwerben dürfen. Außerdem muss in einem umfangreichen Vermögensanlageprospekt über die Risiken des Investments informiert werden. Ausgenommen sind bis dato Schwarmfinanzierungsprojekte bis zu einem Volumen von 2,5 Millionen Euro, für die von jedem einzelnen Anleger nicht mehr als 10 000 Euro eingesammelt werden.

Nach der in den vergangenen Monaten durchgeführten Überprüfung der Wirkung des Gesetzes sind einige Politiker zu der Ansicht gelangt, die neue Finanzierungsform könnte die Überhitzung des Wohnungsmarktes fördern. Deswegen erwägen sie nun, sämtlichen Crowd-Immobilienprojekten die Befreiung von der Prospektpflicht zu entziehen. Die Erstellung eines solchen schwer lesbaren, oft 120 Seiten starken Wälzers kostet 30 000 bis 70 000 Euro und fünf bis sechs Monate Arbeit. Eine Streichung der Befreiung für Schwarmfinanzierungen würde zudem bedeuten, dass die Finanzierungen Laufzeiten von mindestens 24 Monaten haben müssen. Das wäre für Immobilienfirmen, die in der momentanen Konjunkturphase schnell und kostengünstig agieren müssen, „eine Katastrophe“, ist Wirtschaftsprofessor Ralf Beck von der Fachhochschule Dortmund überzeugt. „Vielen Immobilienprojekten würde die Chance genommen, eine passende Finanzierung zu erhalten.“

Bankenverbände werfen den Schwarmkapital-Vermittlern unfairen Wettbewerb vor

Auch Carl-Friedrich von Stechow, Arbeitskreisleiter Real Estate im Bundesverband Crowdfunding, befürchtet, „dass bei einer Aufhebung der Befreiung kleinere, aber regional bedeutende Bauvorhaben vom Markt verschwinden werden“. Von Stechow ist Chef von Zinsland, mit eingeworbenen 16,4 Millionen Euro für 23 Bauprojekte eines der vier großen Portale, die Immobilienfirmen Schwarmkapital besorgen. Zur Elite der Branche gehören außerdem die Plattformen Zinsbaustein, Bergfürst und Exporo. Allein Marktführer Exporo hat in den vergangenen drei Jahren 44 Projekte mitfinanziert. Von den als zweckgebundene Nachrangdarlehen vermittelten gut 55 Millionen Euro wurden zwölf Millionen Euro schon wieder an die Anleger zurückgezahlt – plus vier bis sechs Prozent Zinsen per annum.

Insgesamt wurden in Deutschland bisher, so der Branchenverband, rund 100 Millionen Euro Schwarmkapital für Immobilienprojekte eingesammelt, davon etwa 40 Millionen 2016 und weitere 40 Millionen zwischen Anfang Januar und Ende April dieses Jahres. Einen Ausfall gab es in diesem Segment bisher nicht. „Was auch an der sorgfältigen Projektauswahl der Plattformen liegt“, ist Jamal El Mallouki überzeugt, Vorstandsvorsitzender des Crowdfunding-Verbandes.

Doch nicht jeder Marktteilnehmer ist glücklich über die Erfolgsgeschichte der Immobilien-Schwarmfinanzierung: Bankenverbände beispielsweise attackieren die Online-Kapitalsammelstellen als unfaire Wettbewerber auf dem Finanzierungsmarkt. Sie wünschen sich für den Vertrieb auf dem „grauen Kapitalmarkt“ daher noch strengere Kontrollen, als sie die Bundesregierung einführen will. Die Schwarmkapital-Vermittler müssten genauso wie Banken und Sparkassen reguliert und durch die Finanzaufsicht Bafin überwacht werden, findet die Interessensvertretung Die Deutsche Kreditwirtschaft. „Dabei erschließt Crowdinvesting den Banken neue Geschäftsfelder, denn nur durch diesen Eigenkapital ähnlichen Finanzierungsbaustein können viele Bauprojekte realisiert werden, da die Banken häufig höchstens 80 Prozent des Volumens mit Fremdkapital ausstatten“, kontert von Stechow. Er betont zudem, dass Schwarmanleger mehrmals darauf hingewiesen werden, ihr Kapital auf mehrere Projekte und Plattformen zu verteilen.

Schwarmkapital wirke gegen Preissteigerungen und Überbewertungen

Auch Björn Maronde, einer der Gründer von Exporo, empfiehlt seinen Kunden, „durch Streuung des Kapitaleinsatzes auf mehrere Bauvorhaben eine Portfolio-Diversifikation vorzunehmen und so das Risiko zu minimieren“. Für Lars Hornuf, Professor an der Universität Trier, steht ohnehin fest, dass Immobilien-Crowdinvesting sicherer ist als ein Investment in Start-ups, bei denen der Anleger auf nicht viel mehr als eine Geschäftsidee setze: „Bei der Finanzierung eines Gebäudes steht die Immobilie als Wert da.“

Ralf Beck verweist auf die Bedeutung von Crowdfinanzierung für den gesamten Immobilienmarkt. Die Gelder kämen auf der Angebotsseite an, vielfach bei Neubauten: „Schwarmkapital wirkt dadurch – ganz im Sinne einer gewünschten Stabilität – eher gegen Preissteigerungen und Überbewertungen.“ Er teile nicht die Befürchtung der Regierung, dass Crowdfinanzierungen zu einer Überhitzung des Immobilienmarktes führen können. Dieses Finanzierungsinstrument stärke außerdem kleinere und mittelständische Projektentwickler, die durch mehr Liquidität Flexibilität und Handlungsfreiheit gewinnen: „Ein positiver marktwirtschaftlicher Effekt.“

Es liege auf der Hand, die laufende Evaluation des Kleinanlegerschutzgesetzes zu nutzen, um die Befreiungsvorschriften für Schwarmfinanzierungen auch auf andere Vermögensanlagen wie stille Beteiligungen und Genussrechte auszuweiten: „Da diese keine wesentlichen Unterschiede zu den von der Befreiung profitierenden partiarischen Darlehen und Nachrangdarlehen aufweisen, gibt es keinen Grund für eine schlechtere Behandlung.“

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