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Rolf Buch (l-r), Vorstandsvorsitzender der Vonovia SE, Matthias Kollatz (SPD), Finanzsenator von Berlin, und Michael Zahn, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Wohnen SE, nehmen am 25. Mai an einer Pressekonferenz im Roten Rathaus zum geplanten Zusammenschluss von Vonovia und Deutsche Wohnen teil.

© dpa/Christoph Soeder

Immobiliendeal: „Kurzfristig ändert sich überhaupt nichts“

Der Mietenstreit in Berlin wird durch die geplante Fusion der Deutsche Wohnen mit der Vonovia nicht befriedet – eine Einordnung

Die Berliner SPD ist begeistert über diesen „Deal“. Wohin man auch hört: „ziemlicher Coup von Müller & Co.“, „echt gut gemacht“, „Kauf ohne einen Cent in die Hand zu nehmen“. So lauten die Kommentare aus Parteikreisen. Wohnungen aus dem Vonovia-Deutsche Wohnen-Paket in Berlin für kleines Geld über die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zu erwerben: „echte Schnäppchen“. Die müssten einfach nur 100000 Euro pro Wohnung aufnehmen. Bei den aktuellen Kreditzinsen: fast geschenkt. Denn dafür kann keiner eine Wohnung bauen.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) wandte sich in der Abendschau des rbb am Dienstag (25. Mai) an das Mietervolk seiner Stadt: „Ihr könnt Euch jetzt darauf verlassen: In den nächsten Jahren wird es dann für 500000 Wohnungen – das ist ein Drittel aller Mietwohnungen in Berlin – maximal eine Mietsteigerung um ein Prozent geben. Das ist erst einmal eine gute Nachricht. Dass wir darüber hinaus noch unsere Bestände erhöhen, ist eine gute Nachricht.“

Von rund 1,66 Mio. Mietwohnungen in Berlin besitzen Deutsche Wohnen/Vonovia zusammen rund 150000 Wohneinheiten in Berlin und die sechs kommunalen Gesellschaften 332000 Wohneinheiten. Die Stadt werde nun mehr Einfluss auf sozialverträgliche Mieten haben, hatte Müller bereits am Dienstagvormittag zu Protokoll gegeben. Wirklich?

Befriedet das mit dem geplanten Zusammenschluss von Vonovia und Deutsche Wohnen einhergehende Angebot die erregt geführte Enteignungsdebatte? Sind 20000 Wohnungen für 2,1 bis 5 Milliarden Euro – Geld scheint kein Problem zu sein – Bausteine für ein Abklingbecken in das sich die emotional aufgeladenen Fronten versenken ließen?

Einen strategischen Nutzen durch den Deal sieht der Berliner Mieterverein nicht

Von Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV), wäre echte Begeisterung zu erwarten gewesen. Doch seine erste Stellungnahme zur Causa passt so gar nicht ins positiv gezeichnete Bild. Zitiert wurde sie in dieser Woche folglich kaum: Zu groß scheint die Sehnsucht zu sein nach dem Befreiungsschlag aus der komplett verkeilten wohnungspolitischen Kiste. „Einen von Vonovia & Deutsche Wohnen dargestellten strategischen Nutzen für alle Beteiligten sieht der Mieterverein nicht“, textete Wild, hier sicher kein Parteisoldat seiner Partei, der Grünen. Auch sei nicht erkennbar, warum man mit 500000 Wohnungen nun die strategischen Herausforderungen des Wohnungsmarktes besser in Angriff nehmen könne.

„Wir befürchten, dass sich durch die Fusion in einzelnen Berliner Quartieren eine Marktmacht herauskristallisiert, die für die Stadtentwicklung problematisch werden kann. Auch der Druck auf die Politik wird durch den Branchenriesen zunehmen. Wir sind daher überrascht, mit welcher Naivität der Regierende Bürgermeister Müller und Finanzsenator Kollatz den Immobiliendeal begrüßen“, ließ Wild verbreiten. Berlins oberster Mietervertreter legte nach, dass dieser „Deal“ seiner Klientel wenig Vorteile verschaffe: Die jährlich generierten Mietsteigerungen lagen laut Vonovia-Geschäftsbericht „sogar unter einem Prozent, ein Hinweis darauf, dass die ortsüblichen Vergleichsmieten vielerorts schon erreicht oder überschritten waren“.

Die aktuell verfügbaren Daten zu den Eigentümerstrukturen und zum Mietmarkt sind für die notwendigen regulatorischen und steuerlichen Maßnahmen und angesichts der Bedeutung des Themas völlig unzureichend, so die Rosa-Luxemburg-Stiftung in ihre Studie "Wem gehört die Stadt?" (2020). Um die "soziale Frage des 21. Jahrhunderts" demokratisch zu beantworten, für evidenzbasierte politische Maßnahmen und nicht zuletzt für den Kampf gegen Missbrauch und organisierte Kriminalität braucht es mehr Transparenz und sehr viel bessere Informationen. Ein Gebäude- und Wohnungsregister bzw. Mietenkataster mit Eigentümerinformationen könnte hier Abhilfe schaffen.
Die aktuell verfügbaren Daten zu den Eigentümerstrukturen und zum Mietmarkt sind für die notwendigen regulatorischen und steuerlichen Maßnahmen und angesichts der Bedeutung des Themas völlig unzureichend, so die Rosa-Luxemburg-Stiftung in ihre Studie "Wem gehört die Stadt?" (2020). Um die "soziale Frage des 21. Jahrhunderts" demokratisch zu beantworten, für evidenzbasierte politische Maßnahmen und nicht zuletzt für den Kampf gegen Missbrauch und organisierte Kriminalität braucht es mehr Transparenz und sehr viel bessere Informationen. Ein Gebäude- und Wohnungsregister bzw. Mietenkataster mit Eigentümerinformationen könnte hier Abhilfe schaffen.

© Rita Böttcher/Tagesspiegel

Müllers Vorstoß, der wie ein Coup nach dem Mietendeckel-Aus daherkommt, war von langer Hand vorbereitet. Zum Beginn des Frühjahrs 2019 hatte er noch gehofft, dass er die Enteignungsdebatte „abtropfen lassen“ könne – indem er sich dazu nicht öffentlich äußerte. „Ich will nicht, dass das ein Volksbegehren“ wird, hatte er gesagt. Der Tagesspiegel machte Müllers Gegenstrategie öffentlich: Ein Mietenbündnis mit den Privaten. Ein erstes Treffen mit Vertretern der Immobilienwirtschaft fand bereits Ende März 2019 statt. Die Konzerne Vonovia und Deutsche Wohnen hatten dann am späten Montagabend des 24. Mai bekanntgegeben, dass sie zusammengehen und in dem Zusammenhang gut 20000 ihrer mehr als 150000 Berliner Wohnungen an die Stadt abgeben wollen. Momentan besitzen die städtischen Gesellschaften etwa 340000 Wohnungen. Welche Wohnungen Berlin erwerben könnte, ist offen. Der Regierende Bürgermeister nannte lediglich die Thermometer-Siedlung in Lichterfelde und das Falkenhagener Feld in Spandau. Nach Angaben von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) befinden sich die meisten in Rede stehenden Wohnungen außerhalb des S-Bahn-Rings, eine „vierstellige Zahl“ aber auch in Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte.

Der Ankauf von Belegungsrechten wäre effizienter als der Ankauf von Wohnungen

Die Zweifel des BMV-Geschäftsführers Reiner Wild an einem Erfolg der Operation teilt André Adami, Bereichsleiter Wohnen bei der Bulwiengesa AG. Sie ist eines der großen unabhängigen Analyseunternehmen der Immobilienbranche mit Sitz in Berlin. Adami glaubt, dass mit dem gleichen finanziellen Aufwand deutlich mehr Wohnungen gedeckelt werden könnten: „Die Strategie „Zukauf – frei und über Vorkaufsrechte“ ist erstens aufgrund der Kleinteiligkeit mit großen Anstrengungen verbunden und zweitens sind die Effekte im Bestand vergleichsweise gering. Die hohen Aufwendungen würden einen deutlich höheren Effekt haben, wenn Belegungsrechte eingekauft würden. Eine Wohnung mit 60 qm könnte fast 70 Jahre von 9 auf 6 Euro/qm gesenkt werden, statt sie für 150000 Euro zu erwerben.“ Eine Entlastung des Marktes sei nur über Neubau zu erreichen.

So denkt und argumentiert auch Reiner Braun, Vorstandsmitglied der unabhängigen Empirica AG (Berlin), die Regionaldatenbanken für Immobilien- und Wohnungsmärkte pflegt und analysiert. Die Wohnungen seien bewohnt, gibt Braun zu bedenken, „so dass sich kurzfristig überhaupt nichts ändern wird. Wenn ein Teil der Wohnungen günstiger vermietet wird, ändert das quantitativ nichts an der Nachfrage bei den anderen Wohnungen.“ Das habe man während des Mietendeckel-Experiments bereits gelernt. Werde günstiger vermietet, stelle sich dann die Frage nach der Rentabilität. Aber würden dadurch auch die Mieten der „anderen“ sinken? Das fragt sich nicht nur Braun. Nur bei einem Überschuss an Wohnungen könne Preisdruck aufgebaut werden, analysiert der Empirica-Chef: „Gäbe es in Berlin Leerstand, kämen – bei gleicher Qualität – die günstigeren Wohnungen in die Vermietung und die teureren stünden weiterhin leer. In dieser Welt könnte man Preisdruck auf die Konkurrenz ausüben.“ Eine dämpfende Mietpreisentwicklung erreiche man durch Beseitigung der Knappheit, also durch zusätzliche Wohnungen.

Der Mietspiegel ist eine politische Willenserklärung - keine Statistik

Dennoch haben die kommunalen Bestände einen dämpfenden Effekt auf die Mietspiegelmieten. Da sind sich die Experten einig. „Dies liegt unter anderem daran, dass die Mietspiegel-Erhebungsbögen von den Wohnungsbaugesellschaften öfter beantwortet werden als von den Privaten“, sagt Wolfgang Maennig, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Hamburg (Forschungsschwerpunkt: Stadt- und Immobilienökonomik). Der Berliner Mietspiegel arbeite – politisch gewollt – nicht mit multivarianten und transparenten statistischen Verfahren (Der Tagesspiegel berichtete). Der Mietspiegel sei weniger Statistik als eine politische Willenserklärung, über den man den Anstieg der Bestandsmieten eingrenzen könne. „Weniger erfolgreich ist der Mietspiegel hingegen bei der Begrenzung der Anstiege der Neuvertragsmieten“, sagt Maennig, „und daran wird sich auch durch den Aufkauf von Wohnungen durch das Land nichts ändern. Im Gegenteil: je stärker man selbst einen sinnvollen Anstieg der Bestandsmieten verhindert, desto höher fallen regelmäßig die Neuvertragsmieten aus."

Wie Mietervertreter Wild sieht auch Maennig bei den Wohnungen mit einfacher Lage und Ausstattung eine neue „Marktmacht“ im Entstehen. Zugleich gehe der Einfluss des Landes auf die Entwicklung der Mieten im privaten Bereich zurück.

So bleibt für das Land Berlin der geplante Ankauf eine vergleichsweise preiswerte Lösung des Versprechens, den Bestand an kommunalen Wohnungen in den kommenden Jahren zu erhöhen. Doch um welchen Preis? „Die Kosten tragen diejenigen, die keine Wohnung bei den Kommunalen erhalten“, glaubt Maennig: „Sie werden noch höhere Mieten zahlen.“

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